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Erleichtert kehre ich die letzten Scherben im Raum zusammen und fülle sie mit einer kleinen Schaufel in die große Mülltüte. Diese schmeiße ich dann draußen in die Mülltonne und bringe den Haushalt auch noch kurz in Ordnung, bis ich schließlich wieder im Wohnzimmer bin. Die dunklen Gardinen schiebe ich zur Seite und öffne die Fenster, damit frische Luft mal ins Haus gelangt. Ein frischer Wind begrüßt mich dabei, welcher mir direkt durch die Haare weht. Es ist zwar ein kalter, aber dennoch angenehmer Morgen, der mit leichten Sonnenstrahlen, die durch die Wolkendecke hinduch scheinen, verschönert wird. Ich atme tief ein und aus. Spüre wie sich mein Brustkorb langsam hebt und wieder senkt. Genieße jeden Atemzug, welcher meinen Körper mit Sauerstoff versorgt.
"Mein Schädel", höre ich Danny seufzen und drehe mich um. Er liegt auf dem Sofa und hat seinen Arm über seinen Kopf gestülpt. Er hat die restliche Nacht tief schlafend verbracht und natürlich hat sich der übermäßige Konsum von Alkohol am morgen direkt bemerkbar gemacht. Übelkeit, Schwindel und Kraftlosigkeit begleiten ihn seitdem er wach ist und zudem musste er sich auch mehrmals übergeben.
"Das hast du davon, wenn du so viel trinkst..", gebe ich vorwurfsvoll von mir, laufe zum Sofa und nehme neben ihm Platz. "..Ich bin früh morgens schnell etwas einkaufen gegangen und mache dir gleich mal einen Ingwer Tee. Das bewirkt wirklich Wunder und wird dir gut tun."
Gerade als ich aufstehen will, greift er nach meiner Hand und hält mich zurück.
"Bleib", murmelt er leise, was mir ein Lächeln auf die Lippen zaubert.
"Es wird dir nicht besser gehen, wenn ich hier sitzen bleibe. Außerdem bin ich doch eh noch hier. Keine Sorge.." Mit einer Hand streiche ihm sanft über seine Wange. "..Auch wenn dir schlecht und schwindelig ist, solltest du etwas essen. Ich mache dir gleich auch ein leckeres Frühstück."
Er legt seine Hand auf meine und öffnet seine Augen.
"Nein, bleib einfach nur bei mir", meint er mit einem schwachen Lächeln, was mein Gesicht sofort wieder zum glühen bringt. Alleine wenn ich nur wieder an den Kuss denke, kribbelt schon mein ganzer Körper und mein Puls schlägt schneller. Wie soll ich dann zusätzlich noch mit solchen Worten umgehen?

Meine Unsicherheit entgeht ihm natürlich nicht. Er packt mich am Arm und zieht mich plötzlich zu sich, sodass ich mich auf seiner Brust liegend wiederfinde. Wie erstarrt kann ich keinen Muskel mehr bewegen und versinke im Bann seiner rehbraunen Augen, die mich alles wieder vergessen lassen. Er streicht mir mit einer Hand einige Strähnen hinters Ohr, während jede Bewegung seinerseits dabei so sanft und vorsichtig ist, so als ob ich in seinen Händen sonst zerbrechen könnte.
Ruhe bewahren geht bei mir natürlich nicht mehr. Vor allem nicht, wenn er mir so nahe ist und mir in die Augen blickt, die mich so schon nervös machen können. Die Röte meines Gesichts zeichnet diese Gefühle natürlich auch sichtbar wieder.
"I..Ich sollte das Frühstück lieber mal..-", stottere ich nervös, doch er unterbricht mich mit drei Worten, die meinen Körper blitzartig erstarren lassen.
"Ich liebe dich."
Es sind nur drei Worte aus seinem Mund, die bei mir jedoch alles durcheinander werfen. Eine Gänsehaut breitet sich an meinem ganzen Körper aus, während ich ihn nur sprachlos anstarren kann, da diese mir meinen Wortschatz verschlagen haben. Doch eine Sache weiß ich, denn ich spüre sie ganz deutlich in meinem Herzen.. Ich bin glücklich. Zum ersten mal nach so langer Zeit wieder wirklich glücklich. Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn und zieht mich fest in seine Arme, sodass ich geborgen mit meinem Kopf auf seiner Brust liege.
Ein Lächeln bildet sich auf meinen Lippen und gleichzeitig rollt mir auch eine Freudenträne über die Wange. Eine große Last fällt mir vom Herzen, die ich so lange mit mir getragen habe. Es fühlt sich einfach nur gut an.

In dieser Position liegen wir noch eine ganze Weile und obwohl ich es genieße, stehe ich trotzdem irgendwann auf und zwinge ihn eine Dusche zu nehmen, damit er wieder zu sich kommen kann. Am Anfang weigert er sich, doch meine Sturheit gewinnt für heute und er gibt schließlich nach. Zudem habe ich mich noch nicht an eine solche Nähe seinerseits gewöhnen können. Natürlich liebe ich sie, aber es fühlt sich dennoch ungewohnt an und ich habe Angst, dass das alles nur ein Traum ist, aus dem ich bald aufwachen werde. Mit der Zeit wird das hoffentlich auch wieder besser.
Während er duschen ist, bereite ich ihm seinen Tee und das Frühstück vor. Da der einzige Tisch im Haus der vom Wohnzimmer ist, decke ich diesen. Sowieso ist bis auf das Wohnzimmer und die Küche wirklich alles leer und düster. Manchmal frage ich mich, wie er hier leben kann. Es macht mich sogar ziemlich traurig, wenn ich es in diesem Zustand sehe, da ich weiß, wie es vorher aussah. Irgendwie ist das Haus wie er. So leer und düster, obwohl es damals munter und voller Gelächter war. Da will ich gar nicht erst wissen, wie er sich hier manchmal fühlen muss.
Nach und nach decke ich den Tisch und stelle als letztes den Tee auf seinen Platz. Da er immer noch nicht fertig ist, nehme ich auf dem Sofa Platz und warte geduldig, während ich mit der Fernbedienung von einem Sender zum nächsten wechsel, da mal wieder nichts anständiges läuft. Dies hält einige Minuten an, bis ich dann doch die Geduld verliere und schließlich an der Badtür klopfe.
"Danny? Wie lange brauchst du denn noch? ", seufze ich ungeduldig, als er die Tür öffnet und mal wieder nur in Boxershorts vor mir steht. Mein Gesicht glüht schlagartig vor Scham und ich schaue an ihm vorbei, um nicht im Erdboden zu versinken. Zudem will ich nicht, dass er meine Unsicherheit bemerkt.
"Sorry hat etwas gedauert", meint er nur und fährt sich vor dem Spiegel mit seinen Händen durch seine nassen Haare, um diese zu richten. Ich bemühe mich echt ihn nicht so anzustarren, doch meine Augen wandern wie von selbst zu ihm zurück. Er ist eine Augenweide und das war er eigentlich schon immer gewesen. Schon damals in der Schule hat er sehr viele Blicke von Mädchen abgefangen, was mir natürlich nicht entgangen ist. Zum ersten mal in meinem Leben habe ich dort mit richtiger Eifersucht zu kämpfen gehabt, aber mir nichts anmerken lassen. Wir waren Freunde. Beste Freunde, um genau zu sein. Meine Eifersucht war nicht gerechtfertigt und ich habe sie am Anfang auch nicht wirklich verstanden. Ich wusste zunächst nicht, dass das was ich fühle Liebe ist. Liebe.. Ein Begriff, welches ich seit jeher nur mit seinem Namen verbinde.

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