Zerstreute Erinnerungen

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Ich öffnete meine Augen. Ah, grell! Ich blinzelte. Wo bin ich?
Ein motorisches Piepen machte sich rechts von mir bemerkbar, doch ich war zu schwach, um meinen Kopf zu drehen. Ich lag auf dem Rücken, also konnte ich die Decke sehen. Sie war weiß. Ein Krankenhaus? Was ist passiert? Warum bin ich hier? Autsch, das denken tat meinem Kopf nicht gut, er pochte.
Ich schloss meine Augen wieder, hoffte, dass der Schmerz vergehen würde, wenn ich einfach schlafe.
Dunkelheit umhüllte mich.

"Ist sie wach? Ich will sie sehen! Geht es ihr gut?!" Ich hörte eine Stimme. Erst konnte ich sie nicht zuordnen, ich wusste nur, dass sie mir bekannt vorkam.
Als hätte mein Gehirn einen Schlaganfall gehabt, begriff ich erst nach einigen Sekunden, dass es sich bei der Stimme um die Stimme meiner Mutter handelte.
Ich öffnete meine Augen und musste mich ein weiteres Mal an das helle Licht gewöhnen, das durch das Fenster schien.
Und plötzlich kam die Erinnerung zurück. Die Erinnerung an einen wundervollen Tag auf Island. Und die Erinnerung, die sich um vielleicht fünf Sekunden handelte. Ein panischer Louis und ein heftiger Aufprall meines Kopfes auf das Armaturenbrett.

"Mary!" Meine Mutter sah mich sanft an. Ich versuchte zu sprechen, aber dir Buchstaben reihten sich in meinem Kopf nicht zu Wörtern zusammen. Es war wie verflixt. Als hätte ich alles in meinem Kopf, aber könnte damit nichts anfangen.
"Ich...Wir sind so schnell gekommen, wie es nur ging, aber...", meine Mutter brach in Tränen aus,"...es tut mir so Leid, mein Schatz!" Ich nickte nur und versuchte ein Lächeln zu Stande zu bekommen.
Ein Arzt betrat das Zimmer und bat meine Mutter, nun auf dem Flur zu warten.
"Können Sie mich richtig verstehen?", fragte der junge Arzt mich freundlich. Ich nickte nur.
"Sie haben eine sehr starke Gehirnerschütterung. Sie werden darüber hinwegkommen, machen Sie sich keine Sorgen, aber es könnte etwas dauern, bis sie alles wieder neu erlernt haben. Besonders das Schreiben dürfte etwas länger dauern." "L-Louis." Das war das einzige Wort, das ich zustande brachte. Der Arzt schien mich jedoch trotzdem zu verstehen. "Mr. Tomlinson hat ebenfalls eine Gehirnerschütterung, aber bei Ihnen ist es schlimmer. Es geht ihm einigermaßen gut, sein Zustand ist stabil. Der Airbag wurde nur bei Mr. Tomlinson ausgelöst, weshalb er darauf aufschlug. Sie sind mit ihrem Kopf direkt auf das Armaturenbrett aufgeschlagen."
Ich wollte antworten, doch ich konnte es nicht. Wie sehr ich es auch versuchte, es klappte nicht. Der Arzt hatte mir das wohl angesehen, denn er sprach in einem ruhigen und beruhigenden Ton.
"Machen Sie sich bitte keine Sorgen, ihre Erinnerungen werden zurückkehren." Mit einem Lächeln verließ er das Zimmer. Hallo?! Ich hab Hunger!
Ich drückte auf den Apparat, der eine Schwester in mein Zimmer rief. Diese schaute mich fragend, aber freundlich an. "Was kann ich für Sie tun, Miss?" Ich zeigte auf meinen Mund. Die Schwester nickte, verschwand und kam kurz darauf mit einem Tablett zurück.
Ich aß den ganzen Teller innerhalb von wenigen Minuten auf. Ich hatte Hunger, als hätte ich seit Tagen nichts gegessen, aber das konnte doch nicht sein, oder? Welcher Tag war es überhaupt? Und in welchem Krankenhaus befand ich mich? Wahrscheinlich in Island, das ist logisch. Nur um mich selbst zu überprüfen, wiederholte ich in meinem Kopf immer wieder meinen Namen und wo ich wohne. Wer meine Freunde sind und was mein Job ist. Das tat ich ungefähr eine Viertelstunde lang. Als hätte ich die Angst, das mir das auch entgleiten würde. Irgendwann, ich merke es kaum, kamen die Sätze, die ich seit einer Weile in meinem Kopf wiederholte aus meinem Mund.
"Mein Name ist Mary Meyer, ich wohne in Köln und bin gelernte Stylistin. Meine Freunde sind Harry Styles, Niall Horan und Liam Payne. Ich bin mit Louis Tomlinson zusammen und begleite die vier auf Tour." Ich riss überrascht meine Augen auf, hörte jedoch nicht auf zu sprechen, nicht, dass es wieder verschwand. Ich rede belangloses Zeug, einfach um zu sprechen. Ich hörte nicht auf zu reden.

Irgendwann betrat der junge Arzt von vorhin das Zimmer. "Sie sprechen ja wieder! Das freut mich!", strahlte er mich an. Ich stoppte um zu überlegen, was ich ihn fragen wollte und die Angst überkam mich. Was, wenn ich jetzt wieder nicht sprechen kann?
"Wie geht es Louis?" Gott sei Dank, es funktionierte. "Kann ich ihn sehen?"
"Tut mir Leid, Miss Meyer, aber Sie dürfen ihr Bett erst in zwei Tagen verlassen." Er sah mich etwas mitleidig an. "Aber es geht Mr. Tomlinson gut. Er ist auch wach und fragt stündlich nach Ihnen. Ihre Mum wird gleich noch einmal vorbei kommen." Damit verließ der Arzt mein Zimmer und meine Mutter betrat es kurz darauf.
"Mary! Wie geht es dir?" "Besser, Mum. Danke." Ich brachte ein Lächeln zu Stande und sie lächelte warm zurück. Ich hatte meine Mutter immer schon bewundert. Egal wie kritisch die Situation war, sie blieb ruhig und behielt immer einen kühlen Kopf.
"Hast du Louis gesehen?", fragte ich meine Mutter. Sie nickte. "Er ist ein toller Kerl, da hast du dir jemand Guten ausgesucht." Ich strahlte. Zum Glück war meine Mum einverstanden, dass ich mit Louis zusammen bin. Selbst wenn sie es nicht gut heißen würde, ich bin volljährig.

Und so zog sich der Tag noch in die Länge. Die Buchstaben in meinem Kopf kamen als Wörter aus meinem Mund und ich konnte mich an alles erinnern. Ich hatte auch, einfach um es auszuprobieren, versucht, auf einem Blatt Papier zu schreiben. Ich wusste zwar, wie die Wörter geschrieben werden, konnte sie aber nicht richtig aufschreiben. Ich sah die Wörter vor mir, wusste wie sie geschrieben werden, aber auf dem Papier war nur Gekritzel. Es war wie beim Sprechen vor einigen Stunden. Aber ich war fest entschlossen. Ich würde es wieder erlernen zu Schreiben. Der Arzt hatte weitere Male betont, dass es normal war, nach einer heftigen Gehirnerschütterung nicht schreiben zu können und das man es, mit einiger Arbeit, wieder erlernen konnte.

Meine Mum flog noch am selben Abend zurück nach Deutschland und ich blieb, was hatte ich auch für eine Wahl, in meinem steril weißen Krankenhausbett.

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Hey ihr Cuties! :)
Danke für 750 Reads, ihr coolen Leute ;)
Hab euch lieb :)
-L

Stylistin oder Seelsorge?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt