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"Danny?..", murmle ich geschockt und stehe wie angewurzelt immer noch am selben Fleck. Bin nicht in der Lage irgendwas zu tun, denn dieses Bild vor mir hätte ich niemals erwartet. Alkohol ist eines der Dinge, die er schon immer abgrundtief verabscheut hat. Vor allem, nachdem sein Vater zum Alkoholiker wurde und sich und alle in seiner Umgebung verletzt hat.
"..Was machst du hier? Was sollen all diese Flaschen? Willst du dich umbringen?", füge ich schockiert hinzu und sehe mich um. In jeder Ecke des Zimmers liegen kleine Scherben von den kaputten Flaschen. Er jedoch reagiert nicht auf meine Worte und mein Dasein. Wie die ganze Zeit auch starrt er nur in die Leere und ihn so zu sehen, bringt mich wirklich um. Als ich dann zusätzlich noch das Foto von ihm und seiner Schwester auf dem Boden neben ihm liegen sehe, bildet sich ein Kloß in meinem Hals. Es wurde in zwei Teile zerrissen, sodass sie selbst auf dem Foto voneinander getrennt wurden. Der Schmerz, den man hat, wenn geliebte Menschen leiden, ist wirklich mit nichts vergleichbar. Es raubt mir den Atem ihn in diesem Zustand zu sehen und wenn ich könnte, würde ich ihm sein Leid abnehmen.
Mit langsamen Schritten laufe ich auf ihn zu und versuche dabei die großen Scherben auf dem Boden zu meiden. Je näher ich ihm komme, desto stärker wird der Geruch von Alkohol.
"Wir haben uns alle solche Sorgen um dich gemacht und überall nach dir gesucht. Du kannst dir nicht vorstellen, wie glücklich ich gerade bin, dass ich dich gefunden habe", gebe ich zögernd von mir, als ich endlich neben ihm stehe. Er reagiert jedoch nicht, so als ob er mich weder hören, noch sehen könnte. Seine rehbraunen Augen sind immer noch einfach nach vorne gerichtet.
Noch nie zuvor habe ich ihn in diesem Zustand vor mir gesehen. So am Boden und am Ende mit allem. Von Lebensfreude fehlt jede Spur in seinen schönen Augen, doch ich gebe nicht auf. Ich lasse ihn nicht gehen. Nicht solange ich am leben bin.
"Ich bin hier, Danny. Hier bei dir. Ich werde dich niemals alleine lassen..", meine ich vorsichtig und nehme neben ihm auf dem Boden Platz.
"..Damals als ich meine Lebensfreude und Hoffnung verloren hatte, warst du derjenige, der mich zum Leben zurückgeholt hat. Kannst du dich noch daran erinnern? Obwohl ich dich immer wieder abgewiesen habe und ziemlich gemein war, hast du dennoch nicht aufgegeben. Jeden Tag standest du vor meiner Tür und hast dich vor nichts und niemandem gefürchtet. Du warst ein richtiger Sturkopf und das schon immer."
Ein kleines Lächeln bildet sich bei meinem letzten Satz auf meinen Lippen, doch sein Zustand bleibt weiterhin unverändert.
"Und das ist auch gut so, denn wenn ich heute hier bin, dann nur dank dir. Du hast mir gezeigt, dass das Leben immer schöne Seiten hat, auch wenn man sie in schlechten Situationen nicht mehr wahrnehmen kann. Das stimmt auch. Als es meiner Mutter am schlimmsten ging und ich keine Freude mehr in mir trug, bist du wieder aufgetaucht und hast mir so viel Kraft geschenkt. Deshalb werde ich dich niemals alleine lassen. Ich weiß, dass was du durchmachen musstest, ist nicht einfach, doch bitte lass dich nicht gehen."
Hoffnungsvoll beobachte ich ihn und warte auf ein Zeichen. Eine kleine Veränderung seiner Mimik würde mir schon die Welt bedeuten, doch das kommt nicht zustande. Ohne ein Wort hebt er die Flasche in seinen Händen und leert sie mit einigen Zügen. Danach wirft er auch diese gegen die Wand vor uns und greift nach einer weiteren Flasche, als ich meine Hand ebenfalls auf diese lege.

"Es reicht! Willst du dich noch umbringen?!", gebe ich wütend von mir, doch er reißt sie mir aus den Händen, öffnet sie und trinkt daraus.
Der Kloß in meinem Hals wird immer größer und innerlich bringt mich dieser Anblick um.
"Du fühlst dich schrecklich. Das verstehe ich, doch Alkohol wird dich auch nicht weiterbringen. So wirst du deine Probleme nicht lösen können. Du schadest nur deiner Gesundheit."
Auch diesmal bringen meine Worte nichts. Ich erreiche ihn einfach nicht. Verzweifelt senke ich meinen Kopf. Meine Blicke bleiben an dem Foto hängen, welches genau in der Mitte zerissen wurde. Vorsichtig hebe ich beide Stücke und halte sie aneinander.
"Mach das nicht. Es ist noch lange nicht das Ende. Du wirst sie sehen können. Das weiß ich." Ich widme meine Aufmerksamkeit wieder ihm. Er scheint mich nicht einmal zu hören. Erneut hebt er nur die Flasche und will wieder trinken, doch diesmal greife ich ein und halte die Flasche fest. Dabei stehe ich direkt vor ihm auf den Knien und blicke ihm wütend in die Augen.
"Hör auf! Du wirst dich noch umbringen. Siehst du das nicht?! Schau dich doch mal um! All diese Flaschen hast du alleine getrunken. Du riechst total nach Alkohol. Das hier.."
Ohne meine Augen von ihm zu nehmen, deute ich auf die vielen Flaschen auf dem Boden.
"..Wird dich auch nicht zu Bella führen. Du wirst sie nicht finden können, wenn du dich hier einsperrst und dem Alkohol verfällst. So wirst du niemals etwas erreichen, also wach auf! Du hasst deinen Vater, weil er genau diesem Gift verfallen ist und wolltest nie werden wie er. Doch nun sitzt du selber hier und trinkst..-"
"Ich bin nicht wie mein Vater!..", zischt er plötzlich Wut erfüllt und wirft die Flasche neben mir auf den Boden, welche gleich in viele Scherben zersplittert. "..Ich bin nicht wie er! Ihm war es scheiß egal, was mit mir passiert und wie ich mich gefühlt habe. Ihm war alles egal. Er hat tagtäglich getrunken und ich habe gelitten. Tag und Nacht.. Es nahm einfach kein Ende. Niemals werde ich so sein wie er. Lieber sterbe ich, also wage es nicht, ihn mit mir gleichzusetzen!"
"Deinen Hass verstehe ich, aber schau dich doch mal an. Was machst du gerade, Danny?! Siehst du deinen Zustand nicht?", frage ich ihn wütend, doch er greift einfach wieder nach einer neuen Flasche und öffnet sie.
"Lass mich in Ruhe", gibt er nur leise von sich und beginnt wieder mit dem Trinken, doch ich schüttle nur den Kopf. Es ist hoffnungslos.
"Du tust genau dasselbe..", murmle ich leise, senke meine glasigen Augen auf meine zu Fäusten geballten Hände. "..Die Leute, die sich um dich sorgen, deine Gesundheit.. Dir ist einfach alles scheiß egal und das siehst du nicht einmal. Du denkst nur an dich."
Kaum habe ich meinen Satz beendet, packt er mich Wut erfüllt an meinem Pullover und zerrt mich zu ihm, sodass ich gezwungen bin ihm in die Augen zu sehen.

StrangerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt