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"Wie konnte er nur?! Ich verstehe das nicht. Er ist doch unser Kindheitsfreund, also warum? Warum hat er so reagiert?", gibt Sara wütend von sich, während sie sich vorne auf die Straße konzentriert. Nach der großen Enttäuschung, die ich durch ihn gemacht habe, habe ich ihr im Auto davon erzählt. Sie wiederum konnte seitdem nicht aufhören sich über ihn aufzuregen.
"Ich weiß es nicht, Sara. Wenn ich das nur wüsste", seufze ich leise.
"Was willst du jetzt machen? Wirst du ihn aufgeben?" Neugierig wirft sie mir einen Blick von der Seite zu.
"Nein..", antworte ich entschlossen und erwidere ihren Blick. "..Damals hat er mich nicht aufgegeben, egal wie gemein ich ihm gegenüber auch war. Deshalb werde ich auch um ihn kämpfen und es ist mir egal, wie oft er mich mit seiner Art dabei verletzen wird."
Mit großen Augen starrt sie mich einige Sekunden erstaunt an, bis sie sich dann wieder vorne auf die Straße konzentriert. Ein schwaches Lächeln bildet sich dabei auf ihren Lippen. "Du liebst ihn immer noch, oder?"
Nun bin ich diejenige, die erstaunt über die Frage ist. Doch ohne zu zögern, kann ich auf diese antworten. "Ich habe nie aufgehört ihn zu lieben. Er war und wird meine erste Liebe bleiben."

Damals habe ich ihm mein Herz geschenkt, ohne es wirklich zu bemerken. In mir war immer dieses Kribbeln, wenn er in meiner Nähe war und diese Nähe habe ich auch immer gesucht. Meine Gefühle habe ich aber nie offenbart, weil ich Angst vor einer Ablehnung hatte. Ich wollte das zwischen uns nicht kaputt machen, also habe ich wie immer geschwiegen.
Danny kenne ich nämlich schon so lange. Seit meiner Kindheit ist er ein Teil meines Lebens gewesen. Ich habe ihn im Kindergarten kennengelernt und wir haben uns auf Anhieb verstanden. Tag und Nacht haben wir unsere Zeit miteinander verbracht. Wir sind zusammen zu den Menschen geworden, die wir heute sind. Irgendwann waren wir dann zu viert. Sara und Alex haben wir in der Schule kennengelernt. Wir haben wirklich jeden Tag zusammen verbracht und jede Menge Scheiße gebaut, wenn man mal so zurückdenkt. Es war eine so schöne Zeit, die aber nicht lange anhielt. Irgendwann hat sich nämlich alles verändert. Nachdem meine Mutter diesen einen Mann geheiratet hat, haben wir eine Weile unseren Kontakt verloren. Dieser Mann hat uns das Leben wortwörtlich zur Hölle gemacht und zum ersten mal habe ich häusliche Gewalt hautnah miterlebt. Er hat sowohl meine Mutter, als auch mich geschlagen, wenn er keinen Alkohol bekommen hat. Natürlich wusste meine Mutter vor der Heirat nicht, dass dieser Mann in Wahrheit der größte Teufel überhaupt ist. Er konnte sehr gut schauspielen und so hat sie sein wahres Gesicht erst nach der Heirat erfahren. Eigentlich hat sie nur geheiratet, um mir noch eine Stütze zu verschaffen, denn zu der Zeit wurde sie gerade erst mit dem bösartigen Tumor diagnostiziert. Mir war klar, dass sie ihn nicht geliebt hat. Durch ihn ging es ihr zunehmend schlechter und ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte. Ich war auch erst Ende sechzehn, fast siebzehn. Jung, naiv und unerfahren. Anfangs habe ich mich geweigert zur Polizei zu gehen, aus Angst das er seine Drohungen dann auch wirklich umsetzt.
'Solltest du kleine Schlampe es wagen zur Polizei zu gehen, dann schwöre ich dir, dass ich, bis sie da sind, Angelika töten werde. Du weißt ganz genau, dass sie durch ihre Krankheit eh nicht aus dem Haus kommt. Und du solltest mittlerweile auch wissen, dass ich meine Worte immer umsetze.'
Immer wieder hat er mir auf die Art und Weise gedroht und mich eingeschüchtert. Ich konnte aus Angst nicht einmal Sara die Wahrheit erzählen. Nein, ich habe mit niemandem mehr gesprochen und mich von Sara, Alex und vor allem von Danny abgeschottet. Zwar hat Danny am Anfang nicht aufgegeben und stand fast jeden Tag vor meiner Tür, doch ich war gezwungen den Kontakt zu ihm abzubrechen und dies habe ich dann schließlich auch geschafft. Acht ganze Monate habe ich nichts mehr von ihnen gehört. Sehen konnte ich sie auch nicht, weil ich zuvor schon die Schule wegen diesem Mann wechseln musste. So konnte ich mit niemandem mehr reden, weil er mir sogar Anrufe verboten hat. Als junges Mädchen habe ich mich natürlich aus Angst an seine Worte und Regeln gehalten. Vor allem wegen meiner Mutter, denn nur so hat er ihre Tabletten gekauft. Ich habe meine Gefühle in meinem Herzen verriegelt und mir eine kalte Maske aufgezogen. Während ich innerlich geschrien habe, hat man von Außen nichts gesehen. Niemand konnte erkennen, wie ich in Wahrheit gelitten habe und genau in der Zeit bin ich Danny dann nach acht Monaten wieder begegnet. Er war der einzige, der meine wahren Gefühle erkennen konnte und mir helfen wollte, obwohl ich ihm gegenüber abweisend und kalt gewesen bin vor Angst. Dank ihm habe ich mich schließlich getraut zur Polizei zu gehen, doch viel hat der Besuch nicht gebracht. Er musste ausziehen, hatte ein Verbot in die Nähe von unserem Haus zu kommen und die Scheidung kam dann auch kurz darauf. Am Anfang hat es sogar geklappt. Wir haben ihn eine ganze Weile nicht mehr gesehen, doch dann ist er wieder aufgetaucht. Er kam immer kurz vorbei, um uns zu drohen und Geld zu holen. Trotz etlicher Polizeibesuche, wurde groß nichts dagegen getan. Sie haben erst wirklich reagiert, als es eskaliert ist und das Dank Danny. Er hat nämlich nie aufgegeben und mich und meine Mutter letztendlich aus den Händen dieser Bestie befreit. Ich verdanke ihm so viel und genau deshalb werde ich um ihn kämpfen, so wie er es für mich damals getan hat.

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