Kapitel 30 - Feinde

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Es verbergen sich einige Nahrungsmittel auf der Insel –
Man sollte stets die Augen nach ihnen offen halten.


Fertig wurde der Scheiterhaufen erst am Abend. Ich schaute von der Hütte aus zu, wie die anderen ihn anzündeten und wartete auf den Anflug eines Gefühls. Schließlich beherbergte der Turm aus Holz, Gras und Blättern nicht nur unsere Feinde, sondern auch Tim. Aber es kam nichts. In mir war nur Leere, dieselbe Leere, die ich in Nastyas Gesicht sehen konnte, als sie beobachtete, wie das Feuer den Scheiterhaufen verschlang. Die Flammen spiegelten sich in gefühllosen, dunklen Augen. 

Ich hätte sie gern gefragt, wieso sie nichts fühlte, weil ich nicht wusste, warum es bei mir so war. Doch ich fürchtete, dass sie es wusste und ich wollte die Antwort gar nicht hören. 

Sophie löschte ihre Fackel und drehte sich dann zu uns um. Ich konnte ihren Blick nicht deuten, als sie auf uns zukam und mich nur kurz anschaute, ehe sie sich hinkniete und mit Nastya auf Augenhöhe war. 

„Willst du noch was sagen? Zum Abschied?" 

Nastya sah sie verständnislos an. 

„Ich meine – waren sie nicht deine Freunde?" 

Nastya atmete durch die Nase aus und es klang belustigt. „Wir waren keine Freunde." 

Die anderen wandten dem Scheiterhaufen den Rücken zu und richteten das Lagerfeuer vor der Hütte wieder her. Ich wollte protestieren, als sie Nastyas Fesseln lösten und sie ans Feuer holten, aber ich ließ es bleiben. Meinen Messergriff behielt ich trotzdem in der Hand und ich ließ Nastya nicht aus den Augen. Dass Sophie direkt neben ihr saß, passte mir ganz und gar nicht, aber ich wusste nicht, was ich tun sollte. Sophie war ganz offensichtlich sauer auf mich und hielt sich absichtlich fern von mir. Dabei war alles, was ich getan hatte, nur, um sie zu beschützen. Ich hätte noch mehr Menschen ermordet, wenn es bedeutete, Sophie in Sicherheit zu wissen. 

„Woher habt ihr all das Zeug?", fragte Kemen mit einer Stimme wie Eis und nickte zu dem Häufchen aus Kleidern, Stiefeln und Brillen hinüber, die aus reiner Notwendigkeit und der vagen Hoffnung, noch etwas damit anfangen zu können, nicht mit im Scheiterhaufen gelandet waren.
Nastyas Stimme war noch immer rau und heiser, als sie überraschend bereitwillig antwortete.

 „Aus diesen Versorgungssonden."

„Die Waffen auch?" 

Sie nickte. „Alles. Wir haben das System durchschaut, mit dem die funktionieren." 

Niemand fragte weiter, alle schauten sie nur mit hochgezogenen Augenbrauen und mehr oder minder erwartungsvoll an. Immerhin war sie noch nicht als Verbündete in diese Gruppe aufgenommen worden und ich würde das auch verhindern. Manchen Leuten durfte man nicht vertrauen. 

„Ihr habt bestimmt gesehen, dass die Sonden verschiedene Farben haben", fuhr Nastya schließlich fort. „Die weißen tauchen meistens in der Nähe von Leuten auf und da sind die schlechtesten Sachen drin. Also, gut für den Anfang, aber im Vergleich zu den anderen Sonden eher mies." Sie räusperte sich. „Dann gibt es noch andere Farben und in den roten und gelben sind eigentlich die besten Sachen drin. Die Waffen und Brillen haben wir aus einer roten Sonde, die Klamotten aus einer gelben, glaube ich." 

Alle warfen sich Blicke zu, während ich Nastya nicht aus den Augen ließ. 

„Die weißen Sonden sind immer leicht zu erreichen und sie bleiben am längsten. Wenn du eine von den guten erreichen willst, musst du direkt loslaufen, wenn das Licht auftaucht und wenn du Glück hast, bist du dann ein paar Minuten bevor das Ding sich auflöst, da. Und meistens muss man klettern, um dranzukommen. Oder manchmal tauchen, das auch. Wir hatten immer jemanden auf einem Baum oder Hügel oder so, der nach Sonden Ausschau gehalten hat. Dreimal sind wir ganz knapp zu spät für rot oder gelb dran gewesen, bevor wir es dann geschafft haben."

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