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Mit einem zufriedenen Lächeln schließe ich meine Haustür zu und gehe in Gedanken nochmal alle Schritte durch, die ich gemacht habe, um sicher zu gehen, dass ich auch wirklich alle Fenster, Türen und vor allem den Ofen ordentlich und sicher hinterlassen habe. Als ein paranoider Mensch hat man bei solchen Sachen immer zu grübeln.
"Grace, willst du heute noch kommen? Wenn wir jetzt nicht losfahren, dann werden wir definitiv im Morgenstau landen", ruft Alex ungeduldig und macht den Kofferraum zu, indem er meinen Koffer eben verstaut hat.
"Komme", antworte ich, werfe meinen Schlüssel wieder in die Tasche und laufe zum Auto. Meine Blicke fallen dabei auf Danny, der auf dem Beifahrersitz vorne sitzt und mich mit einer starren Miene zu beobachten scheint.
Ihn zu überreden hat mich die ganze Woche und vor allem meine ganze Kraft gekostet, da er mit seiner Sturheit nicht zu übertreffen war. Jeden Tag habe ich ihm nach der Universität oder Arbeit einen Besuch abgestattet und versucht ihn zu überreden. Ein paar mal hatte er die Nase sogar so voll von mir und hat die Tür nicht aufgemacht. Deshalb habe ich ihn auch angefangen mit Anrufen und Nachrichten zu nerven. Der lange Kampf hat sich aber letztendlich doch gelohnt, da er schließlich nachgegeben hat und nun im Auto sitzt. Ein zufriedenes Sieges Lächeln huscht mir bei dem Gedanken über die Lippen, welchen er ebenfalls bemerkt und seinen Kopf genervt in die andere Richtung dreht. Anscheinend ist er wohl immer noch sauer auf mich, doch wenn wir erstmal dort sind, wird er es vergessen.
Das hoffe ich zumindest.
Ich öffne die Tür und nehme neben Sara Platz, während Alex sich vor das Lenkrad setzt. Saras Aufmerksamkeit ist aus dem Fenster neben ihr gerichtet, doch die Zweifel und Ängste in ihrem Gesicht sind nicht zu übersehen. Hoffentlich wird das auch gut enden.
Während ich mich anschnalle, dreht Alex seinen Kopf zu uns.
"Alles gut dahinten?"
"Alles bestens", antworte ich, woraufhin ein zufriedenes Lächeln sich auf seinen Lippen bildet.
"Also nochmal.. Wir haben nun eine Fahrt von circa sechs Stunden vor uns. Da ich nicht vorher an einen Bus gedacht habe, müssen wir nun das Auto nehmen. Ich denke aber nicht, dass das allzu schlimm sein wird. Wir haben drei Leute mit einem Führerschein hier und können uns alle zwei Stunden abwechseln. Wenn wir morgens und mittags nicht in einen Stau geraten, müssten wir so gegen vierzehn oder fünfzehn Uhr dort ankommen", erklärt er mir und ich nicke nur. Da ich keinen Führerschein habe, muss ich dann wohl einfach warten. Durch die Krankheit meiner Mutter und unserer dementsprechenden finanziellen Lage habe ich nicht die Möglichkeit gehabt, mich darum zu kümmern.
Daraufhin dreht er sich nach vorne, startet den Motor und ordnet sich wieder in die Fahrbahn ein. So beginnt dann schließlich die lange Fahrt, in der mal laute Musik, lustige Geschichten von Alex und dann wieder Musik die Stille erfüllt.
Danny scheint an alledem nicht wirklich interessiert zu sein und schaut aus dem Fenster. Da er direkt vor mir sitzt, habe ich ihn immer im Augenwinkel und kann ihn jedesmal beobachten, wenn er von dem Seitenfenster nach draußen schaut. Nicht nur er, sondern auch Sara ist heute nicht wirklich gesprächig, was ich bei ihr natürlich nachvollziehen kann. Da Alex jedoch nichts von der Situation weiß, scheint er ihre Art komisch zu finden und wirft ab und zu verwirrte Blicke vom Spiegel zu.
Auf diese Weise vergehen die nächsten Minuten und irgendwann falle ich durch die Musik schließlich in einen tiefen Schlaf.

Durch das laute Zuknallen einer Autotür werde ich wach und schrecke hoch. Mit großen Augen schaue ich mich um und bemerke, dass niemand anderes außer mir noch im Auto ist.
"Wo sind denn alle hin?", murmle ich leise und schaue aus dem Fenster. Das Auto steht vor einer Raststätte und deshalb denke ich mal, dass die anderen eine Pause einlegen wollten. Sofort ziehe ich mir meine Jacke an, nehme meine Tasche und steige aus dem Wagen. Ein kalter Wind begrüßt mich draußen und der Schnee unter meinen Füßen umhüllt mit seiner Schönheit auch die Felder, die neben der Raststätte zu finden sind. Den Ausblick kann ich jedoch nicht länger genießen, da die Kälte wirklich unglaublich stark ist. So begebe ich mich erstmal auf die Suche nach einem WC, welchen ich dann auch gleich finde. Dort wasche ich mir am Waschbecken das Gesicht, um richtig wach zu werden, befreie meine Haare dann von meinem Dutt und bürste sie ordentlich durch.
Anschließend gehe ich dann auch ins Café, indem ich dann sehr schnell die anderen auch finde. Sie sitzen in der letzten Reihe an einem freien Tisch und scheinen ihre Pause mit einem Kaffee zu genießen. Ich bestelle mir ebenfalls einen, geselle mich dann zu den dreien an den Tisch und nehme neben Sara Platz.
"Gut geschlafen? Wir wollten dich nicht wecken", gibt Alex mit einem Grinsen auf seinen Lippen von sich.
"Gemütlich kann ich es nicht gerade nennen, aber akzeptabel war es dennoch", antworte ich und gebe zwei kleine Päckchen Zucker in meinen Kaffee.
"Wenigstens hast du geschlafen, Grace. Sobald wir losfahren, werde ich es auch mal tun, da Danny meine Schicht nun übernimmt. Ach, ich freue mich schon."
"Hättest du vorher mal daran gedacht, wie wir dort ankommen wollen, dann hättest du nun auch nicht dieses Problem gehabt, Alex", erwidert Sara vorwurfsvoll und nimmt einen Schluck von ihrem Becher.
"So schlimm ist es jetzt auch nicht. Wir werden das schon überleben. Es ist definitiv besser, als in einem vollen Bus zu sitzen und den Schweiß von dreißig Menschen zu ertragen. Da bevorzuge ich doch lieber die Fahrt. Außerdem können wir so auch viel mehr Zeit miteinander verbringen. Ist doch super, nicht wahr?"
"Was du nicht sagst. So kann ich mir deine unnötigen und ausgedachten Geschichten im Auto noch weitere vier Stunden anhören. Oh, wie ich mich doch darauf freue", seufzt Sara in einem ironischen Ton, woraufhin Alex vor Schock sich verschluckt und laut zu husten beginnt.
Sofort hole ich ihm ein Glas Wasser, welches er mit einem Zug austrinkt.
"Danke, Grace. Bist ein Engel.." Seine Augen wandern von mir auf Sara. "..Und du bist der Satan höchstpersönlich! Meine Geschichten sind gar nicht ausgedacht. Ich habe alle am eigenen Leibe erlebt, also sag lieber nichts", fügt er mit einem stolzen Blick hinzu, doch Sara verschränkt unbeeindruckt ihre Arme vor der Brust. Ich kann mir ein kleines Kichern nicht unterdrücken, während die beiden weiter diskutieren. Sie lassen sich jedoch nicht stören und scheinen die Welt um ihnen nicht mehr wahrzunehmen. Zufriedenheit umhüllt mich und ich genieße meinen Kaffee. Meine Blicke bleiben an Danny hängen, der vor mir sitzt und in Gedanken versunken aus dem Fenster schaut. In seinen Augen erkenne ich dabei einen Hauch von Trauer, aber gleichzeitig auch irgendwie Wut.
Dies ändert sich jedoch als er meine Blicke auf ihm bemerkt. Er richtet seine rehbraunen Augen auf mich.
"Was?"
"N..Nichts", stottere ich und streiche mir verlegen ein paar Strähnen hinters Ohr. Meine Antwort löst bei ihm aber keine Begeisterung aus.
"Meinst du?", fragt er mich und durchbohrt mich mit seiner eiskalten Miene. Er ist wirklich sauer auf mich, weil ich ihn wortwörtlich dazu gezwungen habe.
"Meine ich." Dabei starre ich ihm in die Augen und auch er bleibt weiterhin seiner eiskalten Miene gerecht.
"Schön." Er dreht seinen Kopf wieder zum Fenster und versucht mich zu ignorieren.
"Finde ich auch", gebe ich grinsend von mir und verschränke meine Arme vor der Brust. Ich weiß nicht warum, aber es macht mir irgendwie Spaß ihn zu nerven. Das ist doch total krank.
"Alles okay zwischen euch?", fragt Alex und erst jetzt bemerke ich, dass die Aufmerksamkeit von den beiden auf uns gerichtet sind.
"Alles bestens", geben Danny und ich plötzlich synchron von uns. Mit großen Augen starre ich ihn geschockt an und auch er wirkt leicht erstaunt. Nun kann ich mir mein Lachen auch nicht mehr verkneifen und stecke damit schließlich auch Alex und Sara an, während Danny sich ebenfalls ein kleines Schmunzeln nicht unterdrücken kann.

StrangerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt