Sie sah verdammt gut aus mit ihrem neuen Look. Vorher war sie auch schon das schönste Mädchen auf der Welt gewesen und nun war sie sogar noch umwerfender. Ich hatte es nicht für möglich gehalten, bis ich es mit eigenen Augen gesehen hatte. Aber es machte mich genauso traurig, wie es mein Herz schneller schlagen ließ. Es war sicher wegen diesem anderen Jungen, Rem...
Ich kann keinen Schoßhund gebrauchen, du Dummkopf!
Ihre Worte taten noch genauso weh, wie gestern, verzweifelten mich noch genauso. Ich konnte an nichts anderes denken, wenn ich in ihrer Nähe war. Allein ihr Geruch machte mich wahnsinnig, diese überraschend harmonische Mischung aus Ingwer, alten Büchern, Blumen und Kirsche, die perfekt zu ihr passte.
Sie hob ihren Blick, sodass ihre goldenen Augen meine trafen und plötzlich schien es, als würde die Zeit stehen bleiben. Mein ganzes Universum befand sich in diesem Gold, die fliederfarbenen Umrandungen waren die Grenze zu einer anderen Realität, und zwar einer, mit der ich nichts zu tun haben wollte.
Doch es dauerte viel zu kurz an, bevor sie sich wieder schnaubend ab wand. Es war wie ein Schlag ins Gesicht nur tausend mal schlimmer. Warum wollte sie mich nicht? Mein Kopf verstand zwar, dass die Möglichkeit bestand, da sie eine Füchsin war, aber mein Herz, meine Seele, sowie der Wolf in mir konnten es einfach nicht akzeptieren. Alles in mir schrie mich an, wieder zu ihr zu gehen, sie nochmal zu fragen, sie nochmal zu überzeugen zu versuchen. Aber ich wusste, dass sie mich nur wieder abweisen würde und das würde mich noch näher an den Rand des Wahnsinns treiben - und ich taumelte jetzt schon ihretwegen am Abgrund.
Der Unterricht begann bereits, doch ich bekam absolut nichts mit, nicht im geringsten. Hätte ich nicht gedankenverloren die Buchstaben von der Tafel auf mein Blatt übertragen, hätte ich später nicht mal das Stundenthema gekannt. Ich sah immer wieder zu ihr rüber, doch dies ignorierte sie geschickt. Vielleicht bemerkte sie es auch einfach nicht? Ich wusste wirklich nicht, was schlimmer wäre, aber beide Gedanken taten wirklich weh.
Nach dem Unterricht wurde sie von Rem abgeholt. Lachend ging sie mit ihm mit. Was fand sie nur an dem? Was hatte er, das ich nicht hatte?
Wütend auf mich selbst und die Welt rammte ich eine Faust in die Wand, was eine ziemliche Delle hinterließ. Seufzend sah ich mir den Schaden an. Wenn ich nicht aufpasste, würde ich mit meiner Wut noch überall in der Stadt solche Dellen verteilen.
***
Genervt saß ich bei meinem Rudel an der üblichen Stelle. Ich war dann doch noch ein paar Mal auf Lyra zugegangen, aber sie war jedes einzelne Mal davon weggegangen. Sie ging mir eindeutig aus dem Weg. Hasste sie mich wirklich so sehr?
Kaijel warf mir einen unsicheren Blick zu, sagte aber nichts. Auch die anderen Wölfe schienen meine Wut und Verzweiflung zu spüren, denn auch sie tauschten ängstliche Blicke und schienen unruhig. Doch ich war einfach nicht in der Lage, mich zu entspannen. Es ging nicht. Ständig passierte irgendwas und sofort dachte ich wieder an sie und an den genervten Blick, den sie scheinbar als einziges für mich übrig hatte. Fast so, als würde sie ein hartnäckiges Unkraut betrachten, das sich einfach nicht entfernen lassen will, dachte ich bitter.
"Alpha...?", sprach mich schließlich Alice an, eine der Omegas unseres Rudels und eigentlich sehr zurückhaltend. Jedoch konnte ich nur bedrohlich knurren, mein gesunder Verstand hatte ausgesetzt und ich musste meinen Frust einfach irgendwie rauslassen. "Nenn mich nicht so, ich bin nicht der Alpha! Das ist mein Vater, ich habe nicht übernommen, falls dir das entgangen sein sollte.", zischte ich, woraufhin sie ängstlich zusammenzuckte.
Omegas, die schwächste Art von Werwölfen und jämmerlich ängstlich auch noch! Moment, was dachte ich denn da? Das war doch so gar nicht meine Art. Es war mir doch sonst egal, welche Position jemand hatte, solange er nicht respektlos wurde.
Resigniert rieb ich mir die Schläfen. So weit war es also schon. Ich fragte mich, wie lange es wohl noch dauern würde, bis ich meinen Verstand vollends verlor?
Ein hellblondes Mädchen ging an uns vorbei. So helle Haare, fast so hell wie Lyras, aber nicht ganz so schön. Lyras Haar, das eigentlich mehr flüssiges Silber zu sein schien. Ob es sich wohl so kühl und glatt anfühlte, wie es aussah?
Ich schüttelte den Kopf, um den Gedanken wieder los zu werden. Lange dauerte es jedenfalls nicht mehr, bis ich komplett durchdrehte.
Vielleicht sollte ich einige Tage zuhause bleiben, Abstand gewinnen? Vater würde es sicher verstehen, immerhin hing hier die Zukunft unseres Rudels auf dem Spiel. Sollte ich nämlich nicht über Lyra hinweg kommen, wäre ich auch nicht in der Lage, jemand anderes als die Luna auszuwählen, und dann war das Rudel ganz sicher verloren. Und einen wahnsinnigen, durchgehend wütenden Alpha konnte das Rudel auch nicht gebrauchen.
Ja, ich würde später mal mit Dad reden. Umbringen würde es mich jedenfalls nicht, wovon ich mir bei dem, was hier war, nicht ganz sicher sein konnte. Als ich merkte, dass meine Rudelmitglieder mich noch immer anstarrten, seufzte ich und murmelte eine Entschuldigung. "Ich denke, ich sollte dann mal besser gehen. Sonst werde ich hier noch verrückt.", gab ich mit einem schwachen Lächeln von mir und stand auf, um zum Unterricht zu gehen.
Ich konnte ihre Blicke noch auf meinem Rücken spüren, bevor ich um die Ecke bog, und vermutlich redeten sie gleich danach über mich. Jetzt war ich also der verrückte Alpha mit Aggressionsproblemen.
Naja, zumindest mein Ruf konnte kaum noch schlechter werden...
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Die Dämonenspiele der Dolchherzen
FantasíaLyra ist neu in Featherfield, einer Stadt nur für nicht-Menschen. Davor hat sie in der Welt der Menschen gelebt, hat sich wie ein Mensch verhalten, hat so getan, als sei sie ein Mensch. Eine schwere Aufgabe, wenn man Fuchsohren auf dem Kopf hat... ...