55 | Leb wohl

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• VNV Nation - Illusion •

Als die Tür aufgeht und er vor mir steht, fällt mir ein Stein vom Herzen. Am liebsten würde ich ihn anspringen, aber stattdessen lächle ich einfach nur und sage: »Hey.«

Er wirkt nicht überrascht, mich zu sehen, eher so, als würde er überlegen, wie er auf meinen Besuch angemessen reagieren soll, doch schließlich schafft er es zu lächeln. Es wirkt matt, erreicht seine Augen nicht. »Hey.«

»Darf ich... darf ich reinkommen?«

Alec tritt zur Seite. Ich gehe an ihm vorbei in sein kleines Studentenzimmer und drehe mich um, als ich schließlich in der Mitte des Raumes stehe. Er steht immer noch an der Tür und mustert mich. Sein Blick ist undurchschaubar. Ich kann nicht sagen, was gerade in ihm vorgeht, was er fühlt oder denkt. Es ist seltsam, ihm nach so vielen Wochen wieder gegenüberzustehen.

Ich fummele nervös an meinen Hosentaschen herum, während ich den Blick über sein erstaunlich ordentliches Zimmer gleiten lassen, bevor ich wieder ihn ansehe. Noch länger kann ich dieses Gespräch nicht herauszögern. Ich wünschte, es wäre einfacher zwischen uns. Nicht so wie damals, ich bin nicht so naiv, dass ich glaube, dass es jemals so werden kann wie es vor Calebs Tod war, aber ich wünschte, es wäre anders als jetzt.

Er hat sich distanziert von mir, und obwohl ich gewusst habe, dass ich Alec verlieren werde, tut es weh. Es tut weh, dieses Loch zwischen uns zu sehen. Zu sehen, dass die Brücke, die wir zueinander aufgebaut haben, durch Calebs Tod eingebrochen ist.

Ich habe das Gefühl, ich stehe einem anderen Mann gegenüber. Nicht, weil er anders aussieht oder sich anders verhält, nein, - mir fällt auf, dass Alec sich viel Mühe gibt, um normal zu wirken - es ist viel mehr seine Ausstrahlung, seine Aura. Es ist, als würde ihn etwas Düsteres umgeben. Als wäre der Tod hinter ihm, als könnte er jeden Augenblick die Arme nach ihm ausstrecken, um auch ihn aus dem Leben zu ziehen.

Ich räuspere mich. »Du... du bist nicht da gewesen. Ich habe nach dir gesucht.«

Alec tritt näher ins Zimmer, aber er weicht meinem Blick aus, als könnte er es nicht ertragen, mich anzusehen. »Ich konnte nicht«, sagt er leise. »Ich bin später vorbeigefahren. Am Abend. Als niemand mehr da war. Ich wollte... ich musste alleine mit ihm sein.« Endlich sieht er mich an. Er sieht mich einfach nur an, eine Sekunde lang, zwei, dann drei, bis er schließlich seufzt. »Rebecca, hör mal. Ich will kein Arschloch sein, aber wieso bist du hier?«

»Ich wollte sehen wie es dir geht, Alec, ob du noch lebst. Du gehst nicht mehr an dein Handy, du antwortest auf keine Nachricht und hebst nie ab, wenn ich anrufe.« Ich trete einen Schritt auf ihn zu. »Alec... ich mache mir einfach nur Sorgen um dich. Ich verstehe, dass du... dass sein... dass es dich schwer getroffen hat. Nicht nur schwer, es gibt keine Worte dafür, was passiert ist und wenn du mir die Schuld an allem geben willst, dann tu das. Bitte. Es ist meine Schuld, nicht deine. Also los, schrei mich an, beschimpf mich, von mir aus, schlag mir auch ins Gesicht, aber tu bitte irgendetwas.«

Als er nichts sagt, werde ich lauter: »Alec, du bist nicht einmal bei seiner Beerdigung gewesen!«

»Ich konnte nicht«, wiederholt er die selben Worte wie vorhin. »Ich konnte nicht dahin. Ich wäre durchgedreht inmitten dieser ganzen Menschen, die glauben, Caleb gekannt zu haben. Die um ihn weinen, obwohl sie sich nie einen Dreck um ihn gekümmert haben, als er noch am Leben war. Für sie alle ist er doch nur eine Last gewesen!«

»Alec, du-« Ich überbrücke die letzten Schritte zwischen uns und will nach ihm greifen, als er meine Hand von sich schlägt.

»Fass mich nicht an!«, sagt er laut. Als ich beim Klang seiner lauten Stimme zusammenzucke, sagt er ruhiger: »Fass mich... Fass mich bitte nicht an. Ich ertrage das nicht. Nicht jetzt.«

BadassWo Geschichten leben. Entdecke jetzt