41 | Liebe

29.9K 1.7K 696
                                    

• Seafret - Drown •

Eine Woche Schule und ich möchte am liebsten wieder Ferien haben. Ich weiß nicht, was mich dazu gebracht hat, mir die Schule herbeizusehnen, aber jetzt wo ich hier sitze, würde ich das verdammt gerne zurücknehmen.

Ich habe die ganze Woche über Zeit gehabt, nachzudenken. Über Alecs Worte, darüber wie er mich angesehen und mich angefleht hat, mir seine skurrile Entschuldigung anzuhören, die irgendwie doch ziemlich schön war. Alleine die Tatsache, dass er sich die Mühe gemacht hat, den Schlüssel von meiner Mutter zu bekommen und Spaghetti zu kochen, um mit mir zu reden, erwärmt mein Herz.

Er hat ausgesehen, als hätte man ihn geohrfeigt, als ich ihn aus dem Haus geschickt habe und genau dieses Bild geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Egal wie oft ich auch versuche, mich auf etwas anderes zu konzentrieren. Ich sehe ihn immer wieder vor mir, mit großen Augen, in denen sich so viel Reue spiegelt, dass ich nicht glauben kann, wie ich die Kraft aufgebracht habe, ihm die Tür vor der Nase zuzuschlagen.

Ich denke an all die schönen Momente zwischen uns. Denke an unser erstes Aufeinandertreffen auf der Party und das zweite, nachdem ich den Job bei den Moranis angenommen habe. Ich denke daran, wie er mich jedes Mal nach Hause gefahren hat, weil er nicht wollte, dass ich nachts auf der Straße herumlaufe; daran, dass er mich angerufen hat, als er betrunken war, und mich darum gebeten hat, einfach nur bei ihm zu bleiben. Alec ist bei mir geblieben und hat mich verarztet, als ich krank im Bett lag. Er hat sich so süß um mich gekümmert, dass ich mich dafür Ohrfeigen könnte, dass ich ihm trotz seiner etlichen Bemühungen - seine Nachrichten, die ganzen Versuche, bei mir aufzutauchen und mit mir zu reden - die kalte Schulter zeige.

Immer mehr Erinnerungsstücke tauchen in meinem Kopf auf. Mir fällt der Moment wieder ein, als Alec eifersüchtig wegen Aaron war und der Moment in seinem Auto, als er mich nach einem Date gefragt hat. Das Date war das erste und schönste in meinem Leben und Alec ist der erste Mensch gewesen, der mir gesagt hat, dass ich schön sei.

Er hat mir Eis mitgebracht und ist vorbeigekommen, als ich ihn am meisten gebraucht habe, obwohl er mit Caleb und der Uni wohl genug um die Ohren hat, als sich auch noch um ein betrunkenes und hysterisches Mädchen zu kümmern.

Und dann hat er all das einfach so zerstört. Mit ein paar Worten, die er, wie er behauptet hat, nicht so gemeint hat, die ihm heraus gerutscht sind und sich in diesem Augenblick für ihn richtig angefühlt haben.

Er hat einen Fehler begangen, ihn eingesehen und sich entschuldigt. Menschen machen nun mal Fehler. Auch ich habe in meinem Leben so einige fragwürdige Dinge getan. Was für ein Mensch wäre ich, wenn ich ihm nicht verzeihen würde? Ich weiß nicht, was für ein Mensch ich wäre - ob gut oder schlecht, nachtragend oder naiv - aber ich weiß, dass ich dieser Mensch nicht sein möchte. Ich möchte nicht später bereuen, dass ich wegen einem kleinen Streit alles aufgegeben habe; ich möchte nicht darüber nachdenken und grübeln, was passiert wäre, wenn ich ihm verziehen hätte.

Alec hat niemanden umgebracht, er hat eine falsche Entscheidung getroffen und mich damit verletzt, aber manchmal gehört so etwas dazu. Vielleicht sind es erst die unschönen Augenblicke, die Streitereien und Tränen, die zwei Menschen miteinander verbinden.

Er ist nicht perfekt. Er kann jähzornig oder liebevoll sein, kann fies oder nett sein; er kann mich in einem Augenblick wie eine Prinzessin behandeln und im nächsten vor den Kopf stoßen. Das wusste ich von Anfang an und es hat mich nicht davon abgehalten, mich in ihn zu verlieben. Ich habe mich in Alec verliebt, obwohl er so ist wie er ist und vielleicht habe ich mich gerade deswegen in ihn verliebt.

Ich starre aus dem Fenster, wo es aussieht, als würde die Zeit stillstehen, während alles um mich herum weiter existiert. Meine Lehrerin redet über den Epochenumbruch des achtzehnten, neunzehnten Jahrhunderts, führt dazu ein Tafelbild auf, die Leute um mich herum, machen sich Notizen, melden sich, tragen etwas zum Unterricht bei und ich schaue einfach nur aus dem Fenster.

BadassWo Geschichten leben. Entdecke jetzt