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"Bella war krank."

"W..Was?!", stottere ich geschockt.
"Ich habe es dir damals nie gesagt, weil wir es geheim halten wollten. Wir wollten nicht, dass sie von allen bemitleidet wird. Sie sollte eine ganz normale Kindheit haben. Trotzdem habe ich es länger nicht ausgehalten und wollte es dir irgendwann dennoch sagen, da ihr Zustand zunehmend schlechter wurde. Ich habe es aber nicht geschafft, weil ich nicht darüber sprechen konnte. Ich wollte es einfach nicht akzeptieren. Sie hatte ein sehr schwaches Herz und brauchte dringend ein Spenderherz. Sehr lange haben wir auf eins gewartet, doch du kennst sicherlich die schlechten Chancen, die man in dieser kleinen Stadt hat. Vor allem ist es schwierig ein passendes Herz für ein kleines Kind zu finden. Erst wenn du im Sterbebett liegst, bekommst du eins mit Glück. Deshalb haben wir auch lange nach einer anderen Möglichkeit gesucht, um an ein Herz und an beste Möglichkeiten für Bella zu kommen und schließlich haben wir es auch geschafft. Eine Klinik im Ausland, welche die bestmöglichen Chancen und Therapien verspricht. Sie haben alles organisiert und vorbereitet ohne mir oder Bella etwas zu sagen. An deinem Geburtstag habe ich es dann erfahren und den Rest kennst du ja schon. Ich konnte mich nicht einmal verabschieden, weil wir das Land direkt verlassen haben. Obwohl ich überhaupt keine Lust auf all das hatte, habe ich nichts gesagt, weil mir Bellas Leben wichtiger als alles andere war. Solange sie gesund und glücklich ist, bin ich das auch."
Er senkt seine Blicke nachdenklich auf den Boden und scheint sich an alles zu erinnern.
"Und was ist dann passiert? Wie geht es ihr heute?", frage ich ihn zögernd.
"Ich weiß nicht, wie es ihr gerade geht", gibt er leise von sich und ballt seine Hände zu Fäusten.
"Wie meinst du das? Sie ist doch deine Schwester", frage ich ihn verwirrt. Seufzend richtet er seine Blicke auf mich.
"Ist sie auch, doch alles hat sich verändert, Grace. Nichts ist, wie es einmal war und deshalb bin ich auch wieder hier."
"Ich verstehe nicht ganz. Was ist denn passiert?"
"Bella hat ein Spenderherz bekommen und wir waren eine Zeit lang mehr als nur glücklich. Sie konnte endlich wieder ein Kind sein. Wir haben in einer Mietwohnung in der Nähe der Klinik gewohnt, da Bella auch nach der Operation zusätzlich unter Beobachtung und Therapie bleiben musste. Die ersten paar Monate war alles okay, doch auf Dauer konnten wir uns das finanziell nicht mehr leisten, da die zusätzlichen Therapien sehr viel gekostet haben. Auch die Miete unserer Wohnung war nicht gerade billig, da sie im Zentrum der Stadt und in der Nähe der Klinik war. Mein Dad hat sich von einer Arbeit zur anderen gestürzt und ich habe schließlich auch mein Studium geschmissen, um arbeiten und ihn unterstützen zu können. Ich hatte keine Wahl und für Bella würde ich alles tun. So verging dann unser Leben in der Zeit. Dad und ich haben gearbeitet, während Katrin sich um Bella gekümmert hat."
Verwirrt schaue ich ihn an.
"Katrin? Warum nennst du deine Mom Katrin?"
"Weil sie nicht meine Mom ist. Zumindest nicht mehr.." Er senkt seine Blicke zu Boden und fährt fort. "..Nach einer Weile hat Dad's Gesundheit nicht mehr mitgemacht. Er hat starke Rücken Probleme bekommen, die ihm beruflich viele Wege blockiert haben. Katrin gefiel das gar nicht und sie haben sich in jeder freien Minute gezofft. Schließlich konnten wir uns nicht einmal mehr die Therapien leisten, die Bella so benötigt hat. In der Zeit ist mir auch nicht entgangen, dass Katrin einen neuen Mann am Start hatte, mit dem sie sich oft traf. Ich habe sie darauf angesprochen und natürlich war ich auch extrem aggressiv. Ja und genau dann hat sie gemeint, dass sie das nicht mehr mitmachen kann und uns die Wahrheit sagen will, die sie all die Jahre verschwiegen hat."
Er ballt seine Hände zu Fäusten, während die Wut in seinen Augen nicht zu übersehen ist.
"Dad ist nicht Bellas leiblicher Vater. Sie hatte eine Affäre gehabt, von dem sie dann schwanger wurde. Da sie Angst hatte, hat sie meinem Dad all die Jahre nichts gesagt und es hat auch geklappt. Wir waren mal eine Familie, die es nun nicht mehr gibt. Kaum hat mein Dad kein Geld mehr gehabt, hat sie wieder den Kontakt zu ihrer Affäre gesucht und ihm die Wahrheit gesagt. Lange Geschichte und das Ende kannst du dir dann sicherlich vorstellen. Sie haben sich scheiden lassen. Danach ist sie mit Bella zu ihrem reichen Typen gezogen und Dad hat sich gehen lassen. Er war am Boden zerstört und hat sich um nichts und niemanden mehr gekümmert. Alkohol, Drogen und Kippen, mehr zählte nicht mehr in seinem Leben. Ich habe versucht ihn zurückzuholen, doch er hat alle Wege blockiert. Er war aggressiv, hat sich und alle Leute in seiner Umgebung verletzt. Er wollte Rache an ihr und hat schließlich heraus gefunden, wo sie gewohnt haben. Den Rest kannst du dir ja denken. Ihr Neuer hat die Polizei gerufen und alles dafür getan, dass der Drogenjunkie, wie er ihn immer nannte, eingesperrt wird. Naja und jetzt sitzt er schon eine Weile in der geschlossenen Anstalt. Und ich habe keinen Grund mehr gesehen dort zu bleiben und bin zurückgekommen."
Sprachlos schaue ihn geschockt an. Ich hätte ja alles erwartet, doch so eine Geschichte definitiv nicht. Ich habe seine Familie gekannt und sie waren in meinen Augen einfach immer perfekt gewesen. Niemals hätte ich dieses Ende erwartet.
"Scheinst sprachlos zu sein", gibt Danny plötzlich von sich und ich richte meine Blicke auf ihn.
"Ein bisschen. Danny, deine Mutter..-"
"Katrin."
"Sorry, ich meine Katrin.. Du hast gesagt, dass sie gegangen ist, doch eine Sache geht mir nicht in meinen Kopf. Was ist mit dir? Du bist doch auch ihr Kind! Hat sie nicht einmal an dich gedacht, als sie euch verlassen hat? Wie konnte sie dich einfach zurücklassen? Hat sie kein Herz?"
"Wenn sie ein Herz besitzen würde, hätte sie uns von Anfang an nicht angelogen", antwortet er ruhig, lehnt sich nach hinten und verschränkt seine Arme.
"Hast du noch Kontakt zu ihr?"
"Nein, schon lange nicht mehr. Sie hat es immer versucht, doch ich wollte nicht. Nicht mit der Frau, die unser ganzes Leben zerstört hat. Ich werde ihr niemals verzeihen. Außerdem mochte mich ihr Neuer eh nicht. Dennoch bin ich ab und zu dahin gegangen, um Bella zu sehen, die das Ganze krass mitgenommen hat. Aber nach dem Vorfall mit meinem Dad sind sie von heute auf morgen weg gewesen und bis heute habe ich keine Ahnung wo sie sind. Mich würde das nicht jucken, wenn es Bella nicht geben würde", erklärt er mir ruhig und scheint in Gedanken versunken zu sein.
"Mir fehlen die Worte. Das ist so schrecklich", murmle ich leise und richte meine Blicke auf den Boden.
"Mir ist es mittlerweile egal. Mein Ziel ist es nur Bella zu finden", erwidert er ernst. Ich hebe meinen Kopf und schaue in seine Augen. Sie haben ihr Strahlen schon lange verloren und jetzt weiß ich auch wieso. Er sagt zwar, dass es ihm egal ist, doch seine Augen zeigen mir die Wahrheit. Er leidet und das zu sehen, bringt mich um. Wer weiß, wie lange er schon alleine durch all dies musste? Wie lange er schon alleine kämpft?
Jetzt wird mir auch klar, wie egoistisch ich eigentlich bin. Ich suche schon die ganze Zeit den alten Danny, ohne zu wissen, was der Junge vor mir alles alleine durchstehen musste. Wie sehr ihn all dies verändert hat und vor allem aber, dass er sein Lächeln auch verloren hat. Ich hasse mich dafür.

StrangerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt