34 | Das erste Date

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• Andrew Belle - In My Veins •

Ich starre sein Spiegelbild an, lasse den Blick kurz über sein wie immer wirres, dunkles Haar schweifen und bleibe dann an seinen großen, irritierten Augen hängen. Er zieht seine Hand so schnell zurück, das man meinen könnte, er hätte sich an meinem Rücken verbrannt, und tritt dann mit gesenktem Blick zurück.

Am liebsten würde ich mich umdrehen und ihn direkt ansehen, nicht nur sein täuschend echtes Spiegelbild betrachten. Ich möchte in seine Augen sehen, in seine wunderschönen, klaren Augen, die die Farbe vom Meer und von Erde haben; Augen, die nicht schöner sein könnten.

Aber ich habe zu viel Angst davor, ihm direkt gegenüberzutreten und irgendetwas sagt mir, dass es ihm auch besser gefällt, mit meinem Spiegelbild zu reden. Das ergibt vielleicht keinen Sinn für Außenstehende, aber der Spiegel, der in diesem Moment zwischen uns steht, ist so etwas, wie eine Mauer. Ein Schild oder eine Maske, die einem Schutz bieten.

»Was...was hast du da gerade gesagt?« Meine Stimme klingt elendig, fast wie ein Krächzen.

Er hebt den Kopf.

Als sich unsere Blicke im Spiegel begegnen, schlinge ich die Arme um meinen Oberkörper. Irgendetwas hat sich an der Art und Weise, wie Alec mich ansieht, verändert. Sein Blick geht mir durch Mark und Bein. Es fühlt sich nicht mehr schön an, nein, dieses Mal fühle ich mich tatsächlich nackt. Das Gefühl von Scham macht sich in mir breit.

»Nichts.« Er reibt sich über den Nacken. »Ich habe nichts gesagt.«

Ich hebe ungläubig die Brauen, aber Alec beachtet mich überhaupt nicht mehr. Er streift das schwarze Kleid vom Bügel, um es mir kurz darauf in die Hand zu drücken. »Zieh das an.«

Für einige Sekunden schwebt das Kleid zwischen uns. Ich schaue nur von seinen Augen zu seiner Hand und schüttele dann den Kopf. Ich kann nicht fassen, dass er im ersten Moment etwas so unglaubliches zu mir sagt und im nächsten Augenblick wie ein komplett anderer Mensch auftritt. Jedes Mal, wenn ich glaube, dass wir uns einen Schritt näher gekommen sind, stößt er mich wieder von sich, baut eine Mauer um sich herum und gibt wieder vor, das herzlose Arschloch zu sein, das nur darauf wartet, mich in den Wahnsinn zu treiben.

Und obwohl mich Alecs Verhalten ein wenig verletzt, versuche ich mir nichts anmerken zu lassen. Ich weiß nicht, was mit diesem Mann nicht stimmt, aber ich werde es hoffentlich noch herausfinden. Eines Tages; dann, wenn er bereit dazu ist, es mir zu erzählen.

»Während du in der Umkleide bist?«, frage ich fassungslos. Ich greife nach dem Kleid in seinen Händen und halte es mir schützend vor die Brust.

Alec verdreht die Augen. »Ich habe dich schon mit weniger Kleidung am Körper gesehen, Rebecca.«

Ich beiße mir auf die Unterlippe, um nicht laut aufzuschreien vor Wut. Am liebsten würde ich diesem verfluchten Kerl eins über den Schädel ziehen, aber weil heute mein Geburtstag ist, ignoriere ich seine idiotische Andeutung.

Erst nachdem ich das Kleid komplett übergezogen habe, wage ich es, auch meine Hose auszuziehen. Es ist mir egal, dass er mich bereits nur in Unterwäsche gesehen hat und mir ist auch egal, dass er jetzt denken mag, dass ich mich kindisch verhalte. Ich tue einfach nur, was ich für richtig halte. Er soll nicht glauben, dass er sich andauernd solche Spielchen mit mir erlauben kann.

Alecs Blick klebt an mir. Ich spüre, wie er mich durch den Spiegel beobachtet, traue mich aber nicht, seinen Blick zu erwidern. Eine ganze Minute ringe ich mit mir selbst, fummele an meinem Kleid herum und entferne nicht vorhandene Fusel – und das alles nur, um ihn nicht ansehen zu müssen.

Als ich schließlich doch den Blick hebe, um ihn anzusehen, lächelt er.

»Gefällt es dir?«, frage ich ihn, woraufhin er den Blick von meinem Kleid abwendet, um mir in die Augen zu sehen. »Gefällt es dir?«, fragt er zurück.

BadassWo Geschichten leben. Entdecke jetzt