10 In den Fängen des Vodyanoi

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Zemlyn lag in Trauer. Von allen Fenstern wehten schwarze Fahnen herab. Ahrèn schritt mit den Seinen durch die engen Gassen der unteren Burg, hinauf zu der Festung, in der die Patriarchen Gėillens lebten. Nach dem zweiten Tor, dem der Festung, blieben sie im Innenhof stehen. Es war ein beengter Hof nur klein, die Mauern und Bauten ragten hoch und dunkel über ihnen auf, sodass man nur schwer den Himmel erkennen konnte. Eine der Türen vor ihnen öffnete sich und eine Magd kam auf sie zu.

„Ihr seid die Gesandten aus Laffah, nicht wahr!"

Ahrèn nickte.

„Kommt schnell, meine Herrin wünscht euch zu sehen."

Sie sahen sich um. Alles wirkte bedrückend und bedrohlich. Die Magd führte sie durch dunkle Flure, nur vereinzelt drang Licht durch die, mittels schwerer dunkler Vorhänge, verdeckten Fenster. In Lüstern an den Wänden brannten Fackeln und verströmten ein schwaches Licht und sie rußten stark, sodass die Luft beißend schwer in die Lungen drang. Schatten tanzten an den Wänden und ihre Schritte halten in den scheinbar leeren langen Gängen. Niemand war zu sehen, die Burg wirkte verlassen und unheimlich. Sie wurden rasch in die privaten Gemächer der Herrin von Gėillen geführt.

Sie stand an einem Pult und schrieb, als sie eintraten. Auch sie war in Schwarz gekleidet, ihr Blick war verhärtet und von Trauer gezeichnet, tiefe Falten umzogen ihre feinen Lippen und ihre Augen lagen hinter dunkler Ringe verborgen. Einige weise Strähnen zogen sich durch ihr, straff nach hinten gebundenes, schwarzes Haar. Sie sah auf, als die Türe hinter ihnen geschlossen wurde. Wachsam musterte Sie ihre Besucher, als diese näher traten.

„Ihr müsst Sir Ahrèn sein, der Ritter des Königs. Wir haben von euch erfahren, auch das ihr entsandt wurdet, um die Herkunft der Reiter zu ergründen. Wir hoffen sehr, dass es euch gelingt, aber für unser Land kommt dies zu spät. Der Patriarch ist tot, schon seit zwei Wochen nun."

Sie setzte sich ermattet auf einen Stuhl und faltete resigniert die Hände. Sie wirkte müde und blass. Ihr Blick war leer, so als wäre sie weit fort. Ahrèn kam zu ihr und kniete neben dem Stuhl nieder.

„Sagt, was ist geschehen, das euch so kämpfen lässt? Es ist nicht nur Trauer, was ich in eurem Blick lese."

Seine Stimme war leise und sanft. Sie lächelte ihn matt an und schickte ihn nicht von ihrer Seite fort.

„Ihr habt Recht. Es ist der Kampf um den Thron, welcher erbittert geführt wird, der mich schmerzt."

„Aber ihr habt einen Sohn, auch wenn er noch jung ist, so hat er allein den Anspruch darauf."

Sie nickte, eine Träne rollte über ihre Wange.

„Ja natürlich, doch ich fürchte um sein Leben. Ich sandte ihn mit zwei Männern, denen ich blind vertraue, in die Wälder, um ihn zu verstecken, sein Leben zu schützen. Die Onkel, Brüder meines Gemahls, trachten nach dem Fürstenthron. Da mein Sohn noch so jung ist, kann er sein Amt noch nicht ausfüllen. Wie ich hörte, sandten sie ihm hinterher. Das war vor einer Woche, seitdem hörte ich nichts mehr von ihnen. Ich fürchte, dass auch ihm etwas zugestoßen ist. Ihr seht, Sir Ahrèn, es gibt viel in unserem Land, was mich verbittern lässt."

„Ich sehe es und es macht mich traurig. Gibt es denn keinen Ausweg für euch?"

Unmerklich wandte sie sich ihm zu und griff nach seinem Arm.

„Doch. Ein Verwandter aus der Linie der Krieger könnte für meinen Sohn regieren. Er dürfte als Einziger den Thron hüten, bis der rechtmäßige Anwärter auf den Fürstentitel die Volljährigkeit erreicht hat. So will es das altehrwürdige Gesetz. Aber ihr dürftet wissen, wie es um das Verhältnis der Familien im Lande Gėillen steht. Auch habe ich niemanden mehr, dem ich vertraue, den ich zu ihnen senden könnte."

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