Sechsunddreißig

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"Dima, ich hab keine Ahnung, was wir tun sollten. Ich meine, immerhin hat er es ja verdient... aber du weißt schon, Moral undso ...", flüstere ich und schaue ihm unsicher in die Augen.
Wir haben uns einige Meter von Miguel entfernt, um diese ernst zu nehmende Frage noch einmal genauer zu besprechen.
Immerhin musste ja alles geplant werden...

"Ich bin selbst unsicher." Das kann ich ihm ansehen. Seine Hand zitterte leicht und ich musste mich zurück halten, um die nicht zu greifen. Dieser Mistkerl auf den Sitz hinter uns brauchte nicht mehr wissen, als dass er schon tat. "Denk' nicht falsch von mir, aber er hat es ja irgendwie auch nicht anders verdient. Andererseits ... wen es raus kommt. Wir sind am Arsch, man. Meine Karriere wird vorbei sein und ich bin mir nicht sicher, ob man uns überhaupt noch aus'm Knast lässt nach so einer Aktion. Immerhin ist das hier gerade Folter und anschließender ... Mord."

Bei dem Wort 'Mord' wird mir erst klar, was wir hier gerade tun.
Ich greife mir in die Haare und schaue zu dem mittlerweile halb ohnmächtigen Miguel, dessen Kopf bereits auf seiner Brust aufliegt. "Sieh' ihn dir doch mal an. Wird den jemand vermissen?", frage ich etwas lauter, doch er reagiert nicht.
"Vermissen? Nein. Aber Leute werden bemerken, dass er nicht mehr da ist. Viele Leute treffen sich wöchentlich mit ihm und er steht ziemlich in der Öffentlichkeit. Also ja, man würde ihn schnell als vermisst melden.", flüstert Dima und läuft unruhig auf und ab.
"Wir müssten ihn ... verschwinden lassen. Für immer. Aber ... Dima ... Ich wüsste, wie.", sage ich stockend und drehe mich zu ihm um.

Sein Blick trifft meinen und nervös nickt er mir zu, damit ich weiter spreche. "Wir brauchen Natronlauge, die wir dann bekommen, wenn wir Natriumhydroxid in Wasser auflösen. Frag' mich nicht, warum ich das weiß.", flüstere ich und gehe wieder auf Dima zu.

"Scheiße, ich bin kein Chemiker. Nochmal ohne den Breaking Bad Style und einfach, bitte." Beinahe grinst Dima in dieser ungünstigen Lage.
"Nochmal einfach: wir brauchen Rohrreiniger. Viel davon. Damit könnten ... " Ich halte meinen Nasenrücken zwischen Zeigefinger und Daumen, bevor ich mich aufraffe die nächsten Worte zu sagen. " ... könnten wir ihn in der Badewanne auflösen. Keine Spuren, nichts."

Ich setze mich auf den Boden und schaue auf meinen Baseballschläger. Ich weiß genau, was ich da gerade erklärt habe und alleine das schon Aufruf zum Mord ist.
Ich höre Dima's Schritte auf dem teueren Laminatboden, bevor ich aufstehe.
"Bist du dir da zu hundert Prozent sicher.", hakt er unsicher nach.
Ich nicke, bevor ich antworte. "Ja. Ich bin ein komischer Mensch, ok? Ich hab' danach gegoogelt."

Schweigend hält er mir seine Hand hin und ich ziehe mich an ihm nach oben. Beinahe synchron schauen wir zu Miguel, der nun den Kopf hebt.
An seinen Mundwinkel klebt Blut und blaue Flecken zeichnen sich an seinen Schläfen von den Schlägen ab. Auch seine Hose ist an den Knien bereits leicht blutgetränkt.
"Willst du ihn so lassen? Und wie wollen ... man, wie würdest du ihn überhaupt um die Ecke bringen?", frage ich nun und schaue den Zusammengeschlagenen aufmerksam an.

"Keine Ahnung. Immerhin haben wir ihn doch ... genug gefoltert? Oder?"
Dima sieht mich an und nickt. Schweigend sieht er auf sein Brecheisen. "Schnell, oder langsam?"
Ich zucke mit den Schultern. "Wir sollten nur nicht so viel Sauerei machen. Spuren undso. Aber ... überhaupt, man! Haben wir das jetzt schon entschieden?"
Schnell überbrückt Dima die letzten Schritte zwischen uns. "Wenn er hier raus kommt und überlebt, dann sind wir beide Tod. Ich kenne ihn und du siehst, was passiert, wenn man ihn angeblich über den Tisch zieht. Ich will das nicht. Für keinen von uns. Ist dir das bewusst?"

Ich atme tief durch und nicke. "Ich weiß, ich weiß. Aber ... Mord? Wollen wir beide uns das wirklich anhängen? Nicht, dass ich nicht dazu ... bereit wäre.", gestehe ich und spüre die Waffe in meinen Hosenbund wieder.
"Ich will nicht auf der Flucht sein. Vor niemandem mehr. Wir sollten uns wegen so jemandem nicht verstecken.", macht mir Dima weis und ich gebe ihm recht.

Ich kann es mir selbst nicht vorstellen, ständig mit einem offenen Auge zu schlafen und jeden Tag im Hinterkopf zu haben, dass ich jeden Moment getötet werden könnte.
"Die lassen das wie einen Unfall aussehen. So als wäre es kein Mord gewesen. Niemand würde sich für dich rächen.", fügt er hinzu und ich nicke. Dieses Mal entschlossen.

"Okey. Wie .... verdammt, wie sollen wir es anstellen? Wir haben keine Schalldämpfer an den Pistolen. Das wäre zu laut." Mein Blick fällt auf Dima's Brecheisen und ich deute ungewollt darauf. "Das ist massiv. Einen kräftigen Schlag und ..." Ich ziehe meinen Finger über meine Kehle, um das offensichtliche nicht auszusprechen.

"Alles klar." Ich höre, wie Dima's Stimme bebt und auch ich höre mich gerade nicht anders an.
Schnell greife ich meinen Baseballschläger etwas fester und schaue wieder zu ihm. "Wer sollte es tun? Ich meine ... wir haben beide Grund dazu.", sage ich und biete ihm somit auch an, dass ich es tuen werde, wenn er das nicht möchte.

Dima jedoch schüttelt zuerst zaghaft, aber dann bestimmt den Kopf. "Wir sollten es zusammen tun. Auch wenn Holz nicht allzu viel ausrichtet, wie Eisen."

In diesem Moment beginnt Miguel zu husten, bevor er seinen Kopf schwach hebt. "Ihr Bastarde bringt es doch sowieso nicht fertig, mich zu töten." Ein kratziges Lachen hallt durch das Wohnzimmer, sodass mir ein Schauer über den Rücken läuft.

Fast gleichzeitig gehen Dimitri und ich wieder auf ihn zu. "Was, wenn du dich irrst?", frage ich und sehe ihn an. "Was, wenn wir dich gleich umlegen? Hast du dann noch irgendwelche letzten Worte?"
Ich versuche stark zu klingen und unterdrücke jedes Gefühl von Angst.
"Fickt euch ins Knie. Das wäre es wohl. Oh ... und dass meine Männer euch jagen werden.", sagt Miguel und spuckt in unsere Richtung, doch wir weichen aus.

Kopfschüttelnd sieht ihn Dima herablassend an. "Die werden uns nicht für den Mord drankriegen. Wir werden ganze Arbeit leisten, um dich verschwinden zu lassen. Keine Sorge."
Nun sieht er zu mir, sodass ich die Frage sehe, die ihm ins Gesicht geschrieben ist. Ich nicke und wir beide gehen auf Miguel zu.

Erst jetzt scheint dieser den ernst seiner Lage zu begreifen und versucht sich aus seinen Fesseln zu lösen, die aber nicht nachgeben.
"Ihr verdammten Wichser kommt damit nicht durch! Ihr seid niemand! Euch würde man nicht mal vermissen, wenn ihr mitten auf der Straße verrottet!", ruft er hektisch aus und reißt an seinen Armsesseln.
Während ich vor Miguel stehen bleibe, geht Dima hinter ihn.

Ich hebe zuerst mit zitternder Händen den Baseballschläger, bevor Dima es mir nach macht und wir uns ansehen. Ich kann in seinen Augen die Leere sehen, die meine widerspiegeln. Unsere Gefühle unterdrückt, geleitet von Rache und Hass.
"Sieh' dich doch an! Du kannst ja nicht mal das Teil halten! Nimm' es runter und mach mich los! Ich werd' euch auch gehen lassen!"

Ohne den Blickkontakt zu Dima abzubrechen, schüttle ich den Kopf. "Nein. Niemals.", sage ich kalt und wende nun meine Worte wieder an Dima. "Auf drei, so fest es geht, ok?"
Nun zittert meine Stimme wirklich.

Ich atme tief ein. "Eins."
Wir beide heben die Arme und sind so angespannt, wie noch nie.
"Zwei."
Miguel beginnt wie wild in seinem Stuhl zu zappeln, sodass ich ihn ansehen muss, um nicht zu verfehlen. "Ich gebe euch Geld! Viel Geld! Lasst mich ...-"
"Drei!"

Seine Stimme verstummt, als zwei gewaltige Schläge seinen Kopf treffen. Während meiner ihm sicherlich den Schädel angebrochen hat, bin ich beinahe geschockt, als Dima die Brechstange loslässt und sie einfach tief im Kopf des nun leblos zusammensackenden Kerls stecken bleibt.

Wir beide gehen einige Schritte zurück. Wie versteinert sehen wir uns an, was wir getan haben. Leblos hängt Miguel in seinem Stuhl. Die letzten Zuckungen sagen mir, dass wir ihm sein Lebenslicht ausgeknipst haben und wir das niemals wieder rückgängig machen können.

Erst nach einer gefühlten Ewigkeit sehe ich auf zu Dima, der dies bemerkt und mich ebenfalls ansieht.
Fast schon kalt nicke ich ihm zu. "Wir sollten damit beginnen, alles hier sauber zu machen und ihn für alle Male verschwinden zu lassen." Ich bin wie betäubt und spreche, sowie denke, so klar wie noch nie.

Die richtige Arbeit beginnt nämlich erst jetzt.

Streetfighter - SpongeBOZZWo Geschichten leben. Entdecke jetzt