Bereits Wochen, bevor die Abschlussexamina ihres Studiengangs anstanden, hatte Jess mit dem Lernen begonnen. Die Note ihres Bachelor-Abschlusses würde für sie mit großer Sicherheit Vorteile für ihre weitere Berufslaufbahn bringen. Danach würde sie noch ihren Master angehen und sich auf Chirurgie spezialisieren - so war jedenfalls der Plan.
Wie sich Clyve auf seine Prüfungen vorbereitete, war ihr noch immer ein Rätsel, aber bei seiner Arbeitsmoral würde er ihr mit großer Sicherheit für ihren Kampf um den Rang der Stufenbesten nicht in die Quere kommen. Ganz im Gegenteil - Clyve schien es regelrecht zu genießen, sie von der Arbeit abzuhalten.
Jess hätte das ja als gut und schön hingenommen. Jedoch klammerte der goldene Hengst manchmal so sehr, dass sie sich in ihrer Freiheit beraubt fühlte. Nur, weil sie jetzt ein Paar waren, musste das doch nicht bedeuten, dass sie Tag und Nacht aneinander hingen, wie zwei Klammeräffchen.
Und auch die Professoren waren nicht sonderlich begeistert von der Beziehung der beiden Studenten. Professor Donovan hatte jedenfalls keinen Hehl daraus gemacht, wie enttäuscht er von der Versäumnis ihrer Hausarbeit gewesen war. Aber das war Jess egal. Für diese schöne Nacht mit Clyve hatte es sich gelohnt. Nachdem die Nacht hereingebrochen war, hatten sie sich auf zu Clyves Studentenwohnung gemacht und zusammen einen Film angesehen, während dem Jess in seinen Armen eingeschlafen war. Seitdem war er ihr nicht mehr von der Seite gewichen. Manchmal fragte sich Jess, ob er denn überhaupt keine Freunde hatte.
"Die habe ich", erwiderte Clyve jedoch daraufhin, desinteressiert in seinem Mittagessen stochernd. Dann grinste er. „Hab nur gerade wichtigeres zu tun."
„Und das wäre?"
„Dafür sorgen, dass eine gewisse Stute endlich mal nicht den Psychologie-Kurs schwänzt, um auf Neurologie zu büffeln", lachte er. „Du wirst den Professor mögen. Er hat mir schon in der Vergangenheit bei einigen Themen geholfen. Wir sind sowas wie Kumpels."
„Kumpels? Ist das nicht dieser komische Kauz, der immer anfängt, in den Hörsälen zu rauchen?", hakte Jess nach, die noch immer angewidert auf der fürchterlichen Gemüselasagne der Uni Mensa herum kaute.
Clyve konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen, als er Jess skeptischen Blick bemerkte. Dann nickte er.
„Ja, also...Er ist ein wenig – ungewöhnlich", schnaubte er verteidigend.
„Na das ist doch wirklich ausgesprochen höflich formuliert!"
Clyve senkte den Kopf ein Stück, um seine Geheimwaffe loszulassen. Er formte seinen Hundeblick, sodass seine Augen regelrecht zu flehen schienen , dass sie ihn begleitete.
„Clyve, ich kann nicht. Ich habe wirklich noch viel zu tun", versuchte sie sich zu entschuldigen. "Ich weiß nicht, wie ich das sonst alles in meinen Plan rein kriegen soll. Und für meinen Abschluss brauche ich auch nicht unbedingt meinen Psychologiekurs."
„Den du nie besucht hast", murmelte Clyve bitter.
„Weil das Thema eigentlich nicht zu meinem Studium gehört, Clyve!", langsam wurde es Jess zu bunt. Was bildete dieser Kerl sich eigentlich ein? Ohne ein weiteres Wort, nahm sie ihr Tablett, stellte es an der Sammelstelle für Geschirr ab und zog von dannen, doch Clyve folgte ihr.
„Hey, Jess! Es tut mir leid. Ich möchte dich nicht manipulieren. Wirklich nicht. Es ist nur..."
„Was?", zischte sie wütend. Warum wollte er sie unbedingt dabei haben? Was nutzte es ihm? Sie würden sich danach doch ohnehin wiedersehen. Und dann hatte er mehr von ihr, als in einer Lesung neben ihr zu sitzen und die ganze Zeit Blödsinn zu machen, dabei womöglich noch den Professor zu verärgern und sich am Ende noch eine Backpfeife abzuholen. Nein, darauf hatte sie keine Lust.
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A3360 - Lehren der Vergangenheit
أدب المراهقينACHTUNG: Diese Geschichte ist verfasst als eine Art Fabel, in der alle Hauptcharaktere als Pferde dargestellt sind.Ihr Verhalten ist jedoch soweit vermenschlicht, dass die Story jederzeit auf Menschen umgeschrieben werden kann. Es handelt sich hier...