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Nervös sitze ich im Warteraum des Krankenhauses und beiße dabei an meinen Nägel rum.

Es kommt mir vor wie ein Déjà-vu. Seit ich 5 bin habe ich aufgehört an meinen Nägel zu kauen, das habe ich Dad versprochen. Und jetzt ist es schon das zweite Mal dass ich das Versprechen breche.
Das erste Mal war als ich im Wartezimmer eines anderen Krankenhauses auf meinen Nägel rumkaute, als mein Vater im Op lag und es nicht sicher war ob er durchkommen würde.

Leider hatte er es nicht geschafft.

Und jetzt, jetzt sitze ich wieder in so einem Raum, der kalt von flackernden Neonleuchten erhellt wird. Ich hoffe es ist nichts ernsthaftes. Ein, zwei Mal erwisch ich mich dabei etwas zu emotional zu werden und wische mir schnell über die Augen. Krankenhäuser lösen in mir eine leichte Panik aus. Angst, dass nichts mehr so wird wie früher. Ich musste nämlich schon mal mit 8 Jahren ins Krankenhaus. Und mit 11, 13, 14, 15, und 16. Aber nicht für mich. Ich begleitete meinen Vater. Immer wieder kamen diese Krankenschwestern zu mir und haben versucht mich mit ihren ekelhaft hellen Quietschstimmen aufzumuntern, doch ich habe anfangs nur geweint. Mit den Jahren habe ich aufgehört. Ich habe mich an all das gewöhnt. Dad musste das Krankenhaus dann eines Tages mit einem Rollstuhl verlassen, mit Schläuchen die aus seiner Nase kamen und die an einer Maschine hinten am Rollstuhl befestigt waren.

In diesem Moment, als ich meinen halb abgemagerten Vater sah, da wusste ich dass es gleich Zuende war. Als würde man die letzten Tropfen aus einer Wasserflasche mit einem Strohhalm saugen. So sah ich ihn.

Und als er schließlich verstarb habe ich angefangen Krankenhäuser zu meiden. Doch jetzt weine ich wieder, und es sind keine Schwestern in ihren viel zu kurzen Kleider da die mir Zeichnungen in die Hand drücken oder ein Puzzlestück vor die Nase halten.

Ich bin wieder allein. Die Jungs sind vorgegangen, da es im Auto nicht genug Platz gab damit Kookie sich hinlegen kann. Natürlich habe ich gesagt dass sie vorgehen sollen. Einige wollten bei mir bleiben um mich nicht allein zu lassen, aber ich hab mich geweigert. Sie sind zwar dickköpfig, aber als ich beinahe wütend wurde dass Kookie sie jetzt mehr brauchen würde haben sie schließlich aufgegeben.

Ach man, hätte ich sie überredet das Training zu beenden! Es ist alles meine Schuld!

Wütend schlage ich einmal mit der flachen Hand auf meine Stirn.

Plötzlich geht die Tür auf und V kommt reinspaziert.

"Da bist du ja, Pearl.", meint er sanft, setzt sich dann neben mich.

"Wie geht es ihm?", frage ich heiser.

"Alles in Ordnung. Ein Muskel ist überspannt, Knöchel möglicherweise gebrochen, aber es geht schon wieder."

Ich schweige.

"Das ist meine Schuld...", flüstere ich traurig.

"Ach was! Kookie ist beim Sprung nur sehr blöd gelandet. Daran hat keiner Schuld. Du kannst absolut nichts dafür."

Ich nicke. V legt mir seinen Arm um die Schulter und drückt mich etwas an sich.

"Hey, Pearl. Alles okay. Er braucht nur etwas Ruhe, nichts weiter."

Ich schweige wieder.

"Was hast du denn da gemacht?", fragt er leicht geschockt und zeigt auf meine Knie.

Etwas überrascht wische ich das getrocknete Blut etwas weg.

"Ich glaub ich hab mir die Haut etwas aufgerissen als ich zu Kookie gerutscht bin. Halb so wild. Mach dir keine Sorgen.", sage ich traurig.

"Komm wir gehen schnell zu einem Arzt."

"Nein bitte. Lass es gut sein..."

"Aber-"

"Taetae. Bitte. Schon gut."

Ich zwinge mich zu einem halbwegs aufrichtigem Lächeln um ihm zu versichern dass alles in Ordnung ist. Er seufzt, nickt dann.

"Kann ich zu ihm?", frage ich schließlich.

"Ja klar. Ich geh nur schnell zur Toilette. Die Tür ist die zweite Tür rechts."

Ich nicke, stehe dann schnell auf. Hoffentlich gehts ihm auch wirklich gut.

Die Tür ist ein Spalt weit auf. Ich höre wie ihre angenehmen Stimmen durch den Spalt dringen. Schon möchte ich die Tür öffnen, doch ihr Gespräch hindert mich daran.

"-vergiss es! Sie kann kein Teil mehr unseres Lebens sein. Sie ist laut und nervig! Außerdem macht sie ihren Job gar nicht richtig. So liefert ständig nur schlampige Arbeit ab. Du musst es endlich einsehen. Nur da du sie magst heißt das nicht dass sie für uns arbeiten kann!"

"Ja, ich glaube du hast recht. Sie baut nur Scheiße in letzter Zeit. Ich glaube ohne sie wären wir besser dran."

"Ich bin derselben Meinung. Wir sollten sie noch heute feuern. Dann kann sie selbst schauen wie sie klar kommt! Ich will nichts mehr mit diesem Mädchen zu tun haben. Was für eine Zeitverschwendung!"

Da. Ich höre es. Wie mein Herz zerspringt. Die Glassplitter liegen auf dem Boden. Panisch greife ich an meine Brust, spüre wie ich den Halt verliere. Es tut so weh. Denken sie wirklich so über mich?
Ohne es zu wollen schreie ich. Ich spüre wie sich ein dicker Kloß in meinem Hals befindet, ich scheine vor Weinen kaum noch mehr Luft zu bekommen. Meine Welt liegt in Schutt und Asche. Alles ruiniert. Muss es so enden?

Die Tür zum Zimmer wird aufgerissen, und einige der Jungs schauen mich erschrocken an.

"Pearl?"

"Ich muss hier raus...", hechele ich, ich stolpere, doch Suga der gerade um die Ecke kommt fängt mich auf.

"Pearl? Was hast du?"

"Ich muss hier raus...", wiederhole ich schweratmend, und möchte schon weiter stolpern, da packt mich Suga am Arm.

"Fass mich nicht an!", schreie ich, worauf Suga erschrocken los lässt. Ich renne dann so schnell ich kannn weiter.

"Pearl!", rufen sie mir hinterher, doch ich renne und renne und renne.

Ich schluchze schwer, meine Sicht wird schon von den Tränen ganz trüb. Wieso haben sie mich so belogen? Wieso? Sie haben mit mir rumgespielt, das ist alles. Ich dachte, nur für einen kurzen Augenblick, wir wären eine Familie. Wir passen einander auf. Wir trösten einander. Wir unterstützen einander.

Und jetzt. Jetzt steh ich hier, mit gar nichts. Weil ich einfach zu naiv war zu erkennen, was ihre wahren Absichten sind.

Warum auch sonst sollten sie so nett zu einem wie mir sein? Es nervt. Ich bin kein Spielzeug! Ich habe doch auch Gefühle. Doch diese Welt scheint mich zu hassen, zu verachten, mich mit Füßen treten zu wollen und mich auszulöschen.

Ist es denn falsch hier zu sein?

Weinend reiße ich die Tür zum Krankenhaus auf und laufe in den kalten, dunklen Regen.

Meinem Freund.

Denn er ist der einzige der mich tröstet. Und auf ihn konnte ich mich immer verlassen. Ich mag es zu glauben dass der Regen meine Tränen symbolisieren. Oder die Tränen von anderen Menschen. Von den Engeln vielleicht.

Denn dann weiß ich dass ich nicht die Einzige bin, die weint. Es ist okay zu weinen.

Das hat Vater immer gesagt.
Doch Scheiße, Vater ist nicht mehr da.

Ich bin jetzt allein. Und vielleicht soll es auch so bleiben.

BTS Fanfiction // Clumsy LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt