Kapitel 11

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And the story goes on...

×××

Ich schwieg ihn an.
Und er mich.
Unsere Geister weilten gegenüber von einander.
Ich sah auf seine Beine.
Er sah auf das Wasser.
Und wir sprachen nicht, bis wir Steg 4 erreicht hatten und die Kisten an Land trugen.

Erst dann nuschelte er irgendwas davon, dass das Haus gleich hier um die Ecke wäre. Erst dann ging er voraus, erst dann wirkte er auf mich so streng und abweisend. Wahrscheinlich war er das auch. Streng und abweisend, da er es aufgab, mir helfen zu wollen. Verständlich, wenn ich genauer drüber nachdenke.

Er blickte nicht mal zurück, als ich stolperte und beinahe zu Boden fiel. Es interessierte ihn nicht mehr. Er dachte bloß daran, unsere Aufgabe zu erfüllen und dann zu verschwinden.

Als wir dann das Haus erreicht hatten, ich die farbigen Gardinen schon seltsam fand, klopfte Tj an die Tür. Drei Mal. Seine Faust machte diese dämpfenden Geräusche, die mir noch immer in meinen Ohren sitzen als wäre es erst gestern gewesen. Er hatte diese blasse Haut, die ich auch im Dunkeln noch erkennen konnte, und seine Knöchel stachen noch weißer aus ihr hervor. Ich dachte darüber nach, erneut mit ihm zu sprechen, aber gab es auf.

Er wollte sich eh nicht mehr mit mir unterhalten, wieso sollte ich es also versuchen?

Von Innen waren Schritte zu hören und dann schaute ganz plötzlich eine kleine Frau durch das Fenster neben uns. Ihre hellen Augen machten mir Angst. Sie trug ihre Haare in einer eigenartigen Frisur und öffnete die quietschende Tür langsam, sodass ich noch mehr Angst bekam. Ich hätte mich am liebsten hinter Tj versteckt, doch konnte mich gleichzeitig nicht vom Fleck bewegen.

"Die Kisten", sprach sie mit einer hellen, bebenden Stimme, die über unser Eintreffen erfreut klang. Ihre Hände wollten sofort nach meiner Kiste ausholen, da drehte ich meinen Körper von ihrem weg.

"Erst die Bezahlung.", ließ ich sie wissen. Für Tj muss es geklungen haben, als wäre ich wirklich die Diebin, die um ihren Lohn kämpfte.

Dabei war alles, was ich je wollte, die Menschen vor Walter beschützen, die ich liebte. Das riss mich in den Ruin. Dass riss mich in meinen Untergang, der mehr Opfer mit sich nahm, als ich immer gehofft hatte. Ich enttäuschte wahrscheinlich jeden Menschen, dem ich etwas bedeutete.

Die seltsame Frau holte etwas aus ihrem Haus, dann deutete sie mir, die Kiste abzustellen, zog eine Augenbraue hoch und warf mir ein Säckchen entgegen, aus dem ein hörbares Klimpern kam. Sie blickte zu Tj, bei dem sie dasselbe tat. Die Kisten zerrte sie nur Minuten, nachdem wir uns wieder von ihrem Haus entfernt hatten, in die Schwärze des Inneren hinein. Sie ächzte dabei, aber das war nun mal nicht unser Problem.

Unser Problem kam erst noch...

Denn als wir mit unserer Bezahlung in den Händen schweigsam durch die Gassen liefen, hörten wir Stimmen, die uns immer näher kamen. Natürlich dachten wir uns anfangs nicht dabei, bis in mir Alarmglocken losgingen.

"Sie können noch nicht verschollen sein, Dieter! Die Mörder müssen irgendwo sein!"

"Es sind P-", ich konnte meinen Satz nicht beenden, da kamen uns die beiden Männer vom Anfang in die Quere.

Sie blockierten unseren Weg. Unsere Gasse, durch die wir gingen. Und wir blieben sofort stehen, schauten die Männer ratlos an, hatten sogar unsere Masken noch auf und wirkten damit verdächtiger als eh und je.

RENN!

Instinktiv nahm ich meine Beine in die Hand, drehte um und rannte davon. Ich bin mir sicher, dass mein Kleid dabei eine unglaubliche Umdrehung machte, die bei einem Tanz bestimmt schön ausgesehen hätte. Doch mit dem Blut an meinen Händen und Armen, mit meinen vollgesogenen Ärmeln und den Verletzungen sah ich aus wie ein Serienmörder. Meine Haare flogen mir noch hinterher, da rannte ich so schnell ich konnte durch die ganzen Gassen, kam mir vor wie in einem Labyrinth. Ich dachte an die ganzen Male, in denen ich auf den Baum der Wiese bei mir Zuhause geklettert war, und fühlte mich wie ein Affe, der aus einem Zirkus entflohen war.

1896Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt