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"H..Hallo? Wer ist da?", stottere ich ängstlich, während meine Hände vor Angst zittern. Statt einer Antwort bekomme ich jedoch nur ein lautes Ein- und Ausatmen zu hören. Leise schleiche ich mich um das Gebüsch herum und mache mich bereit, jeden Moment zuzuschlagen. Als ich dann jedoch das Gesicht von Danny vor mir habe, erstarre ich vor Schock. Er liegt dort an einen Baum gelehnt auf dem Boden, während sein weißes T-Shirt und seine Hände blutrot gefärbt sind. Eine Platzwunde an seiner Lippe und ein blaues Auge verzieren sein sonst so makelloses Gesicht. In mir verkrampft sich alles schlagartig zusammen bei dem Anblick und mein Atem stockt.
"D..Danny?!"

Vor Schock fällt mir alles aus der Hand und wie erstarrt stehe ich am selben Fleck, während meine Blicke geschockt auf meinen alten Kindheitsfreund gerichtet sind, mit dem ich aufgewachsen bin. Den Jungen, mit dessen alleiniger Anwesenheit schon meine größten Träume wahr werden und dem mein Herz gehört. Dieser Anblick ist wie ein Stich in mein Herz und ich weiß nicht, wie ich reagieren soll.
"Danny? Oh mein Gott! Danny..", stottere ich geschockt und eile sofort zu ihm. "..Was ist passiert?! Danny, hörst du mich?" Mit meiner zitternden Hand berühre ich seine kalte Wange, woraufhin er langsam seine Augen öffnet.
"G..Grace?", stottert er leise und richtet seine rehbraunen Augen auf mich.
"Gott sei Dank! Du bist wach. Ich.. Ich hatte solche Angst! Was ist passiert? Wer hat dir das angetan, Danny? Nein, warte! Wir brauchen zuerst einen Rettungswagen..-"
"Nein! Mir..", gibt er kraftlos von sich und kneift die Augen vor Schmerzen zusammen. "..Mir geht es gut. Ich hatte nur eine kleine Auseinandersetzung, mehr nicht. Ich brauche keinen Rettungswagen."
Er stützt sich mit seinen zitternden Händen an den Baum und versucht sich langsam aufzurichten, doch es misslingt ihm.
"Es wird dir wieder gut gehen. Keine Sorge. Ich bin bei dir, ja? Alles wird gut", stottere ich und kann mir meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Ihn in diesem Zustand zu sehen, zerstört mich. Sofort packe ich mein Handy aus meiner Hosentasche und will den Notruf wählen, als Danny plötzlich seine Hand auf mein Handy legt.
"I..Ich sagte keinen Rettungswagen, Grace. Bitte", gibt er mit seiner schwachen Stimme von sich, lehnt sich nach hinten und atmet tief ein und aus. Mit der anderen Hand drückt er auf seine Wunde an seinem Bauch, die sein weißes T-Shirt mittlerweile blutrot gefärbt hat.
"Aber du blutest, Danny..-"
"Ist nur eine kleine Schnittwunde", erwidert er und schaut mir tief in die Augen. "Ich.. Ich muss rein. Die Schlüssel", fügt er leise hinzu und richtet seine Blicke auf seine Hosentasche. "O..Okay. Ich werde dir helfen." Mit zitternden Händen greife ich in seine Hosentasche und hole die Schlüssel.
"D..Danke", stottert er leise und greift nach einem Baumzweig über ihm, um sich aufrichten zu können. Sofort stütze ich ihn und lege seinen Arm um meine Schulter. Irgendwie schaffe ich es schließlich ihn aufzurichten.
"Gut, wir schaffen das, Danny. Ich bin bei dir." Langsam und mit kleinen Schritten kommen wir Stück für Stück voran, wobei ihm jeder Schritt viel Mühe und vor allem Schmerzen kostet. Ich weiß nicht, ob ich im Moment überhaupt das Richtige tue. Er ist verletzt und muss dringend behandelt werden, doch warum auch immer ist er strikt dagegen. Es fällt mir schwer, bei seinem jetzigen Zustand vor mir, überhaupt klare Gedanken zu fassen.

"I..Ich..", höre ich ihn kraftlos sagen, doch zu einem Ende kommt er nicht, da seine Beine nun endgültig ihre Kraft verlieren und ich ihn trotz Bemühen nicht mehr halten kann. Wir landen beide auf dem harten Boden.
"Danny! Danny, sag irgendwas", stottere ich ängstlich und hebe vorsichtig seinen Kopf mit meinen Händen. Eine Träne nach der anderen findet ihren Weg über meine Wangen, während meine Augen nur noch ihn wahrnehmen. Blass, kraftlos und zerbrechlich. So habe ich ihn noch nie zuvor gesehen und mein Inneres blutet, weil ich sehe, wie sehr er leidet. Während ich mit der einen Hand ihn stütze, greife ich mit der anderen nach meinem Handy in meiner Hosentasche, um sofort Hilfe zu holen. Genau in dem Moment öffnet er langsam wieder seine Augen.
"K..Keinen Rettungswagen. Ich.. Ich vertraue dir", gibt er bemüht von sich und verliert nun endgültig sein Bewusstsein.
"Halte durch, Danny. Ich hole sofort Hilfe. Du schaffst das." Vorsichtig lege ich ihn auf den Boden und stehe auf, um Hilfe von den Nachbarn zu holen. Doch mittendrin halte ich inne. Was, wenn sie den Notruf wählen oder gar die Polizei rufen? Danny vertraut mir. Ich kann sein Vertrauen doch nicht einfach so missbrauchen? Zögernd richte ich meine Blicke auf ihn. Doch er braucht sofort Hilfe und seine Gesundheit steht auf dem Spiel. "Ich habe keine andere Wahl, Danny. Es tut mir Leid und wahrscheinlich wirst du mich dafür hassen, aber ich habe keine andere Wahl. Ich kann dich nicht verlieren." Mit schnellen Schritten gehe ich wieder zu ihm und hebe vorsichtig sein T-Shirt hoch, um mir die Wunde genauer anzusehen. Es handelt sich wirklich um eine kleine Schnittwunde, durch die er aber dennoch viel Blut verliert. Ich drücke mit einer Hand fest auf seine Wunde, um den Blutverlust zu verringern und mit dem Handy in der anderen Hand wähle ich den Notruf. Ich schildere ihnen sofort seinen Zustand und nenne ihnen die Adresse. Obwohl ihr Erscheinen danach nicht so viel Zeit in Anspruch nimmt, kommt es mir vor wie eine Ewigkeit, in der ich ihn in meinen Armen halte und mein Schluchzen die Stille erfüllt. Schließlich höre ich auch schon das Martinshorn in der Ferne, welches zunehmend immer lauter wird.
"Sie sind da! Hilfe ist da, Danny", schluchze ich und halte ihn weiterhin fest in meinen Armen, bis schließlich das blaue Licht des Rettungswagens die Dunkelheit erfüllt. Erst jetzt fällt mir auch auf, dass es mittlerweile komplett dunkel geworden ist. Ein paar Rettungssanitäter eilen uns sofort zur Hilfe und nehmen ihn mir ab, um erste Hilfe zu leisten. Alles läuft vor mir ab, doch ich sehe einfach nichts. Meine Augen sind nur auf ihn gerichtet, während mein Schluchzen die Stille erfüllt. Dies geht solange, bis ich dann ganz alleine vor seinem Zimmer im Krankenhaus warte. Außer mir befindet sich gerade niemand im Flur. Ab und zu laufen ein paar Krankenschwestern und Ärzte an mir vorbei, doch das war es dann auch. Die Ärzte sind schon eine Weile bei ihm und noch habe ich keine Nachricht von ihnen bekommen. Große Ängste plagen mich und lassen mir keine Ruhe. Ich weiß, dass er mir niemals verzeihen wird und wahrscheinlich wird er mich auch dafür hassen, doch ich habe keine andere Wahl gehabt. Solange es ihm gut, soll er mich meinetwegen auch hassen. Er ist mir so wichtig und ich kann ihn einfach nicht verlieren. Vielleicht habe ich in anderen Augen falsch reagiert, doch in dem Moment war mir alles egal. Sein Leben war alles was zählte.

StrangerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt