Kapitel 10 - Schlangenhaft

66 4 0
                                    

Am nächsten Morgen stiegen wir gegen elf in den Hogwarts-Express um über die Ferien nach Hause zu fahren. Rin hatte von uns vieren den größten Kater und schlief in einen dicken Schal gewickelt mit dem Kopf an der Fensterscheibe ein. Adalyn kaufte für uns alle einen Haufen Snacks, als der Zug gerade losgefahren war und zwang uns Sachen mit vielen Proteinen zu essen. 

Am Mittag gesellte sich Ethan zu uns.
„Ich teile meine Zeit gerecht auf", sagte er. „Meine Slytherin-Freundinnen dürfen nicht zu kurz kommen." 

„Nenn uns noch einmal so und ich halse dir einen Fluch auf", murmelte Leslie. 

„Sorry." Er strahlte sie an. 

Ich betrachtete den Sonnenuntergang über der immer zahmer werdenden Landschaft. Rückfahrten machten mich immer nervös, weil ich mich in dieser blöden Situation befand, in der keiner wissen durfte, dass meine Eltern Muggel waren. Inzwischen glaubte ich zwar, dass meinen Freundinnen das ziemlich egal wäre, aber die Warnung von meinem allerersten Schultag hatte sich so tief in mein Herz gefressen, dass ich es nicht wagte, die Wahrheit zu sagen. 

Am Abend fuhren wir in King's Cross ein und ich verabschiedete mich von den anderen. Keine von ihnen bot an, mit mir auf meine Eltern zu warten, sie hatten inzwischen gelernt, wie wenig ich es mochte auf meine Familie angesprochen zu werden. Leslie hätte vermutlich niemals aufgegeben, aber Adalyn musste sie sich irgendwann mal beiseite genommen und ihr den Kopf gewaschen haben. Ethan war nicht so gebrieft wie die drei. Er bot an mit mir zu warten, zumindest bis seine Eltern auftauchten. Ich wollte Ethans Eltern wirklich nicht treffen. Es fühlte sich komisch an. 

Aber am Ende tauchte sowieso nur seine Mutter auf, um ihn per Seit-an-Seit-Apparieren mit nach Hause zu nehmen. Ethan stellte mich ihr kurz als „eine gute Freundin von mir" vor und damit konnte ich leben. Er umarmte mich zum Abschied, wünschte mir frohe Weihnachten und küsste mich wieder auf die Wange, bevor er sich umdrehte und buchstäblich mit seiner Mum zusammen verschwand. Kein Alkohol, dem ich die Schuld geben konnte. 

Ich seufzte, schulterte meine Tasche und machte mich auf den Weg aus dem Bahnhof, weil mein Dad mich mit dem Auto abholte. Meine Eltern waren nur einmal mit mir bei Gleis 9 3/4  gewesen und sie legten Gott sei Dank keinen großen Wert darauf, das zu wiederholen. Sie taten es vermutlich als so eine Teenager-Laune ab, bei der ich nicht mit ihnen zusammen gesehen werden wollte. Und vielleicht war es auch genau das. 

Die Ferien zuhause waren immer gleichzeitig schön und anstrengend. Ich liebte meine Familie sehr, aber sie waren nicht Teil der magischen Gemeinschaft, weswegen es manchmal kompliziert war, mit ihnen zu kommunizieren. Mit meinem Dad besonders. Er interessierte sich für die Politik der magischen Welt, für das Ministerium, für alles was gerade vor sich ging und so wie es im Moment aussah, würde ich ihn ziemlich belügen müssen. Mum interessierte sich vor allem für die Schule – waren alle nett zu mir, gab es Schwierigkeiten mit Lehrern, wie sah das mit den Prüfungen aus, et cetera. Am entspanntesten war meine kleine Schwester Brianna. Ihr konnte ich einfach meine Bücher zeigen, mit den sich bewegenden Grafiken, ich konnte ihr Geschichten von verpatzten Zaubern erzählen, von magischen Tieren und Pflanzen und sie würde mit leuchtenden Augen zuhören. Sie war erst acht, aber es war ziemlich klar, dass sie keine magischen Kräfte hatte. Auch sie würde diese Welt nicht mit mir teilen, aber sie war deswegen nicht traurig. Sie hatte ihre Welt und ich hatte meine. 

Über Weihnachten besuchten wir Verwandte, die sich beschwerten mich sonst nie zu Gesicht zu bekommen. Für alle außer meine Eltern und Bria hieß es, ich würde auf ein Internat in Schottland gehen (das war nicht gelogen), aber niemand wusste von der Zauberei-Sache. Es war sicherer so.

                                                                             ***

SlytherinherzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt