Kapitel 8

161 18 0
                                    

Die Ureiche war ein majestätischer Baum aus verworrenden, beinahe morschem Gehölz, das sich mit üppigen Grün über ein paar Bänke wölbte. Er war wunderschön, aber auch das einzige, was Schatten vor der brennenden Sonne bot. So drängte sich unsere Gruppe dicht unter das alte Gehölz und lauschte mehr oder weniger aufmerksam den Erklärungen der Ordner. Die Leute kamen zwar aus unterschiedlichen Gegenden und Siedlungen, aber im Garten hatte wohl jeder schon mal geholfen. Und viel mehr als Gartenarbeit im großen Ausmaß war hier auch nicht zu tun.

Trotzdem ich so aufgeregt war, über meinen ersten Arbeitstag in meiner neuen Heimat, schweifte auch meine Aufmerksamkeit bald von den Erklärungen der autoritär wirkenden Univormierten ab.
Ich ließ meinen Blick über die Felder schweifen. Hier und da konnte man am Horizont Reste der alter Ruinen sehen und auf dem Hügel zu unserer rechten stand ein neu errichteter Wasserturm. Meine Augen huschten nach oben zum Gesicht meiner Patnerin, als ich von dort eine Bewegung vernahm.

Selia guckte mich flehend an. Schon der 30-minütige Fußweg - nach zehn Minuten in einem alten Großraumwagen - hatte sie total aus der Bahn geworfen. Es war zwar noch früh und die Nach war sternenklar und kalt gewesen, doch die Sonne ging zügig auf und erheizte die ausgedorrte Ruinenlandschaft rasch.
Schweißperlen liefen der Größeren quer durch das Gesicht. Eine fand ihren linken Mundwinkel, die andere verschwand hinter ihrer Wange und suchte ihren Hals. Ihr Mund sog in genervter Manier Luft ein.
Ich wurde etwas rot, als ich bemerkte das ich sie mindestens zehn Sekunden einfach nur angestarrt hatte.

„Geht's?", fragte ich sie etwas zu hastig um es zu kaschieren und setzte eine besorgte Mine auf.
Sie rollte zur Antwort mit den Augen. Ein schmales Lächeln zierte ihre Lippen. Ich sah weg.

Wir wurden auf die Erdbeerfelder, in eine kleine Senke weiter unten, eingeteilt. Mit ein paar anderen - die meisten wirkten nicht so begeistert - liefen wir durch eine schmale Schneise den Weizenacker herunter. Im Tal wehte ein leichter aber entscheidender Wind. Ich blieb stehen, breitete meine Arme aus, empfing die erfrischende Kühle. Staub wirbelte auf und verklebte mit dem Schweiß auf meinen Beinen zu einer prickelnden Kruste.

„Na los, bringen wir es hinter uns." Selia war einige Meter weiter stehen geblieben und sah zu mir zurück. Ihre pastelligen Haare spielten im Wind. Hätte sie gelächelt wäre es sicher ein schönes Bild gewesen, doch ihre Laune trübte die Atmosphäre.
„Schlag keine Wurzeln, du willst doch keine Ureiche werden? Oder?"
Ich warf Selia einen Der-war-nicht-witzig-Blick zu und setzte den Marsch schließlich fort.
Schweigend folgten wir der Gruppe. Wir waren etwas zurück gefallen.

„Ich finde, wir könnten mal wieder ein bisschen Musik machen", unterbrach Selia nach einer Zeit die Stille, während sie neben mir her lief.
„Du weißt, dass ich nicht singen kann."
Selia quittierte erneut mit einem Augenrollen.
„Doch, du kannst und das weißt du.", antwortete sie.
Ich schwieg. Ich wusste das ich sie nicht umstimmen konnte, also gab ich mein Bestes sie von der Idee abzubringen gemeinsam, vor allen, zu singen.
„Wir könnten versuchen eine Gitarre aufzutreiben", sagte ich unüberlegt.
Doch in ihren Augen glitzerte es. „Gute Idee."

Das Ernten der Erdbeeren ging von Stunde zu Stunde einfacher, da Wolken aufzogen und der Wind auffrischte. Als es am späten Nachmittag anfing in der Ferne zu donnern rief einige hundert Meter entfernt jemand zum Abmarsch. Ordner schwärmten aus, sammelten die Ernten ein.
Ein gutaussehender junger Mann - er konnte sein Selektionsjahr noch nicht lange hinter sich haben - kam auf uns zu und nahm die Paletten mit den Erdbeeren an sich. Etwas mehr als die Hälfte von mir, etwas weniger von Seli.
„Deine Ernte?", fragte der Mann meine Freundin, die entschieden nickte. Wahrscheinlich um Komplikationen zu entgehen. Vielleicht auch, weil der Junge vor uns so freundlich lächelte.
„Nicht schlecht", zwinkerte er ihr zu, als wolle er sie gleich noch zum Essen einladen.
"Guter fang", kicherte ich und knuffte meiner Patnerin in die Seite, als der junge Mann zu den Erntetransportern verschwand.
"Du spinnst", grinste sie. Das funkeln in ihren rehbraunen Augen bestätigte jedoch. Ein bisschen unverschämte Eifersucht überkam mich. Ich gönnte es ihr, doch gewöhnte mich nicht daran, von der ganzen Welt ignoriert zu werden.

Die SelektionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt