Kapitel 7

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Ich ließ das Handtuch gerade auf den Boden fallen und griff nach meiner Kleidung, als ich eine liebliche Stimme vernahm, die aus aus dem Untergeschoss zu kommen schien.
Es war Selia. Sie sang ein Lied aus alter Zeit über die Klagen des Volkes und die letzte Nacht der Könige, ehe das Volk die Unabhängigkeit durchsetzte.
Es war ein ruhiges melancholisches Lied, von dem ich wusste, dass es eines von Selias Liebsten war. Sie sang atemberaubend schön und gerade bei diesem Song harmonierte ihre Stimme vollkommen.

Genau wie ich, liebte Selia die Musik. Oft hatten wir zusammen gesessen, sie sang und ich begleitete sie mit der Gitarre.
Auch eigene Lieder hatten wir schon verfasst, welche aber nicht im Ansatz an die großen Lieder heran reichten. Da Musik fast nur noch Live oder auf Events gespielt wurde vertrieben wir uns so unsere Zeit und malten uns Pläne aus wie wir uns am besten später als Musiker engagieren konnten. Wir hatten sogar mal eine eigene Kassette mit unseren Liedern aufgenommen, welche Selia auf ihrem grünen Walkman abspielen konnte, den sie zu ihrem 16 Geburtstag bekommen hatte. Er und die Kassette waren ihr aller größtes Heiligtum und ich war die einzige die ihn je hatte mit benutzen dürfen. In den letzten beiden Jahren hatte sie für komplizierte Tauschgeschäfte noch ein paar weitere Kassetten erworben.

Die Träume, die wir als Kinder hegten, waren zwar viel zu  fantastisch, doch mit Selia als Partnerin konnte ich mir immerhin an ein paar Auftritte, oder zumindest mehrere Instrumente ersinnen.

Seufend streifte ich mir die Schlafsachen über, während ich mich die alten Zeiten zurück versetzte. Nichts wünschte ich mir in diesem Moment sehnlicher als meine treue Gitarre, doch leider hatte ich sie in meinem Elternhaus zurück lassen müssen und würde sie deshalb auch nie wieder zu Gesicht bekommen.

Langsam tappte ich auf meinen blanken Füßen die Treppe hinunter und begab mich dann zur Küche, aus der die sanften Töne drangen.
Ich lugte durch den Türspalt.
Die Violetthaarige stand an der Spüle und trocknete das Geschirr ab, welches von den beiden Mahlzeiten übrig geblieben war. Ich verfluchte mich beinahe dafür, dass ich die Tür weiter öffnete um meine Hilfe an zu bieten, denn sie verstummte sofort, als sie mich sah.
"Kann ich dir helfen?", fragte ich dennoch ein wenig unsicher. Als Antwort schüttelte sie den Kopf.
"Bin eh sofort fertig. Ich hab übrigens gerade den Brief mit unserer Arbeitsstelle aus dem Briefkasten gefischt."
Sie legte das Spültuch zur Seite und zog einen gefalteten Umschlag aus ihrer Hosentasche.
"Arbeitsstelle?"
Mir hatte niemand erzählt das man in Siedlung 1 arbeiten musste, noch dazu mit dem Genehmigten zusammen. Jedoch, ergab es Sinn, wenn man es jetzt hörte. Irgendwie musste das System in dieser Siedlung ja funktionieren und das würde es nicht tun, wenn niemand einen Finger rühren würde. Noch dazu wäre es sonst sterbenslangweilig und außerdem konnte ich mir vorstellen, dass man sich so noch ein besseres Bild von dem Ungenehmigten machen konnte.

"Schau nicht so überrascht", grinste meine Freundin und setzte sich an den Küchentisch, "soll ich auf machen?"
Nickend tat ich es ihr gleich. Erwartungsvoll beobachtete ich die Violetthaarige dabei, wie sie den Kleber vom Umschlag löste und einen gefalteten Zettel hinaus zog.
"Ließ vor", bat ich sie und sie räusperte sich ehe sie begann.

Sehr geehrte Selia Adlai,

Hiermit teilen wir Ihnen Ihre vorläufige Arbeit als Farmer/in mit, die Sie und Ihr/e Partner/in ab dem 03.Juli.2104 antreten werden. Ihre Einweisung erhalten Sie zur 8.Stunde. Finden Sie sich bitte pünktlich An der Ureiche bei Block 1 ein. Die Probezeit dauert eine Woche, danach können Sie entscheiden ob Sie diese Arbeit den Rest des Jahres ausführen wollen, oder nicht.

Im Sinne des Friedens.
      ~ Mr. J. Cross - Selektionsleiter

Selia legte den Brief vor sich auf den Tisch. Alles war gedruckt. Nur ihr Name und das Jahr wurde nachträglich eingetragen. Vermutlich wurde auch diese Arbeit dem Zufall überlassen.

"Farmer."
Das dumpfe Aufschlagen eines Kopfes auf der Tischplatte ließ mich zusammen fahren.
"S-Selia?", fragte ich besorgt und streckte meine Hand nach ihr aus.
Ich zog sie jedoch erschrocken zurück als sich meine Partnerin plötzlich ruckartig wieder aufsetzte und mich leidig ansah.
"Farmer, Liz! Farmer!"
Ich kicherte.
"Es ist ja nur für eine Woche. Und vielleicht gefällt es dir ja?"
"Ich hab schon immer gesagt das ich sowas nie machen wollen würde! Den ganzen Tag in der Sonne auf dem Feld. Nein, danke."
Wieder traf ihr Kopf auf die Tischplatte.
"Hab dich nicht so", schmunzelte ich amüsiert und klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter, "du wirst es überleben."
Zurück kam nur noch ein missmutiges Grummeln, das soviel aussagte wie 'Ich dachte wir haben Glück, und dann sowas.'
Selia hatte einen leichten Hang dazu, Dinge über zu dramatisieren.

"Gehen wir schlafen", lächelte ich, "morgen wird sicher ein aufschlussreicher Tag."
"Aufschlussreich. Aha."
Missmutig verließ sie die Küche.
Ich folgte ihr.

Das Schlafzimmer war ein recht großer Raum mit hellen Möbeln. Eine Kommode, ein Schrank und ein Doppelbett schienen in dem Zimmer beinahe verloren. Ein nichtssagende Ölgemälde eines Stillleben hing schief über der Kommode. Das Bett stand mit der Rückenlehne zu dem großen Fenster, durch das das Mondlicht hinein fiel und den Raum in ein silbriges Licht tauchte. Ausgerichtet war das Glas auf den Garten. Hinter der Hecke, die das Grundstück markierte, erstreckte sich eine wilde grüne Wiese und ein paar Überbleibsel alter Mauern, bis in 100 oder 200 Metern Entfernung der nächste Häuserblock ansetzte. Ich verfluchte mich dafür, nicht bei Tageslicht her gekommen zu sein und freute mich bereits, den Sonnenaufgang von hier aus beobachten zu können.

Ich lies mich in die weichen Federn des Bettes fallen und kuschelte mich in das weiße Bettzeug, das von der vergangenen Nacht durch Selia verknautscht in der Bettmitte ruhte.
"Damit kann ich leben. Nur wo willst du schlafen?", neckte ich meine Freundin.
Die Rache ließ nicht lange auf sich warten.
"Urgh", machte ich, als sie sich mit ihrem ganzen Gewicht auf mich legte.
"Wie wäre es mit hier?", konterte sie grinsend und quittierte alles indem sie sich extra noch schwer machte.

"Ah... ein Wal...ist...gestrandet...", quetschte ich zwischen meinen Zähnen hervor, ehe ich es schaffte sie von mir runter zu werfen.
"Wie hast du mich gerade genannt?", rief sie gespielt erbost und setzte sich auf dem Bett, wippend, auf. "Vergiss nicht das du ab jetzt sowas wie meine Sklavin bist, Kleine!"
Als Antwort schmetterte ich ihr grinsend das Kissen ins Gesicht.
"Von wegen. Pah!"
Es folgte eine Kitzelattacke ihrerseits.
Wacker versuchte ich dagegen anzuhalten, doch nach zehn Minuten reinster Folter gab ich endlich auf.
"Stop!", lachte ich außer Atem, "du hast gewonnen! Du hast gewonnen!"
Sie ließ sich triumphierend zurück ins Kissen fallen.
"Leg dich eben nicht mit mir an!", keuchte sie ebenfalls erschöpft.
"Ich würde es immer wieder tun."
"Liz?"
"Ja?"
"Ich bin froh das ich dich wieder habe. Ich hab dich lieb."
"Ich dich auch."
Sie nahm meine Hand. Ich drückte sie.
"Gute Nacht, Lizzy."
"Schlaf gut, Lialein."

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Der Moment, wenn die Autorin die Charaktere mehr shippt als sie gerade sollte :'D
~Fine

THE SHIPPING IS TRUE <3
~Cedric

(Ja, mit unseren dummen Kommentaren unter manchen Kapiteln müsst ihr leben xD)

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