Kapitel 17

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"Angst, Miss Valentine?", provozierte mich Grayson.

Wir waren alle auf dem Boot namens 'Sky', obwohl es kein Flugzeug war, hieß es so. Zum meinem Glück mussten  die, die nicht schwimmen konnten, diese Schwimmweste nicht tragen, aber ich wollte lieber dämlich aussehen, anstatt noch mehr Angst vor dem Ertrinken  zu haben und ich war leider die einzige.

Natürlich lachten mich die anderen aus, war ja klar. Alle standen am Rand des Boote, während ich sozusagen an der Wand klebte, aus Angst ins Wasser zu fallen.

"Ja, Problem damit?!", fauchte ich wütend. Ich mochte es nicht, wenn man sich über Ängste lustig macht, damit ist nicht zu spaßen. Da Grayson sich darüber lustig machte, zählte er eindeutig nicht zu meinen Freunden, somit war ein Problem von mir gelöst. Das zweite Problem war das Schwimmen.

"Ziemlich schwache Leistung", meinte Barbie patzig und ihre Anhänger nickten zustimmend.

"Ich hoffe, du überwindest eines Tages deine Angst vor dem Spiegel und dir wird endlich klar, was für 'ne Make- up Fresse du hast", giftete ich zurück und sie zog nur eine beleidigte Miene.

Dann öffnete ich meine Weste und legte sie ab, als Beweis dafür, dass ich keine Angst mehr hatte und kein Feigling war. Okay, ich geb es zu, Angst hatte ich immer noch, aber die Wut war gerade größer.

"Spinnst du?!", rief Grayson entsetzt, "Du kannst doch nicht schwimmen!"

"Erstens, wir sind auf einem Boot und gehen nicht schwimmen. Zweitens, kann dir das sowas von am Arsch vorbei gehen." Meine Laune war eindeutig im Keller, ich hatte keine Lust darauf, dass man sich über meine Angst lustig machte, also verteidigte ich mich auch.

"Oh, es tut mir leid, dass ich mir ein Mal Sorgen mache!", verteidigte er sich wütend.

"Sorgen?! Du hast mich davor wie immer provoziert!", schrie ich nun. Dann ging ich, mit kochender Wut in mir, weg. Wir konnten ja frei rum laufen und es war ja erst um elf, in einer halben Stunde würden wir auf dem Boot Mittag essen. Ich stampfte zur anderen Seite des Schiffes, wo niemand sein würde außer mir. Dachte ich jedenfalls, denn da stand schon jemand, mit dem Blick auf's Meer.

"Ethan?"

Er drehte sich um und sein Gesicht blieb neutral. Komisch, zum ersten Mal erkannte ich keine Wut, wenn er mich sah. Und ich hatte keine Angst, keine Ahnung wieso. Er wirkte irgendwie zerbrechlich und schwach, seine Haut war blasser denn je und unter seinen Augen zeichneten sich starke Augenringe.

"Hm?" Wieso war er so normal?

"Warum bist du nicht bei den anderen?", fragte ich und ging zu ihm.

"Na wieso wohl. Niemand will mit mir was zu tun haben", antwortete er kurz und knapp und ich wusste, dass ich der Grund war. Und so standen wir einfach, schweigend mit dem Blick auf's weite Meer. Zwei Außenseiter.

"Entschuldigung", sagte ich leise.

"Was? Wieso denn?", wollte er verdattert wissen.

"Es ist doch wegen mir...", murmelte ich. Wieso war er so anders? So ausgewechselt und ruhig. War er in Wirklichkeit so? Wie kam es dazu?

"Nein! Es tut mir leid, dass ich dich erwürgen wollte... Ich mache jetzt wöchentlich eine Therapie und nehme ab und zu Beruhigungsmittel, wenn es nötig ist. Ich... wollte einfach nicht den Tod meiner Schwester akzeptieren, denn sie war gleichzeitig auch meine beste Freundin. Ich war einfach völlig überrumpelt gewesen und kam damit nicht klar."

Er entschuldigte sich? Das hatte ich gar nicht erwartet, aber irgendwie verstand ich ihn. Ich wäre auch damit nicht klar gekommen, wenn meine beste Freundin und Schwester gestorben wäre. Schmerz, Mitleid und Schuldgefühle zogen durch meine Brust, obwohl ich gar nicht schuld war.

HopeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt