Kapitel 11

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Falls ihr es noch nicht gesehen habt: Im letzten Kapitel wurde noch einiges am Ende hinzugefügt :P

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Der Himmel wurde langsam hellblau. Kühle Luft streichelte meine Haut und füllte meine Lungen. Ich war weit vor Selia ins Bett gegangen und als ich vor einer Stunde aufwachte lagen wir dicht beieinander. Ich wusste nicht, ob sich meine Selektionspartnerin absichtlich an mich geschmiegt hatte, oder ob uns unruhiger Schlaf zu einander getrieben hatte, wie die Motten zum Licht. Ich habe beim Aufwachen lange in das nur spärlich beleuchtete und doch wunderschöne Gesicht meiner Gegenüber geschaut. Möglicherweise machte ich den größten Fehler meines Lebens, wenn ich diese Liebe ablehnte.

Ich war einsam. Nicht nur so, wie ich da im Nachtkleid im Garten stand, sondern auch innerlich. Die Gefühle waren weit schlimmer, als die, die mich beim Öffnen der Briefe trafen.
Ich hatte alles verloren. Und ich fragte mich, warum ich nicht einfach hochging, meine Freundin wach küsste und um Verzeihung bat. Doch wenn ich das wirklich gewollt hätte, hätte ich es längst getan. Jetzt war es eh zu spät. Selia hatte das alles so schwer getroffen, dass es das meine Antwort unumkehrbar schien. Und ein "Ich weiß es nicht" war nur ein nettes "Nein". Ein unsicheres und von Verzweiflung getränktes Nein. Und ein Nein mit dem ich gegen den Bann unserer Freundschaft verstoßen hatte.
Selia hatte darauf vertraut, dass mich nichts aus unserer Freundschaft stoßen könnte. Und ich hatte mich stoßen lassen. Tränen begannen zu fließen.

Ein Windstoß ließ mich aufsehen. Die Blautöne jagten sich über den Himmel und die Bäume raschelten leise. Ich sah in die verstreuten Wolken. Die Menschen aus der alten Zeit, haben hier ihre Verstorbenen und ihre Heiligen vermutet. Eine schöne Vorstellung. Mir kommt ein Lied in den Kopf, dass ich immer schon schön fand, von dem ich aber nie gedacht hätte, dass es eines Tages zu mir passen würde. Dass ich eines Tages auch meinen Blick in den Himmel richte und nach Hilfe suche. Das ich nach den Engeln frage und mich in den aufbrausenden Wind Stelle und das Universum anschreie.

Die Person die ich bisher bei jedem meiner Probleme ersucht hatte stand nun hinter mir und mir war, als träfe mich ihr kalter Blick im Rücken noch bevor es ihre erzürnte Stimme in meinen Ohren tat. "Du kannst nicht einfach aufstehen und abhauen."

Ich drehte mich um. Wenn das die Antwort des Universums war, dann würde ich es jetzt versuchen. Ich würde ihr jetzt und hier sagen, dass sie liebe. Dass ich es mir überlegt habe und dass...
"Selia, ich ..." stammelte ich.
"Ich habe Verantwortung für dich. Du kannst nicht einfach aus dem Haus, außerdem hab ich dir nicht gesagt, dass du frühstücken kannst" - ich hatte mir beim rausgehen ein Brot mitgenommen - "Du musst auf das hören was ich sage, sonst funktioniert das hier nicht."
Ich stand da und schwieg. Mein Entschluss hatte sich in Luft aufgelöst. Das Universum hatte auch geirrt. Ein Windhauch kam auf, Gänsehaut stellte sich bei mir auf.

"Aber, das funktioniert doch so schon nicht. Das kann doch nicht so weitergehen. Lass uns doch bitte reden."
Selia war immer schon die bessere Streiterin gewesen, aber jetzt hatte sie mich tief getroffen und meinen Ehrgeiz geweckt.
"Über was sollten wir denn reden?" fragte die Ältere provokant. "Was hast du denn zu sagen?"
"Selia, du kannst doch nicht einfach..."
"Ich kann so ziemlich alles. Jedenfalls kann ich dir sagen, das ich nichts mit dir zu reden haben."
Ich wollte nicht glauben, dass das wirklich passierte.
"Aber ich muss mit dir reden.", wagte ich einen neuen Versuch.
"Du musst?" Ihre langen violetten Haare fielen Selia ins Gesicht. Energisch strich sie sich ihre Pracht wieder zurück. "Du musst nur noch das tun, was ich dir sage."
Ihr Äußeres passte nicht mehr zu dem, was sie sagte. So hässliche Sätze aus einem so schönen Mund. Ich bekam Tränen in die Augen.
"Seli, was ist los mit dir? Wieso tust du mir das an?"
"Ich tue dir das an?" Selia schnaubte fast. "Ich tue dir gar nichts an. Ich versuche mit dafür zu sorgen, dass wir hier durchkommen. Und das funktioniert nicht, wenn du ungefragt was naschst und zu Unzeiten das Haus verlässt."

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