Teil 13: Rem

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Nachdem ich heimgekommen war, schlich ich mich erstmal in mein Zimmer, wo ich meine Tasche abstellte und mir ein anderes Shirt anzog. Meine Eltern mussten ja nicht sofort mitbekommen, dass ich mich wieder hatte zusammenschlagen lassen.

Daher versteckte ich das blutige Shirt auch unter meiner Bettdecke. Ich würde es später einweichen und hoffentlich das Blut rausbekommen. Darin war ich inzwischen ganz gut geworden. So gesehen lernte ich in der Schule also doch was fürs Leben.

Ja, okay, der Witz war schlecht gewesen, eigentlich miserabel, aber diese Art Galgenhumor half mir meistens, damit klar zu kommen.

Aber nicht jetzt. Bjartes wutverzerrtes Gesicht war mir noch immer viel zu klar vor Augen. Warum war er so ausgeflippt? Es war ja schließlich nicht so, als wäre er noch nie von jemanden besiegt worden und gegen eine Fuchsdämonin zu verlieren war nun wirklich keine Schande. War sein Ärger wirklich nur darüber, dass sie mir geholfen hatte? Ich hatte nicht das Gefühl, konnte mir aber keinen anderen Grund vorstellen.

Vielleicht lag es einfach daran, dass es um Lyra ging? Ich würde sie mal fragen, ob sie ihn von irgendwo her kannte, sie vielleicht mal besser ausgekommen waren. Aber unauffällig, ich wollte sie nicht mit einer solchen Belanglosigkeit beleidigen.

Seufzend ging ich ins Bad, um mir die Hände zu waschen, dann erst ging ich ins Esszimmer. "Bin wieder da.", murmelte ich meinem Vater zu, der am Tisch saß und in einem seiner Bücher irgendwas nachschlug. Vermutlich sollte er mal wieder einen besonders kniffligen Trank für einen seiner Kunden brauen und wollte auf Nummer sicher gehen. Das passierte oft.

"Gab es irgendwas interessantes in der Schule?", fragte er mich desinteressiert.

Naja, außer dass ich mal wieder von deiner Schwester angeschrien wurde, mich der Schularsch zusammengeschlagen hat, ich zum ersten Mal eine Freundin gefunden hatte, die dann zusätzlich auch noch meine Vertraute ist und eine Fuchsdämonin/heimliche Dolchherz?

"Nein, nicht wirklich. Alles wie immer.", antwortete ich unbestimmt, da es ihn vermutlich im Moment eh nicht interessierte. Mein Blick fiel wieder auf das Buch, in dem er blätterte. Ja, ich hatte recht gehabt: ein Buch über magische Kräuter, die man für Zaubertränke brauchte. Er hatte es selbst verfasst, doch das hinderte ihn nicht daran, es wie jedes andere Nachschlagewerk auch zu verwenden und dabei an der Suche zu verzweifeln. "Ein Nachschlagewerk, in dem man die Anordnung versteht wäre kein Gutes.", hatte er mal gescherzt, als Mum ihn darauf angesprochen hatte.

Aber dass er nun in diesem Buch blätterte, erinnerte mich auch daran, dass er eine Koryphäe auf dem Gebiet der Zaubertränke war, der selbst die Regierung Aufträge anvertraute. Eigentlich war es ja möglich, dass er etwas über den Trank wusste, den ich brauen wollte. Fragen könnte ich zumindest mal...

"Du, Dad?"

Er sah nicht auf, machte lediglich ein kurzes: "Mhmm"

"Weist du zufälliger Weise etwas über gefühlsbetäubende Tränke?"

Nun sah er doch auf, sah sogar ziemlich alarmiert aus, was man bei meinem gefassten Vater sehr, sehr selten sah. "Vielleicht... Warum fragst du denn?", fragte er mich mit zu Schlitzen verengten Augen zurück. Ich wand mich unter seinem Blick. Was sollte ich nun sagen? Die Wahrheit ging ja schlecht, aber ich war ein wirklich mieser Lügner.

Du würdest dich wundern, wie gut Leute lügen können. Ganz besonders die offenen, da man das von denen ja schließlich nicht erwartet, hallten mir Lyras Worte von zuvor wieder in den Ohren.

"Jetzt schau mich nicht so misstrauisch an! Du weißt, ich habe nichts zu verbergen.", sagte ich also nur und fügte schulterzuckend hinzu: "Ich habe da jemanden getroffen, der geäußert hat, dass sie ihre Gefühle lieber unterdrücken würde. Ich hab versprochen, mal zu schauen, ob ich da was machen kann..." Naja, zumindest so ähnlich... "Also, kannst du mir helfen?" Erwartungsvoll sah ich meinen Vater an.

Er seufzte, nickte dann aber dennoch. "Ja, ich kannte da auch mal jemanden. Ein nettes Mädchen, aber nicht sehr gesellig. Für sie habe ich auch so einen Trank gebraut, also könnte ich es dir vermutlich zeigen, wenn du willst...", gab er nach.

Erleichtert lächelte ich ihn an. "Wirklich? Das wäre super, danke, Dad!" Das war es wirklich. Damit wäre Lyras kleines Kontrollproblem gelöst und überhaupt war es schon ewig her, dass ich mit Dad gemeinsam einen Trank gebraut hatte. Ich schätze, da ich so wenig Talent vorzuweisen hatte, hatte er mich einfach irgendwann aufgegeben. Nagut, eigentlich waren es nur vier Jahre gewesen, aber trotzdem...

"Aber ich kann dir nichts versprechen. Vielleicht klappt es nicht, vielleicht reagiert sie auch gar nicht darauf. Es ist ein sehr heikler Zauber, und sehr kurzfristig.", warnte mein Vater mich. Ich nickte nur. Es war mir egal, ich war in der Lage, meiner Vertrauten zu helfen, das war unbezahlbar. Genauso wie die Möglichkeit, dass ich meine Freundin glücklich machen konnte. Gut, in diesem Fall war es eher, sie davon abhalten, glücklich zu sein, aber es ging ums Prinzip. Also war das nicht so wichtig, richtig?

Ich bedankte mich nochmal bei Dad, dann ging ich zurück in mein Zimmer, wo ich mit den Hausaufgaben begann. Mum schaute nach einer Weile rein, um mir die frische Wäsche zu bringen, die sie einfach aufs Bett legte. Dann wuschelte sie mir durch die Haare und sagte: "Wie schön, dass du so einen schönen Tag hattest." Überrascht drehte ich mich zu ihr um. Woher wusste sie das? "Na, so wie du grinst, kann es ja nur super gewesen sein.", lachte sie, als sie wieder ging

 Ich rollte nur genervt mit den Augen. Konnten alle Mütter Gedanken lesen, oder war das nur meine? Aber sie hatte ja recht, es war ein toller Tag gewesen. Sogar der beste, den ich seit einer Weile gehabt hatte. Ja, es war viel schief gelaufen und, ja, mir tat wiedermal alles weh und ich hatte auch etwas Angst vor der nächsten Begegnung mit Bjarte. Aber ich hatte Lyra kennen gelernt und das war das Beste, was mir seit langem passiert war, vermutlich sogar in meinem ganzen Leben.

Schon komisch, dass mir jetzt erst auffiel, wie glücklich ich wirklich darüber war. Und auch komisch, dass eine einzige Begegnung so einen Unterschied machen konnte, auch wenn er nur für mich persönlich überhaupt sichtbar war...

Die Dämonenspiele der DolchherzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt