Düstere Gewitterwolken zogen am Horizont auf. Kühler Herbstwind blies schon seit Wochen durch die Siedlung. Es war gut einen Monat her, dass ich Erik und Magda gesehen habe. Auch Dr. Nima habe ich beim 2. Selektionstreffen vor zwei Tagen nicht wieder gesehen. Stattdessen hat mich ein Mr. Daks befragt und mein Körper wurde unangenehm genau untersucht. Doch das veränderte Personal machte es mir einfach diesmal Lügen zu erzählen. Zwar beließ ich es bei der Wahrheit, was Selia anging - sollte meine Patnerin was anderes Erzählen als ich, würde das schließlich meinen sofortigen Tot bedeuten - aber ich erwähnte nichts von Erik, Magda und den Streichern. Auch John hatte ich nichts von ihnen erzählt, auch wenn ich viel darüber nachgedacht hatte. Das Versprechen, das ich Erik gegeben hatte, bevor er und seine Partnerin meinen Laden verlassen hatten, hatte ich ernst gemeint und es war mir wichtig. Es birgte einen gewissen Vertrauensbeweis, den ich nicht enttäuschen wollte.
Ich war gerade auf dem Weg vom Laden nach Hause. Der Wind blies unangenehm beißend in mein Gesicht und löste die farbigen Blätter von den Bäumen, welche in einem schier unendlichen Tanz erst durch die Luft und dann über den steinigen Boden kreisten. Ich wünschte mir nichts sehnlicher als einen Schal, aber dieser war in der Übergangskleidung der Ungenehmigten nicht inbegriffen. Es hatten sich lediglich die Arm- und Beinlänge des Ober- und Unterteils verlängert, sodass Haut nur noch an Händen, Gesicht und Hals gezeigt wurde.
Ich seufzte und zog mich ein wenig zusammen, um die verbliebene Körperwärme bei mir zu behalten."Liz! Elisabeth!"
Erschrocken drehte ich mich um.
"Ein Brief für dich." Daz rannte auf mich zu und kam keuchend vor mir zu stehen.
Mit zittriger Hand überreichte er mir das Papier. Ich nahm es entgegen.
"Entschuldigung, dass ich so spät bin."Ich schmunzelte. Ich hatte Daz weder erwartet noch beauftragt. Er entschuldigte sich aus reiner Herzensgüte.
"Schon eine Antwort?", fragte ich und öffnete den Brief. Ich hatte Daz erst heute Morgen eine Rückmeldung mitgegeben. "John scheint mir deine Dienste zu Überbeanspruchen."
"Und", sagte Daz, ohne auf mich einzugehen und zog einen metallisch glänzenden Gegenstand aus seiner Hosentasche, der mich dazu brachte mit den Augen zu rollen. "Du sollst aufhören mir das Amulett zuzustecken." Er reichte es mir. "Im Ernst. Ihm ist das wichtig. Es gehört dir."
Er hatte es mir schon am ersten Abend unserer kleinen Brieffreundschaft wiedergebracht, doch bis jetzt hatte ich es jedesmal geschafft ihm das kleine Ding wieder unterzujubeln. Mittlerweile war es für mich zu einem Spaß geworden, es nicht anzunehmen, aber jetzt wo Daz mich so bestimmt, aber auch ein wenig verzweifelt ansah, tat er mir irgendwie leid.
"Ich nehme es an.", sagte ich ernst gemeint und steckte es in meine Hosentasche. Dankbar lächelnd nickte er mir zu.
Dann fielen meine Augen wieder auf den Brief.Liebe Liz,
Schön, das du mein Geschenk jetzt endlich angenommen hast.
Blödmann, dachte ich, musste aber schmunzeln. Er kannte mich mitlerweile gut. Zu gut, für meinen Geschmack. Ich las weiter.
Ebenso freut es mich, dass du dich nun wieder besser mit Selia verstehst. Es tut gut dich in sicheren Händen zu wissen. Vielleicht versteht ihr beiden euch irgendwann auch so gut wie Daz und ich, wenn du verstehst was ich meine~
Liebe Grüße, dein aller bester Freund JohnIch starrte den Brief einen kurzen Augenblick an. Ich spürte wie ein Gedanke in meinem Kopf zu meinem Sprachzentrum schnellte. Scharm eilte hinterher konnte es jedoch nicht mehr verhindern, dass ich aussprach, was ich dachte.
"Ihr schlaft miteinander?", fragte ich gerade heraus und sah dem im Brief erwähnten Jungen in die Augen, dessen Gesichtsfarbe beinahe die Farbe seiner Haare annahm.
"Nein, natürlich nicht! Im Gegensatz zu dem Idioten, stehe ich nicht auf Typen!", echauffiert sich dieser und brachte mich zum Lachen.
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Die Selektion
Science FictionEine Welt des absoluten Friedens, des Glücks und der Gemeinschaft. Keine Diskriminierung auf Grund von Herkunft, Glauben, Aussehen, Geschlechts, oder Sexualität - und mitten drin: die Selektion. "Wir nutzen Gewalt um den Frieden zu wahren." Jed...