15 | Krankenschwester Beccs

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• Andrew Belle - Sky's Still Blue 

»Caleb.« Ich versuche ihn aufzuhalten, als er wütend an mir vorbei läuft, nach oben auf sein Zimmer geht und die Tür hinter sich zuschlägt. Bei dem lauten Knall, der durch das gesamte Haus halt, zucke ich erschrocken zusammen. Zuerst mache ich Anstalten, ihm hinterher zu laufen, doch als mein Blick auf den seelenruhigen Alec fällt, halte ich inne.

»Lass ihn«, seufzt er, als er sich auf das Sofa fallen lässt. Ich folge ihm mit den Augen. Er lehnt sich zurück und schließt die Lider, während er sich die Augen mit der Hand abschirmt, so als würde ihm die Sonne ins Gesicht scheinen, dabei haben wir gerade Herbst und von der Sonne ist die meiste Zeit leider nichts mehr zu sehen.

Ich nutze die Gelegenheit, als er die Augen geschlossen hält und beobachte ihn. Leider bekomme ich nicht oft die Chance dazu. Er hat seine langen Beine vor sich ausgestreckt und bewegt sich nicht, aber ich bin mir sicher, dass er jeden Schritt und jeden Atemzug hört, den ich mache.

»Sollten wir...sollten wir nicht versuchen, mit ihm zu reden?«

»Das wird im Moment nichts bringen. Er ist wütend auf uns«, Alec öffnet ein Auge - das Blaue - und sieht mich kurz an, bevor er es wieder schließt. »Caleb wird sich schon wieder beruhigen und dann kümmere ich mich um ihn.«

Es ist offensichtlich, dass Alec mich mit diesen Worten nach Hause schicken möchte. Meine Arbeit ist für heute wohl getan. Die warme und liebevolle Berührung vorhin im Auto - und erst recht die Tatsache, dass er an mich gedacht und mir etwas zu Essen gekauft hat - waren vermutlich bloß eine kurze Glückssträhne. Es hatte vermutlich nichts zu bedeuten. Und obwohl ich weiß, dass ich hier nicht mehr länger erwünscht bin, bleibe ich unschlüssig am Türrahmen stehen.

Ich sollte gehen, aber ich möchte noch bleiben. Am liebsten würde ich mich neben Alec auf das Sofa setzen und einfach nur mit ihm reden. Mir würden vermutlich tausende Fragen einfallen, die ich ihm stellen könnte - normale Fragen, pikante Fragen, belanglose Fragen - einfach nur, um ihn reden zu hören, um seiner schönen, tiefen Stimme zu lauschen.

»Was tust du noch hier?« Er öffnet wieder nur ein Auge.

Erschrocken fahre ich zusammen. Für einen seltsam kurzen Augenblick habe ich vergessen, dass er da ist und das, obwohl ich nur an ihn gedacht habe. »Ich äh...« Mir wird plötzlich wieder warm, als Alec auch das zweite Auge öffnet und mich aus zusammengekniffenen Augen mustert. Nachdem ich auch nach weiteren zig Sekunden nichts sage, hebt er eine Braue. Plötzlich fallen mir wieder seine Verletzungen ein, die er sich während der Prügelei vorhin zugetragen hat und mir kommt eine Idee.

»Ich bin gleich wieder da«, rufe ich ihm zu und hebe den Finger in die Höhe, um ihm zu signalisieren, dass er sitzenbleiben soll, was lächerlich ist, weil er nicht so aussieht, als würde er in nächster Zeit irgendwo hingehen.

Ich laufe nach oben ins Badezimmer, reiße alle Schubladen auf, die ich in die Finger bekomme und suche fieberhaft nach einem Erste-Hilfe-Kasten.

Als ich ihn schließlich nach dem dritten Versuch finde, laufe ich zurück. Vor Calebs Zimmer bleibe ich kurz stehen. Ich überlege, ob ich klopfen soll, aber Alec hat vermutlich recht - immerhin kennt er seinen Bruder nun schon lange genug. Caleb braucht Zeit und dann wird er von sich aus zu Alec gehen und so wie ich ihn bis jetzt kennenlernen durfte, wird er sich viel Zeit nehmen, um mit seinem kleinen Bruder über das Thema zu sprechen.

Zugegeben, auch wenn er sich mir gegenüber des öfteren mal wie das letzte Arschloch benimmt, ist er in der Gegenwart seines Bruders das komplette Gegenteil. Er ist geduldig, einfühlsam und zuvorkommend.

Alec sitzt tatsächlich noch auf dem Sofa. Er hat die Augen wieder geschlossen, aber als er mich herunterkommen zu hören scheint, öffnet er die Augen und sieht mich neugierig an.

BadassWo Geschichten leben. Entdecke jetzt