Kapitel 3 - Dodo

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Vergiss nicht, zu essen.


Wachsam standen wir alle vor der Hütte, angespannt und bereit, jederzeit die Flucht zu ergreifen. Zuerst passierte überhaupt nichts. Dann passierte einiges sehr schnell nacheinander. 

In der Ferne, irgendwo in den verschlungenen Urwäldern der Insel, brüllte ein Tier.

Es war ein Brüllen, wie ich es noch nie zuvor gehört hatte und es ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Es musste sehr weit weg sein, war aber trotzdem so laut, dass man es bestimmt kilometerweit hören konnte. Ein anderes Tier, näher bei uns, antwortete mit einem noch schrecklicheren Brüllen. Nicky, Himaya und ich rückten unwillkürlich näher zusammen. Ich bekam eine Gänsehaut und begann, unkontrolliert zu zittern. Und ich sprang etwa einen halben Meter in die Luft, als ein weiteres Geräusch ertönte, und zwar nur ein paar Schritte von uns entfernt.

„Was ist das?", fragte Nicky und wich zurück zur Hüttentür.

„Klingt wie ... ein Vogel", meinte Himaya, machte aber keine Anstalten, sich das näher anzusehen.

Lance schob uns beiseite und nahm sich einen Stein vom Boden. Mit grimmigem Blick ging er auf den Busch zu, in dem sich etwas bewegte. Als er über dem Busch stand und überlegte ob er den Stein werfen sollte oder nicht, erzitterten die Blätter und ein merkwürdig aussehender Vogel watschelte an Lance vorbei. Er war recht groß, mir reichte der Kopf vermutlich bis zur Hüfte. Er hatte einen kräftigen dunklen Schnabel, graues Gefieder und große, mit Krallen bewehrte Füße.

Flügel waren auf den ersten Blick nicht erkennbar. Das Tier machte ein paar gurrende Geräusche, trottete an uns vorbei und pflückte mit dem Schnabel ein paar Beeren vom nächsten Busch. Sein Stummelschwänzchen erinnerte mich an etwas.

„Ich glaube, ich hab so einen schon mal gesehen", sagte ich. „Im Naturkundemuseum. Das ist ein Dodo."

Himaya zog eine Augenbraue hoch, aber Nicky und Lance verstanden, worauf ich hinaus wollte.

„Die sind ausgestorben", erläuterte Nicky. „Seit sechzehnhundert-irgendwas."

Himayas Augen weiteten sich und sie blickte zwischen uns und dem Dodo hin und her. „Dann kann der doch nicht echt sein."

Wir vier tauschten Blicke. „Sehen wir uns den mal näher an", schlug Lance vor. 

Wir nickten und begannen langsam, den Dodo einzukreisen. Er gurrte ein bisschen mehr, es hörte sich wie eine Warnung an. Mit einem beherzten Griff packte Lance den Vogel und befahl uns, ihn uns besser anzusehen. Der Dodo wehrte sich nicht mal besonders - wahrscheinlich wusste er nicht, was mit ihm passierte. Ich beugte mich vor dem Kopf des Vogels herunter und betrachtete den scharfen, gebogenen Schnabel. Als ich die Hand ausstreckte, um ihn zu berühren, schnappte er nach mir.

„Sieh dir die Augen an", sagte Himaya, die die großen Füße des Dodos begutachtete. „Sehen die echt aus?"

Seine Augen waren nicht besonders groß, huschten aber wachsam zwischen mir und Nicky hin und her. Sie schimmerten in der Dunkelheit und nichts an ihnen wirkte auch nur ansatzweise künstlich.

„Solange ihr kein Exoskelett gefunden habt, müssen wir wohl davon ausgehen, dass er echt ist", meinte ich und trat einen Schritt zurück. Lance ließ den Vogel los, der sofort gurrend davonwatschelte.

„Vielleicht hätten wir ihn nicht gehen lassen sollen", murmelte er.

„Was meinst du?"

Lance schaute den Stein an, den er vorhin fallen gelassen hatte. „Wir müssen was zu essen auftreiben, wenn es hell wird. Oder habt ihr keinen Hunger?"

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