"Debbie! Ich brauche dich!", wieherte Jess mit lauter Stimme, als sie eilig die Tür zu ihrem Elternhaus aufriss. Im Zimmer ihrer Schwester ertönte ein kurzes Rumpeln, dann stand die hübsche Fuchsstute auch schon am Treppenabgang.
"Was? Was ist passiert?", fragte sie bestürzt. Sie musste wohl gedacht haben, dass irgendetwas passiert war. Und das stimmte ja auch! Jess war noch immer so aus dem Häuschen, dass sie die Treppe hinauf zu ihrer Schwester stürmte und sie erst einmal kreischend umarmte.
"Debbie, heute ist ein ganz besonderer Tag. Ich brauche ein Outfit und eine ganz tolle Frisur, denn heute Abend..."
"Jess? Ich war gerade eigentlich auf dem Sprung...", bremste ihre Schwester sie vorsichtig ein wenig aus.
Jess Herz sank ein Stück, als sie in die traurigen, grünen Augen ihrer Schwester blickte und mit einem Mal verstand sie, was gerade im Gange war. Es war mal wieder wegen ihrem Freund, für den sie hier alles Land unter gehen ließ. Debbie war mittlerweile doch völlig egal, was hier zu Hause los war. Ständig hing sie nur mit ihrem geliebten JJ zusammen und kam nur noch zum Essen und manchmal auch zum Schlafen nach Hause. Die meisten Nächte verbrachte sie mittlerweile ja auch mit dem feuerroten Hengst zusammen.
Aber warum musste sie Jess ausgerechnet heute für ihren Freund versetzen? Von allen Tagen, warum heute?
"Es tut mir wirklich leid, Jess."
"Nein, schon gut", zischte die braune Stute säuerlich. Klar, ihre Schwester wusste überhaupt nicht, was los war, aber trotzdem war es nicht das erste Mal, dass ihre Schwester Jess wegen diesem Kerl einfach ging, wenn sie sie am meisten brauchte. Jess schlug mit vor Enttäuschung gesenktem Kopf die Tür hinter sich zu, als sie an ihrer Schwester vorbei in ihr Zimmer ging. Debbies Klopfen ignorierte sie.
"Hey, was ist denn los?", fragte diese dann allerdings äußerst besorgt, als sie auch ohne Jess 'herein' die Tür öffnete und trotzdem eintrat. Jess, die ihre Nase bereits in ihren Kleiderschrank gesteckt hatte, warf ihr voller Verbitterung ein Schnauben über die Schultern zu.
"Clyve hat mich ins Rossville Diner eingeladen und ich kann unmöglich so aufkreuzen, wie normalerweise, wenn ich mich nicht blamieren will!"
Debbie machte große Augen, als die Worte ihrer Schwester zu ihr durchdrangen. "Wie? Was zum - Ich meine..."
"Ja!", wieherte Jess verzweifelt. "Verstehst du jetzt?"
"Oh verdammt, Jess. Das tut mir so leid. JJ hat mich heute ins Kino eingeladen und ich muss jetzt los, sonst verpassen wir den Film. Ich würde dir wirklich gerne helfen, aber-"
"Aber, der läuft doch noch eine ganze Weile! Bitte, Debbie! Ich brauche wirklich deine Hilfe!", flehte Jess mittlerweile so verzweifelt, dass ihre Schwester tief aufseufzte und flink an ihren Kleiderschrank ging. Sie zog ein flottes, schwarzes Sommerkleid heraus, das Jess normalerweise immer trug, wenn sie im Urlaub war. Es war zwar ganz hübsch, aber eigentlich nichts für ein schickes Essen in einem VIP Restaurant.
"Wenn du eine silberne Halskette, einen grauen oder beigen Schal, einen Gürtel um die Taille und ein paar glitzernde Hufkettchen dazu anziehst, die Haare etwas glättest und dir eine hübsche, funkelnde Spange seitlich in die Mähne steckst, sollte das auf jeden Fall ein Hingucker werden."
Damit wendete sich Debbie zum Gehen und ließ eine etwas ratlose Jess zurück, die nicht wirklich wusste, was sie mit sich anfangen sollte.
"Das wirst du ja wohl noch alleine hinbekommen, oder?", schnaubte die Fuchsstute, mittlerweile leicht genervt von der beinahe lächerlichen Aufregung ihrer Schwester. "Manchmal benimmst du dich echt total kindisch."
"Kindisch?", hauchte Jess entsetzt mit dem Schweif schlagend. "Du nennst mich kindisch?! Wer von uns beiden sammelt denn seit Jahren Schlumpf-Sticker und klebt sie an seine Zimmertür, um davor so dämliche Polaroid-Fotos von sich selbst zu machen?!"
Debbie rollte mit den Augen, drehte sich um und knallte hinter sich die Tür zu Jess Zimmer zu. In einem Anflug von Wut, trat Jess gegen ihr Bett. Das Holz der Bettkante splitterte und riss ihr das Vorderbein auf.
Mit einem schmerzvollen Aufschrei sank Jess zu Boden. Blut lief an ihrem Huf herab. Jess musste die Zähne ordentlich zusammenbeißen, als sie den Splitter heraus zog, der in einer blutigen Wunde steckte, die sie sich komplett selbst zuzuschreiben hatte.
Sie hätte nicht so gemein zu ihrer Schwester sein sollen. Schließlich hatte sie ein eigenes Leben und es stand ihr frei, sich mit ihrem Freund zu treffen. Schließlich hatte Jess das ja auch vor. Eine Welle des schlechten Gewissens überkam sie mit einem Mal und Jess nahm sich vor, sich bei Debbie zu entschuldigen, sobald sie wieder die Gelegenheit dazu bekam.
Aber jetzt war erst einmal wichtig, dass sie ihre Wunde versorgte und sich umzog. Schließlich traf sie sich schon in wenigen Stunden mit Clyve und musste bis dahin tiptop in Form sein.
Jess Eltern machten große Augen, als gegen Abend ein wahnsinnig gutaussehender Hengst im Anzug vor der Tür ihres Hauses und ein verdammt teures Auto in ihrer Auffahrt stand. Sie hielten ihn beinahe zuerst für einen Vertreter, der ihnen Küchengeräte verkaufen wollte, doch als er nach Jess fragte, machten sie große Augen.
"Jess, Schatz! Wann hattest du denn vor, uns den jungen Herren mal näher vorzustellen?", rief Don McLaren erstaunt, als er Clyve von oben bis unten musterte. Doch Jess warf ihm nur einen verspielt genervten Blick über die Schulter zu und seufzte augenrollend.
"Dad, wir gehen dann mal!", schnaubte sie, knuffte Clyve in die Seite und stolzierte dann an ihm vorbei auf den schicken Sportwagen zu. 'Was für ein Angeber, mit so einem Auto aufzukreuzen', dachte sie scherzend, als sie sich nach ihrem Freund umdrehte, der noch immer auf der Türschwelle stand.
"Hat mich sehr gefreut, ihre Bekanntschaft zu machen!", schnaubte er ehrfürchtig. Dann warf er Don McLaren ein zuversichtliches Lächeln zu.
"Pass schön auf sie auf, hast du verstanden? Keine Überschreitung des Tempolimits. Und keine weiteren Annäherungsversuche!"
"Dad! Ich bin 25 Jahre alt. Ich weiß, was ich tue", wieherte Jess Clyve über die Schulter zu. Ihr Vater schnaubte Clyve mit strengem Blick an, bevor er den goldenen Hengst mit einem lässigen Kopfnicken in Jess Richtung entließ.
"Ich werde gut auf sie aufpassen", versprach er lächelnd, dann trottete er elegant zu Jess herunter, um sie sanft zu küssen und ihr dann die Tür zum Wagen aufzuhalten.
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A3360 - Lehren der Vergangenheit
Teen FictionACHTUNG: Diese Geschichte ist verfasst als eine Art Fabel, in der alle Hauptcharaktere als Pferde dargestellt sind.Ihr Verhalten ist jedoch soweit vermenschlicht, dass die Story jederzeit auf Menschen umgeschrieben werden kann. Es handelt sich hier...