Kapitel 26

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"Es ist nicht besser geworden. Im Gegenteil."

"Hast du Einfluss auf deine Unterlagen? Weißt du, ob sie die Wahrheit schreibt?"

"Nein. Sie bearbeitet die immer in dem 'Büro' was sie sich eingerichtet hat. Sie ist oft dort drinnen. Sie hat mir verboten dort rein zu gehen. Einmal musste ich rein, weil ein Freund von ihr an der Tür stand und sie dort drinnen geschlafen hat. Sie hat mich dafür geschlagen und ich musste auf ein paar Reiskörnen knien, bis sie wieder da war."

"Wendet sie öfter der Art Bestrafungsmethoden an?"

"Ja, sie lässt sich auch ständig etwas neues einfallen um mich zu foltern."

Ich saß auf der Liege des steril gehaltenen Untersuchungsraumes. Sachlich beantwortete ich die Fragen, die Dr. Nima mir stellte. Meine eigenen Fragen brannten wie Zunder in meiner Kehle, doch gleich zu Beginn des Selektionstreffens hatte die Ärztin mich angehalten mich diskret zu verhalten.
Ich trug nur meine Unterwäsche, weswegen meine geschundende Haut gut zu sehen war. Blaue, grüne, ja fast schwarze Flecken übergossen meinen Körper. Meine Kniee und Ellenbogen waren Wund gescheuert von verschiedenen Bestrafungen, denen ich regelmäßig ausgesetzt wurde. Viele kleine Schrammen überogen meine Arme und Beine. Eine dürftige Bandagierung, die man eigentlich nicht als diese bezeichnen konnte, bedeckte eine Art Stichwunde an meinem Rücken, die ich mir zugezogen hatte, als ich Selia "Zu respektlos angesehen" hatte. Es war ein Versehen gewesen, doch letztlich war sie es gewesen, die mich gegen den ausstehenden Nagel in der Wand geschubst hatte.
Manchmal glaubte ich, dass es an meinem Körper weniger heile Stellen gab, als Verletzte. Ich ähnelte einem Van Gogh Gemälde.

Die Schuld hierfür trug allein Selia. Mitlerweile hatte ich gelernt sie zu hassen. Ich konnte mir kaum noch vorstellen, dass wir einmal beste Freunde gewesen sein sollten - geschweige denn, dass ich sie geliebt hätte.
Sie war immer öfter betrunken, doch nicht mehr auf die niedliche Art, wie ich es von ihr kannte, sondern auf eine sehr aggressive. Sie schien grundlos wütend auf mich zu werden. Dann schrie sie mich an, oder schlug auf mich ein. Wenn ich mich wehrte, wurde es schlimmer. Erst hatte ich noch Angst gehabt, sie würde mich versehentlich ermorden, doch jetzt gab es Momente, in denen ich sogar hoffte, sie würde es beenden.
Sie hatte mir keine schweren Verletzungen zugefügt - keine Brüche, innere Blutungen, oder schlimmeres. Doch jede kleine Verletzung die ich an meinem Körper trug, hatte meine Seele ein bisschen zurück gestutzt.
Ich war kälter geworden. Viel kälter. Manchmal glaubte ich, gar keine Emotionen mehr zu haben. Oft starrte ich nur noch Löcher in die Luft, bis Selia irgendwas von mir wollte. Ich träumte nicht mehr und wenn, dann waren es Albträume. Ich hatte überlegt Selia einen anderen Namen zu geben, denn das Ding, dass mir das angetan hatte, hatte nichts mehr mit meiner ehemaligen besten Freundin gemein.

Ich zuckte kurz zusammen, als sich ein sachter Schmerz durch meinen Körper zog.
Dr. Nima begann, meine Verletzungen zu behandeln. Dürftig - denn wir hatten nicht viel Zeit.
Als sie fertig war, nickte ich ihr nur kurz zu und hielt ihr meinen Unterarm hin, damit sie mir die Spritze mit der Flüssigkeit spritzen konnte, die sie mir das erste Mal mit den Worten "keine Sorge, dass bekommen alle", verabreicht hatte.
Mitlerweile wusste ich, dass es ein sinnesbeeinflussendes Mittel war. Es war der Grund gewesen, weshalb ich so auf dieses verdammte Newton-Pendel angesprungen war. Man bekam es, damit man bei der Befragung nicht weit abdriftete, sondern auf den Raum und den Befrager fokussiert war. Es lullte einen so lange ein, bis man mit der ganzen Wahrheit rausgerückt war. Es fungierte also als eine Art "Wahrheitsserum". Auch, wenn man in diesem Zustand durchaus in der Lage war zu Lügen - man hatte einfach nicht das Bedürfnis dazu.
Ich hatte gemerkt das so eine Art von Technik hier oft angewand wurde. Hier wurde häufig mit der Psyche des Menschen gespielt.

Die hübsche Ärztin, die offensichtlich  eine Komplitzin der Streicher war, zögerte einen Moment, bevor sie mir das Serum verabreichte.
"Liz, es wird Krieg geben", sagte sie leise.
Ein dumpfes Gefühl machte sich in meinem Magen breit. Die Wörter trafen mich nicht unerwartet, aber jetzt konnte ich mich nicht länger davor verstecken. Plötzlich war ich der Realität schutzlos ausgeliefert. Ich fühlte mich wie ein Fisch auf dem trockenen.
"Ich weiß", flüsterte ich, "Es geht nicht anders."
"Es geht immer anders", lautete die Antwort, "aber die Streicher wollen sich nicht länger hinrichten lassen. Zwei Fronten bedeuten unweigerlich Krieg."
Ich nickte. Mir war es irgendwie schon immer klar gewesen, aber ich hatte es nie wahr haben wollen. Bis jetzt. Ich hasste diesen Frieden. Ich wünschte mir den wahren Frieden. Ich wollte mit meiner Familie beim Abendbrot Tisch sitzen und über andere Dinge reden als "Wenn du und dein Bruder überleben...".
Es war doch kein Frieden darauf zu warten zu sterben.
"Die Streicher haben sich nicht mehr bei mir gemeldet. Wie kann ich zu ihnen Kontakt aufnehmen?", fragte ich monoton.
Die Antwort war nicht zufrieden stellend.
"Gar nicht", sagte die Blonde, "wir werden dich kontaktieren, sobald es soweit ist."
"Es gibt da noch jemanden der mitmachen will. Er ist mein bester Freund. Ich habe ihm alles anvertraut."
"Du hast was!?"
Das plötzlich schärfere Zischen Dr. Nimas ließ mich zusammen fahren.
"Entschuldigung", sagte sie sofort ruhiger, "aber du solltest wirklich nicht so offen damit umgehen."
"Tut mir leid", log ich, "Aber er ist mir wirklich wichtig. Kann er mitmachen? Er ist ein guter Mensch."
"Ja. Wie heißt er?"
"Jonathan Bentley."
"Ich werde es weiterleiten", sagte sie und notierte sich etwas auf ihrem Notizblock, was ich nicht lesen konnte. Es waren keine Mierschen Buchstaben und vermutlich auch nicht die selbe Sprache. Gerade als ich fragen wollte, wurde ich unterbrochen.
"Geh jetzt", sagte Dr. Nima lauter als zuvor und gleich begann ich mir meine Kleidung über zu streifen, die all meine Verletzungen abdeckte.
"Bis dann", sagte sie, "für den wahren Frieden."
"Für den wahren Frieden", sprach ich nach und verließ dann das Zimmer.

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Ich führe dieses Kapitel mit dem Vorherigen zusammen, sobald das nächste Kapitel raus kommt (was hoffentlich bald sein wird). Ich sage das um Missverständnisse zu vermeiden :3

Danke fürs Lesen, Voten und zufügen in die reading lists.. Lasst ruhig Feedback da ^-^

Eddit: Ach wie toll... Wattpad lässt mich den Text nicht CopyPasten :D
Na dann vielleicht später...

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