Heute ist Mittwoch. Unter der Woche haben wir immer dreimal die Woche Training. Mittwochs ist mit dem Wochenende so ein Tag.
Liam und die Zwillinge sind in der Trainingshalle und fangen gleich mit dem Training an. Ich stehe unschlüssig vor dem Eingang und bin mir nicht sicher, ob ich wirklich hinein gehen will. Eigentlich habe ich mich die letzten Tage total gehen lassen und nichts für meine Fitness gemacht, weshalb ich dringend wieder Training nötig habe.
Das ich so lange am Stück keinen Sport gemacht habe, ist äußerst ungewöhnlich für mich. Genauso wie die Tatsache das bis heute Funkstille zwischen mir und meiner restlichen Familie besteht.
Nicht das ich sie in den vergangenen Tagen nicht gesehen hätte, aber ich habe mit ihnen allen seit dem Vorfall mit Sascha kein einziges Wort gewechselt. Keine Ahnung warum unser Verhältnis momentan so unangenehm ist. Keiner redet mit dem anderen. Wir gehen nicht aufeinander zu und so kam es nicht dazu, dass wir uns gegenseitig die offen stehenden Fragen beantworten.
Von Vanessa und Liam ist keiner auf mich zugekommen, weil sie vermutlich wütend auf mich sind. Von keinen der beiden kann ich mit Verständnis rechnen. Sie alle halten schließlich immer zusammen und lassen mich alleine stehen. Keine Unterstützung. Sogar die Zwillinge distanzieren sich von mir.
Ich bin nicht auf sie zugegangen. Ich habe zu große Angst vor ihrer Reaktion. Die letzten Tage leben wir passiver denn je im selben Haus und total aneinander vorbei.
Aus diesem Grund habe ich Angst jetzt da rein zu gehen. Ich werde gezwungen sein den ersten Schritt zu machen um sie anzusprechen. Was wenn ich kein Wort herausbringen werde. Gott bin ich nervös. Aber nicht rein zu gehen ist auch keine Option. Ich MUSS zum Training erscheinen. Das erlaube ich mir erstens selber nicht, auch noch Training wegen der ganzen Sache ausfallen zu lassen, Selbstmitleid hin oder her, so sehr lasse ich mich nun auch nicht verwahrlosen. Und zweitens ist es so gut wie ein Gesetz der Familie, dass wir alle beim Training aufzutauchen haben. Noch nie hat einer das Training versäumt. Selbst bei Krankheit haben wir alle aufzutauchen. Liam macht manchmal sogar den Witz, das wir selbst bei Beinbruch zu erscheinen haben.
Okay, ich muss da jetzt rein gehen. Vielleicht wird das ganze Geschweige ein Ende nehmen. Ich weiß nicht wie Liam mit mir umgehen wird. Aber ich muss es dennoch wagen. Ich weiß nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten soll.
'Eigentlich hast du nichts Falsches gemacht. Also musst du dich auch nicht verstecken' , immer wieder rufe ich mir Lisas Aufmunterungsversuche und Argumente in den Kopf. Ich solle ihm Selbstbewusst gegenüber treten und ihm nicht zeigen, dass ich eventuell Angst haben könne. Sie hat Recht. Es ist die erste Regel, die man bei der Verteidigung lernt:
Zeige deinem Feind niemals, wie verletzlich du bist.
Und genau das habe ich auch nicht vor, obwohl mein Vater und die Zwillinge ja nicht wirklich meine Feinde sind. Ich würde sie im Moment eher als Gegner bezeichnen. Das klingt nicht so negativ.
Lisas Motivation soll bei mir wirken. Also packe ich all meinen Mut zusammen und laufe zuversichtlich in die Umkleide. Schnell ziehe ich mich um und überlege dann noch einmal, ob ich wirklich in die Halle gehen möchte. Schließlich, nach ewigem zögern, beiße ich meine Zähne zusammen und stapfe mutmachend in den Ring.
Liam schaut mich an. Er hat mich registriert und nickt mir kurz zu.
Mir fällt ein Kieselstein vom Herzen, denn dieses Zeichen bedeutet, dass er mit mir normal umgehen wird. Das ist gut. Der restliche Stein der sich immer noch in meinem Herzen befindet, wartet lieber noch einmal den Verlauf des Trainings ab. Solange heißt es Selbstbewusst und normal verhalten. Stark bleiben.
Erstaunlicherweise gelingt es mir sogar ziemlich gut.
Pat und Renal sind in einer Ecke der Halle und wärmen sich mit Seilspringen auf. Ich stelle mich zu ihnen und schließe mich wortlos ihren Übungen an. Und auch sie verlieren nicht ein Wort über ihre Lippen..
Nach 30 minütigem Aufwärmen beginnt endlich das Training. Zuerst wiederholen wir einige alte Techniken, die wir alle bereits im Schlaf drauf haben. Anschließend kommen die neueren und schwierigeren Sachen an die Reihe, bei denen ich ein wenig mit meinen Gleichgewichtsproblemen zu kämpfen habe. Aber je mehr ich diese Techniken übe, umso besser beherrsche ich sie. Bis ich sie irgendwann besser beherrsche, als die anspruchsloseren Techniken. Hartes Training zahlt sich halt gerne aus.
Nach dem Aufwärmen beginnt auch endlich das Training. Zuerst wiederholen wir einige alte Techniken, die wir alle bereits im Schlaf drauf haben. Anschließend kommen die neueren und schwierigeren Sachen an die Reihe, bei denen ich ein wenig mit meinen Gleichgewichtsproblemen zu kämpfen habe. Aber je mehr ich diese Techniken übe, umso besser beherrsche ich sie. Bis ich dann irgendwann die schwierigsten Dinge besser als die anspruchsloseren meistern kann. Hartes Training zahlt sich halt gerne aus.
Auch Liam hat das gleiche Motto.. Heute geht er besonders hart mit uns um und kennt keine Gnade. Ich versuche alles richtig zu machen. Heute kenne ich für mich selber auch kein erbarmen. Ich kann es mir nicht leisten Liam ein weiteres Mal zu enttäuschen.
Genau mit diesen Gedanken powere ich mich so sehr aus, dass ich schon vor der Endrunde völlig aus der Puste komme.
Die Endrunde ist ein Kampf, indem jeder gegen jeden kämpft. Er macht für gewöhnlich den anstrengendsten Teil im Training aus. Wie ich den jetzt noch überstehen will ist mir ein Rätsel.
Heute kämpft Liam auch mit. Für gewöhnlich mag ich es, wenn er mitkämpft, denn das stellt für uns eine große Herausforderung dar. Wenn Liam mitkämpft gewinnt er meistens. Die Rückschläge die wir durch seine Kämpfe mit uns verkraften, sind ganz gut für uns drei, denn sie halten uns am Boden und zeigen uns, dass wir noch eine Menge zu lernen haben.
Man sieht Pat und Renal deutlich die Aufregung an. Sie können es kaum erwarten die Verbesserungen der letzten Jahre endlich mal wieder so richtig unter Beweis zu stellen. Ich hingegen bereue, dass ich mich vorhin so endgültig ausgepowert habe.Mir kommt es heute gar nicht entgegen, dass er mitkämpfen will. Ich hätte mich die letzten Tage nicht vollkommen gehen lassen sollen. Das habe ich jetzt davon.
Ich bin völlig ausgelaugt .So richtig werde ich heute denke ich keine Energie mehr aufbringen können. Ich fühle mich total schlecht, denn ich werde trotzdem kämpfen müssen.
Enttäuschungen kann ich mir nicht leisten.
„Sylvia du bist zuerst gegen Renal, nach fünf Minuten stößt Pat dazu und zuletzt trete ich auch mit ein.", erklärt Liam den Ablauf und tritt mit Pat aus dem Ring.
Mein Todesurteil. Lets begin the fight and the deadline.
Der Kampf beginnt und ich kämpfe mich durch die ersten fünf Minuten, in denen ich mich noch ziemlich gut halte. Als sich dann Pat anschließt, geht mir langsam die Puste aus. Doch ich beiße meine Zähne zusammen und mache weiter. Als Liam dann irgendwann dazu stößt ist mir echt schlecht. Schweißperlen tropfen wie ein Wasserfall von meinem gesamten Körper hinunter und meine Muskeln schmerzen schon vor Anspannung und befinden sich an der Zerreißgrenze.
Benommen setze ich mich auf den Boden. Die anderen halten inne. Liam steht vor mir und schaut auf mich hinab. Ich kann ihn nur noch verschwommen sehen. "Steh auf!", ist das einzige was ich hören kann. Und das auch nur verschwommen.
Also stehe ich wieder auf. Pat zieht mich auf die Beine und mustert mich besorgt. Doch das braucht er nicht.Ich schüttel ihn ab, denn ich bin nicht verweichlicht. Ich bin stark. Also stelle ich mich wieder auf. Ich kämpfe weiter, aber ehe ich mich versehen kann spüre ich einen stechenden eingreifenden Schmerz an meinem Knie der mich ungewollt auf den Boden zwingt. Am Boden angekommen sehe ich nur noch Köpfe begleitet von unverständlichem Summen. Jemand summt mir etwas vor. Dieser Gesang macht mich immer müder und begleitet mich in einen tiefen Schlaf.
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doomed fighter- zum Scheitern verurteilt
Novela JuvenilSylvia ist Mitte 18. Auch wenn sie rund um die Uhr mit der Familie zusammen war, fühlte sie sich alleine. Bei diesen scheint doch etwas anderes im Vordergrund zu stehen als das Glück der Tochter. Sogar als Sylvia beim harten Kickboxtraining ern...