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Das Ticken der Wanduhr erfüllt die Stille und bildet den einzigen Bezug zur Realität, den ich gerade wahrnehme. Nachdenklich sitze ich auf dem Boden und starre einfach nur nach vorne. Mit meinen Armen umfasse ich meine angezogenen Knie, während mein Rücken die kalte Wand hinter mir berührt. In dieser Position sitze ich nun schon bestimmt eine ganze Stunde. Obwohl die Uhr an der Wand gegenüber hängt, bin ich nicht in der Lage sie zu lesen. Zu meinem Wunder bleibt die innere Stimme, die normalerweise immer in solchen Situationen auftaucht, dieses mal weg und auch meine Gedanken können nichts richtiges erfassen, sondern kreisen nur um die große Leere in mir. Nicht einmal meine Gefühle kann ich identifizieren und zuordnen. Sowas habe ich noch nie gefühlt. Es fühlt sich einfach komisch und anders an.
"Grace, rede mit mir", höre ich Sara neben mir leise sagen.
"Was soll ich sagen?"
"Weiß nicht. Schrei mich an, sag mir, was für eine hinterhältige Freundin ich bin, beleidige mich, sag aber bitte irgendwas. Diese Stille bringt mich um. Hass mich, denn ich verdiene nichts anderes. Als deine beste Freundin konnte ich meine Gefühle nicht kontrollieren und habe mich in den Jungen verliebt, den du schon so lange liebst. Ich bin einfach unmöglich", erklärt sie mir in einem ruhigen Ton. In ihrer Stimme kann ich dabei die Trauer und Zweifel regelrecht heraushören.
"Ich hasse dich aber nicht", antworte ich, woraufhin sie still bleibt.
Das Ticken der Wanduhr kann man wieder laut und deutlich hören. Es könnte beruhigend wirken, wenn nicht dieser große Sturm in mir toben würde.

"Er liebt dich..", gibt Sara leise von sich, woraufhin ich den Kopf zu ihr drehe und sie verwirrt ansehe. Ohne ihren starren Blick vom Boden zu nehmen, fährt sie fort.
"..Nein, besser gesagt, er liebt dich immer noch, denn damals hat er es auch schon getan. Seine Blicke, Aufmerksamkeit, Freude, Trauer.. All diese Dinge hingen nur an dir. Für ihn zählten nur deine Worte und deine Meinung. Nur du konntest ihn dazu bringen Dinge zu tun, die nicht in seinem Interesse lagen. Nur du, sonst niemand. Du hattest ja eh schon diese Gefühle für ihn, also fehlte nur noch ein Schritt, bis ihr als Paar enden würdet. Eigentlich wollte ich mich wirklich für dich freuen, da ich wusste, wie lange du ihn schon liebst, doch ich konnte nicht. Diese Eifersucht und dieser Schmerz hat mich innerlich zerfressen. Ich hätte immer heulen können, wenn er dich mit diesen Blicken angesehen hat. Egal was ich auch für ihn getan habe, seine Augen strahlten nur bei deinem Namen.."
Eine Träne kullert bei ihrem letzten Satz über ihre Wange, welches ein Bild ihrer Verzweiflung und Trauer darstellt.
"..Und das bis heute noch. Als er damals einfach gegangen ist, habe ich mich zum Teil auch gefreut, weil ihr nicht mehr zusammen kommen konntet und ich endlich eine Möglichkeit sah, ihn vergessen zu können. Doch nun ist er wieder hier. Als ich das gehört habe, habe ich mich gefreut, weil ich dachte, dass ich endlich über ihn hinweg gekommen bin und das es mir nichts mehr ausmachen wird. Doch dann stand er vor mir und hat es geschafft, meine ganze Welt auf den Kopf zu drehen. Nichts hat sich an meinen Gefühlen verändert. Ich habe mich die ganze Zeit nur versucht zu täuschen, um nicht zu leiden.
Das Schmerzhafteste daran ist jedoch, dass er dich immer noch mit demselben Blick ansieht. Seine Augen leuchten auch heute noch bei deinem Anblick und das hat diese Wut in mir ausgelöst."
Während ich still bleibe, dreht sie ihren Kopf zu mir und schaut mir in die Augen.
"Versteh mich bitte nicht falsch. Ich habe es wirklich versucht, aber dennoch bin ich gescheitert. Neid, Hass, Wut, Trauer, Liebe.. All diese Gefühle verbinde ich mit dem Namen Danny. Grace, ich versuche wirklich glücklich für dich zu sein, doch ich schaffe es nicht. Ich bin neidisch auf dich, weil er selbst heute noch nur Augen für dich hat und mich nicht sieht. Die Art, wie er dich im Krankenhaus angesehen hat, ist mir nicht entgangen und dann ist mir auch klar geworden, dass er immer noch an dir hängt.." Eine weitere Träne läuft über ihre Wange, während ein kleines Lächeln sich auf ihren Lippen bildet. "..Du kannst dich wirklich glücklich schätzen. Danny mag zwar eine kalte und direkte Persönlichkeit haben, doch er ist einer der liebevollsten Menschen, die ich je kennenlernen durfte. Er wird gut auf dich aufpassen und dich wie seine Königin behandeln."

StrangerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt