Kapitel 24 - Beziehungskrisen

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"Clyve! Jetzt warte doch mal!", wieherte Jess dem vollkommen aufgebrachten Palomino hinterher, der, ohne zurück zu blicken aus dem Krankenhaus und in das nächste Taxi stürzte. Jess galoppierte, so schnell sie konnte, doch sie erreichte den Wagen nicht rechtzeitig, bevor er ihr vor der Nase davon fuhr.

"Ist ja nicht zu fassen!", zischte sie mit wütend angelegten Ohren einen Stein von sich kickend. Dann ertönte das laute Hupen eines Taxis neben ihr, das angehalten hatte und nun die Scheibe herunter ließ. Jess traute ihren Augen nicht, als sie Amor erblickte, der sie schelmisch angrinste.

"Amor?", keuchte Jess, der vor Verwunderung fast die Worte fehlten?", "Was machst du denn hier?"

"Ach, ich bin nur unterwegs im Auftrag der Liebe. Und du siehst aus als könntest du meine Dienste wirklich gut gebrauchen. Wir haben wohl wirklich etwas Pech in l'amore, was?", lachte er durch die heruntergelassene Scheibe seines Wagens.

"Das ist sehr milde ausgedrückt", schnaubte sie, erleichtert, das freundliche Pony mit dem lustigen Akzent wieder zu sehen, das ihr schon einmal aus der Patsche geholfen hatte. "Aber dieses Mal habe nicht ich den Mist gebaut."

"Und du willst ihm trotzdem nach?"

Jess nickte hastig, woraufhin Amor den Motor anwarf, eine Kassette von ACDC in den Kassettenspieler seines Autos einlegte und sich dann eine Sonnenbrille aufsetzte, um so zu wirken, wie einer dieser supercoolen Cops aus den etlichen Hollywood Produktionen. Jess fühlte sich beinahe wie im falschen Film.

"Na dann, hüpf rein und schnall dich an!", wieherte das dunkelbraune Pony abenteuerlustig. Das ließ Jess sich nich zweimal sagen. Mit dem Klang von Highway to Hell in den Ohren rasten sie in Amors Taxi Clyve hinterher.

Ihr Fahrer wirkte auf Jess beinahe wie Michael Knight, dem Agenten aus Knight Rider, einer Serie der 80er Jahre. Zumindest einer etwas sehr viel kleineren und knuddeligeren Version von Michael Knight und auch sein Auto war nicht im Geringsten mit K.I.T.T. zu vergleichen, aber Amor gab sich große Mühe, den Schein zu erhalten. 

Jess musste sich gut festhalten, um nicht wild in dem Taxi umher geschleudert zu werden, denn Amor trat mächtig auf die Tube. Inständig betete sie, dass er nun wegen ihr nicht seinen Job verlor, weil er etliche rote Ampeln überfuhr und mit quietschenden Reifen um die Kurven schlitterte. Der Kerl hatte irgendwo sicher eine Schraube locker, auch, wenn er das Herz am rechten Fleck zu haben schien.

Schließlich erreichten sie Clyves Anwesen, vor dem gerade das verfolgte Taxi davon fuhr und Amor ließ sie aussteigen. Als Jess bemerkte, dass sie gar kein Geld dabei hatte, winkte das braune Pony jedoch nur dankend ab.

"Ist schon in Ordnung. Hat mir Spaß gemacht", schnaubte er fröhlich zwinkernd. "Ich tu einfach so, als wäre es das Trinkgeld von neulich gewesen."

Amor wollte gerade weiter fahren, als Jess ihn noch einmal zurück hielt. "Hey, Amor! Sag mal - wie heißt du eigentlich wirklich?"

Das braune Pony legte ein peinliches Grinsen auf, beinahe, als ob Jess ihn bei etwas ertappt hatte, von dem er gehofft hatte, dass es nie jemand heraus fand.

"Harjit", antwortete er knapp. "Das kann aber niemand aussprechen. Deshalb Amor."

Jess schenkte dem braunen Pony hinter dem Steuerrad ein freundliches Lächeln. "Vielen Dank, Harjit. Du hast mir den Tag gerettet!"

Damit ließ sie das Taxi weiter fahren und blickte sich dann um, um Ausschau nach Clyve zu halten. Als sie ihn nicht entdeckte, klingelte sie an seiner Haustür, wo jedoch niemand öffnete. Aber sie hatte doch das Taxi weg fahren sehen. Er musste zu Hause sein. Ungeduldig klingelte Jess ein weiteres Mal, bevor sie sich dazu entschloss, um das Haus herum zu gehen, um durch die verglasten Terrassentüren ins Innere blicken zu können.

Doch so weit kam es gar nicht. Jess erblickte Clyve schluchzend auf seiner Terrasse stehend und rauchend. Das hatte er noch nie getan, so lange sie sich schon kannten.

"Du hast sein Angebot also angenommen, Jess?", fragte er, als er die braune Stute zögernd an seiner Hauswand verharrend erblickte. Sie nickte betreten. Sie brauchte das Geld und dieser Job war besser als alles andere, was sie jemals hätte bekommen können. Es war ihre Chance auf ein Leben, wie sie es sich immer gewünscht hatte. Eine Karriere. Konnte Clyve das nicht verstehen?

"Du verstehst es nicht, oder?", schnaubte er traurig. "Warum ich dich von alldem fern halten wollte?"

Jess schüttelte schweigend den Kopf, als der Hengst ihr den Rücken zukehrte, um seine verrauchte Zigarette in hohem Bogen in seinen Garten zu schleudern. Dann ließ er erschöpft den Kopf hängen. Er zuckte kurz, als ob er etwas anderes sagen wollte, doch dann kam nur ein stumpfes: "Weil ich dich liebe, Jess. So sehr, dass es weh tut, wenn ich dich nur mit einem anderen Hengst reden sehe."

"Was hat das eine denn jetzt mit dem Anderen zu tun?", schnaubte Jess, beinahe wütend. Er mochte sie lieben, wie er wollte. Das erklärte jedoch nicht sein schamloses Verhalten im Krankenhaus Joe und ihrer Schwester gegenüber und seine beinahe Herrschsüchtige Aufforderung, ihn nach Hause zu begleiten.

"Alles", schnaubte Clyve. "Du verstehst nicht."

"Oh, ich verstehe sehr wohl!", wieherte Jess zornig. "Du denkst, dass mein Leben sich nur noch um dich dreht und hoffst dabei, dass ich nichts von deinen zwielichtigen Geschäften mitbekomme, die du hinter meinem Rücken abziehst. Aber ich bin nicht so dumm, wie du vielleicht denkst, Clyve. Es ist mir nur egal, weil du mir wichtig bist. Aber so, wie du dich im Moment benimmst, weiß ich nicht, wie lange das noch so bleiben wird."

Clyves Augen weiteten sich, während sie sprach. Dabei sah er beinahe aus, wie ein Hundewelpe, dem man einen Tritt in den Hintern verpasst hatte. So voller Schmerz und innerem Leid, das er nicht nach außen zeigen wollte. 

"Weißt du", griff Jess ihr Wort nachdenklich wieder auf, "wenn du mit mir darüber reden würdest, was dich so quält-"

"Das wäre dir Recht, nicht wahr?!", brüllte der Hengst sie so plötzlich an, dass Jess einen entsetzten Satz zurück machte. "Ich brauche dein Mitleid nicht! Ich brauche keine scheiß Medikamente oder Behandlungen, wie mein Vater immer sagt. Ich brauche nur dich und ich spüre, dass du mir entgleitest. Und ich bemühe mich so sehr, aber du - du... Du hast einen Fehler gemacht, Jess. Du wirst mich nach deiner Zeit im Labor nicht mehr mit denselben Augen sehen."

Jess hatte ihn noch nie so aufgebracht erlebt und das machte ihr Angst. 

"Hör zu, Jess. Ich gebe dir das Geld von meinem Preis. Ich sorge dafür, dass du dein Studium beenden kannst aber bitte - BITTE - kündige den Job."

Er klang mittlerweile so verzweifelt, dass Jess sich zu fragen begann, wovor er solche Angst hatte. Sie musste zugeben, dass sie mittlerweile noch unsicherer geworden war, was das Angebot von Clyves Vater anging. Aber sie wollte kein Geld von Clyve annehmen, wenn sie nicht dafür gearbeitet hatte. Und das bedeutete, dass sie ihm nicht das geben konnte, was er wollte. 

"Nein, das werde ich nicht tun", schnaubte sie deshalb nur trocken. "Und ich glaube nicht, dass es irgendetwas an dem ändern wird, wie ich dich sehe."

Sie beobachtete, wie die Hoffnung in Clyves Augen schwand und er tief seufzte, als er sich ein geschlagenes Lächeln abrang.

"Du bist so stur", schnaubte er matt.

"Nicht weniger als du auch", entgegnete Jess, beinahe schelmisch. "Aber ich bin cleverer als du."

"Das glaubst auch nur du", der goldene Hengst näherte sich ihr vorsichtig, mit einem zarten Lächeln, um ihr sanft über die Wange zu streichen und an ihrem Schopf zu knabbern, dann küsste er sie. Immerhin war er nicht mehr wütend. Jess hätte sich schreckliche Schuldgefühle eingeredet, wenn sie sich mit ihm wegen solch einer Kleinigkeit verkracht hätte. 

Clyve küsste sie sanft auf den Hals, bevor er ihr eine Blüte aus der Mähne zog, die ihre Frisur zusammen gehalten hatte. Jess lockige Mähne fiel ihr über Stirn und Schultern, als sie den Rest ihrer Frisur aufschüttelte. 

Ganz vorsichtig fuhr ihr Clyve mit den Nüstern durch das Haar, bevor er in ihre Augen blickte und sie wieder mit seinem typischen, wunderschönen Lächeln um seinen Huf wickelte. Und Jess wusste ganz genau, was er damit meinte, als er in ihr Ohr flüsterte:

"Du willst nicht zufällig auf einen Kaffe mit rein kommen, oder?"

A3360 - Lehren der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt