Kapitel 17

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Zuhause machte ich den Haushalt und kümmerte mich ein bisschen um den Garten.
Der Garten sah zwar noch immer etwas wild und chaotisch aus, aber ich fand, auch das hatte seinen Charm. Ich wollte - oder sollte - auf Selias Anweisung hin, alles hergerichtet haben, ehe die Tage wieder kälter wurden. Es war erst Ende August und das Unkraut vermehrte sich noch, wie die Kanninchen, aber ich wollte es so gut es ging vermeiden, Selia wütend zu machen, weshalb ich meine Aufgabe so früh wie möglich beenden wollte. Auch wenn es mir beinahe albern erschien, mich vor meiner besten Freundin - dem gutherzigsten Menschen den ich kenne - zu fürchten. Ich hatte mich mittlerweile damit abgefunden, dass sie sich so drastisch verändert hatte, aber manchmal überkam mich noch die Nostalgie und die Sehnsucht nach den guten alten Zeiten.

Als ich den Garten soweit von unerwünschten Pflanzen befreit hatte, ging ich, vor mich her summend, wieder rein. Ich steuerte geradewegs auf das Badezimmer zu, um mich in der Dusche von Erde und Schweiß zu befreien, doch noch bevor ich die Klinke berühren konnte, hielt ich inne. Selia würde es bestimmt nicht gerne sehen, wenn ich duschen würde, ohne sie vorher zu fragen. Also drehte ich mich um und ging zu dem Büroraum, den Selia sich eingerichtet hatte.

Ich atmete durch und klopfte.

Keine Antwort.

Ich war mir sicher das Selia dort drin sein musste, sonst war sie nirgendwo.
Natürlich könnte es sein, dass sie einen Spaziergang machte, ohne mir bescheid zu sagen. Oder sie wollte noch irgendwas erledigen, aber für gewöhnlich schickte sie dann mich.

Noch einmal Klopfte ich.

"Selia? Bist du da?"

Keine Antwort.

Ich beschloss mich eben zu vergewissern, dass sie wirklich nicht da wäre und öffnete leise die Tür.

Sie war da.
Sie saß auf dem alten Drehstuhl, vor einem Schreibtisch. Die Füße hatte sie  auf die Tischplatte gelegt und in ihrer Hand hielt sie ihren grünen Walkman. Sie saß ruhig da, lauschte einer Kasette. Ihre Augen hielt sie geschlossen. Wahrscheinlich hatte sie mich deshalb nicht bemerkt.
Sie sah so friedlich aus, wie sie dort saß, beinahe melancholisch. Ob sie wohl unsere Kassette hörte?
Ich räusperte mich und meine Partnerin zuckte heftig zusammen. Sofort streifte sie die Kopfhörer ab und blickte wütend zu mir hoch.
"Was machst du hier drin?", keifte sie. Ich zuckte bei ihrer forschen Stimmlage zurück.
"Ich wollte duschen gehen", sagte ich und zeigte ihr meine erdigen Hände.
"Nein."
"Aber-" "Ich sagte nein. Wasch deine Hände sparsam mit Wasser. Du warst vorgestern erst Duschen und das sogar über zehn Minuten."
Ich war in eine Pfütze gefallen und war über und über mit Schlamm und anderen Kleinteilen bedeckt gewesen. Es hatte mich so lang gebraucht, mich komplett zu säubern und alle Blätter und Schlammschichten aus meinen Haaren zu entfernen. Selia wusste das genauso gut, wie sie wusste, dass ich nicht mal die ganze Zeit das Wasser aufgedreht hatte, also machte ich mir nicht die Mühe sie daran zu erinnern. Stumm starrte ich sie an und hörte mir ihre Predigt über Wasserverbrauch an, ehe sie mit den Worten, "Jetzt geh, bevor ich wirklich sauer werde", endete.
Ich nickte stumm, wusch mir dürftig die Hände und legte mich schließlich in das Feldbett, in der Abstellkammer.
Gewiss würde der nächste Tag noch anstrengend genug werden und Schlaf war genau das, was ich nun brauchte.

~*~

Nach der traumlosen Nacht, tat mir so ziemlich jeder Muskel in meinem Körper weh. Ich hatte sogar  Muskelkater an Stellen, wo es mir neu war, überhaupt Stellen zu haben. Anscheind hatte ich mich am Vortag zu sehr beansprucht.
Trotzdem quälte ich mich aus dem eh nicht wirklich bequemen Bett und versuchte mich erstmal zu koordinieren.
Ich stank bestialisch. So konnte ich unmöglich zur Arbeit gehen.
Da Selia noch schlief, schlich ich mich einfach ins Bad. Jetzt mit ihr zu diskutieren, würde mir den letzten Nerv rauben.
Leise wusch ich den Dreck und den Schweiß mit einem nassen Lappen von meinem Körper. Sie würde es nicht mal bemerken, das wusste ich, aber trotzdem war ich nervös dabei. Ängstlich.
Als ich fertig war, zog ich mir frische Sachen an und sah zu, dass ich aus dem Haus kam.
Rasch brachte ich die Strecke hinter mich und zog den Ladenschlüssel schon aus der Tasche als ich um die Ecke bog, doch ich stockte. Vor dem Laden stand Jemand. Ein Kunde?
Als ich meine Schritte etwas beschleunigte, um den Schwarzgekleideten nicht länger warten zu lassen, erkannte ich den Rotschopf. Es war Daz - Junge aus dem Zug, vorheriger Verkäufer im Laden, Johns Partner; der Typ der mir immer wieder über den Weg lief. Was würde er in meinem Leben wohl noch für eine Rolle spielen?

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