Teil 19: Lyra

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Später an diesem Tag saßen Rem und ich in der Mensa, ich mit einer Fischsuppe, er mit einem Salat. Zweifelnd sah er auf meine Schüssel.

"Wie kannst du das nur essen?", fragte er, woraufhin ich schulterzuckend antwortete: "Füchse sind Fleischfresser, und Fisch ist besonders weit oben. Vermutlich deshalb."

"Trotzdem. Es riecht wie eine Kloake und sieht aus wie der Mageninhalt eines Waals.", meinte er mit krausgezogener Nase.

Ich rollte bloß mit den Augen. "Wow. Danke für diese appetitlichen Vergleiche, wirklich." Doch dabei musste ich lächeln und er auch.  In dem Moment fiel es mir dann auf. Sofort legte sich ein Schatten über mein Gesicht.

"Wo hast du diese Schramme her?", fragte ich. Rem antwortete nicht, war auffällig stark mit seinem Salat beschäftigt.

"Rem, woher ist diese Schramme auf deiner Wange?", fragte ich erneut, diesmal mit Nachdruck. Er sah mich noch immer nicht an, murmelte nun jedoch etwas davon, dass er gestürzt sei. Für diese absolut offensichtliche Ausrede hatte ich bloß ein verächtliches Schnauben übrig, immerhin war ich nicht so naiv.

"Doch, so war es. Wirklich...", murmelte er weiter, doch in seinem Gesicht stand geschrieben, dass das nicht stimmte.

"Rem! Hör zu, ich will dir doch bloß helfen. War es wieder Bjarte? Haben er uns seine Kumpels dich wieder schikaniert?" Er schüttelte leicht den Kopf, sah mich immer noch nicht an. Es war nicht die ganze Geschichte, aber ich hatte ins Schwarze getroffen, das sah ich in seinem Blick. Die Ironie war, ich sah es, eben weil er mir so offensichtlich nicht in die Augen sehen konnte.

"Äm... H-Heute ist der Termin im Ministerium, oder? Bist du schon aufgeregt?", fragte er, unübersehbar bloß, um vom Thema abzulenken. Er hatte wohl gehofft, das würde meine Aufmerksamkeit fürs erste in Anspruch nehmen, denn es war immerhin sehr wichtig.

Ich hatte Rem natürlich jene Internetseite gezeigt, auf der auch ich es erfahren hatte, immerhin war er ja mein bester - und eigentlich auch einziger - Freund, und dazu auch noch einer meiner Gefährten. Rem hatte ebenso reagiert wie ich, nur war er nicht ganz so überrascht. Es hätte einige Hinweise darauf gegeben und eigentlich hätte er von selbst darauf kommen können, hatte er gemeint, nachdem er seine Sprache wiedergefunden hatte. Sein Gesicht hatte nichts des zu trotz puren Schock gezeigt, außerdem hatte er etwas gestottert.

Selbstverständlich hatte ich ihm auch von dem Treffen beim Ministerium erzählt, bei dem ich die ganze Angelegenheit zu klären hoffte. Nach dem ersten Schock darüber, dass meine Eltern mir das nicht erzählt hatten, hatte ich den Termin sofort ausgemacht, da es doch sehr wichtig war und schnell geklärt werden musste. Wenn ich das nicht tat und nur vor mich herschob, würde es auch nicht besser, sondern vermutlich nur schlimmer werden.

"Ja, der Termin ist heute, aber lenk nicht vom Thema ab. Wer ist dafür verantwortlich, dass du diese Schramme da an der Wange hast?", fragte ich ihn unbeirrt weiter und bevor er wieder auf seine dämliche Ausrede zurück fallen konnte, fügte ich hinzu: "Und komm mir ja nicht wieder damit, dass du gefallen bist. Diese Wunde daneben hat ganz eindeutig die Form einer Faust!"

"Vielleicht ist es ja noch von vorher? Du weißt schon, von da, als wir uns kennen gelernt haben?", versuchte er es nun. Also zumindest improvisieren konnte er, wenn das auch nicht viel besser als seine vorherige Ausrede war.

Ich beugte mich zu ihm, nahm sein Kinn in die Hand und zwang ihn so, mir in die Augen zu sehen. "Zuerst einmal ist das viel zu lange her, das wäre schon längst verheilt, die Wunde da ist noch ganz frisch. Und überhaupt war das vorhin noch nicht da, also muss etwas passiert sein in der Zeit, in der ich dich nicht gesehen habe. Das war nur die Doppelstunde grade eben, also was war da los? Ich will die Wahrheit hören, verkauf mich bloß nicht für dumm!"

"Ach, es war nichts weiter. Ich hab im praktischen Magieunterricht wieder Mist gebaut und das Ergebnis hat zwei aus dem Sportklub getroffen, deshalb haben sie... sich mit mir unterhalten. Es war keine große Sache, wirklich.", seufzte er nun mit rot gefärbten Wangen. Es schien ihm tatsächlich mehr auszumachen, dass er seinen Zauber verbockt hatte, als dass er geschlagen worden war.

"Aha. Und hattest du in letzter Zeit öfter solche "Unterhaltungen", ohne dass du mir davon erzählt hast?", hackte ich weiter nach. Er antwortete nicht, doch dank seinem Blick war das auch nicht nötig. "Und warum hast du mir nie etwas davon erzählt?"

"Naja, ich wollte dich damit nicht nerven. Ich komm schon klar, war ja bisher auch nicht anders."

"Warum tust du dann nichts dagegen? Du wehrst dich ja nicht mal mehr!"

"Was soll ich denn bitte groß tun, hm? Hier zählt nur Magie und die ist für mich mehr als nur unerreichbar. Mein einziges Ass im Ärmel wäre, dass du meine Vertraute bist, aber... Ich will das nicht ausnutzen, weißt du? Und ich kann es ja auch nicht einfach so rum erzählen."

"Warum?"

"Was?"

"Warum kannst du das nicht "einfach so rum erzählen"?"

"Na, weil... Ach, sein wir doch mal ehrlich: Mich als Gefährten zu haben, ist wirklich nichts, auf das man stolz sein sollte."

Ich sah ihn entsetzt an. Das meinte er wirklich ernst. Für wie minderwertig hielt er sich denn bitte? Ärgerlich mit der Zunge schnalzend ließ ich ihn wieder los, woraufhin er betroffen zu Boden sah. Hatte er jetzt Angst, dass ich ihm zustimmte und einfach abhaute, oder was? Ich konnte nur den Kopf schütteln über seine Dummheit. Also echt!

"Ich bin stolz darauf, Rem. Und wenn es hilft, damit dich diese Ärsche in Ruhe lassen, dann, bitte, benutz' mich als Drohung! Ich will sogar, dass du das hier so gut es geht ausnutzt, zumindest was das angeht.", sagte ich zu ihm, was den Schmerz in seinen Augen nur noch größer werden ließ.

"Du... Du bist noch nicht lange hier. Nach ein paar Jahren oder vielleicht auch ein paar Monaten wirst du es auch so sehen, und wenn dann jemand darüber bescheid weißt, ist es dir peinlich.", prophezeite er mir verzweifelt. Mit einem ärgerlichen "Idiot" stand ich auf. Ängstlich sah er mich an. "L-Lyra? Was tust du?"

Tot ernst drehte ich mich zu ihm um. "Na, ich zeige dir, wie peinlich es mir sein wird.", entgegnete ich. Bevor er darauf reagieren konnte, hob ich auch schon meine rechte Hand und ließ einen großen, zischenden Strahl blaues Feuer darauf emporschießen.

Die Dämonenspiele der DolchherzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt