Kapitel 17

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And the story continues...💘

×××

Am frühen Abend gingen Thaddeus und ich durch die kleinsten, unbewohntesten Straßen von Steinau, um zu der Feier zu gelangen, von der er mir erzählt hatte. Ich freute mich, gleichzeitig fragte ich mich jedoch, was geschehen würde.
Wer dort herumlaufen würde.
Abgesehen von den Elstern, von denen ich noch immer annahm, sie würden jeden dort ausnehmen wie eine Weihnachtsgans.

Ich mochte das Gefühl von meinen neuen Haaren, da nun endlich ein leichter Windzug an meinen Nacken vorbeiziehen konnte. Ich konnte endlich die Kühle spüren, die auch meine Beine hinauf kroch. Mein kleiner Körper war von einem Umhang umgeben, den er mir einige Tage zuvor mitgebracht hatte. So einen, wie ich auch besaß. Bei mir Zuhause. Kurz hatte ich angezweifelt, dass es nicht derselbe war, aber Thaddeus schwor mir, dass es nicht meiner war. Er schwor, dieser Umhang wäre das Beste von dem Besten auf dem gesamten Markt und jede Frau wäre neidisch auf mich mit diesem Schmuckstück in meinem Besitz.

Wir gingen an verschiedenen Feldern vorbei, in denen ich meine Freiheit sah. Bei jedem neuen Feld sah ich ein neues Stückchen Horizont, auch wenn es eilig dunkel und schwarz draußen wurde. Aus der Ferne konnten wir Stimmen und Musik hören. Warme Lichter glimmten uns wie kleine Kugeln entgegen, doch meine Augen suchten bloß diesen schwarzen Streifen Horizont am Ende jedes Feldes am Rande von Steinau.

Meine Arme fröstelten ein wenig, der Wind löste eine Gänsehaut aus, doch mein Herz erwärmte sich bei dem Gedanken daran, dass da eine so große und weite Welt außerhalb von Steinau auf uns alle warten könnte. Und wir verschwendeten unsere Zeit in dem Sumpf der sich Kriminalität nennt.

Schon bald spürte ich seine Hand auf meinem Rücken. Ich war stehen geblieben, um in die Leere des Abends zu starren und mir meine Gedanken zu machen, und er sah mir dabei kommentarlos zu, was unüblich für Thaddeus war. Tj machte sonst ständig einen Kommentar oder eine Anmerkung über meine Aussagen oder Taten, doch in den vielen Tagen, an denen er mich besuchte und versteckt hielt, verschwand dieser Drang bei ihm ganz plötzlich.

Ich neigte meinen Kopf nach links in seine Richtung. Einfach, um in seine Augen schauen zu können, die in der Schwärze des Abends ebenso dunkel und leblos wurden. Wie Knöpfe, die in den Höhlen seines Schädels saßen. Sein Gesicht versank ebenfalls in Dunkelheit, ich konnte bloß seinen Schatten erkennen, doch das reichte mir. Ich musste ihn nicht sehen, um zu wissen, dass er bei mir und ich nicht alleine war.

Seine Hand auf meinem Rücken war ganz warm. Sie erhitzte meinen Körper und brannte sich durch den Stoff des schönen Kleides und Umhangs hindurch. Ich mochte seine Hände. Sie waren immer warm und konnten die meine behutsam umhüllen. Wie ein samtiger Handschuh.

"Woran denkst du?"

Ich lachte, konnte nur ein leises Lachen aus meiner Kehle hinaus lassen.

Woran ich dachte?

Ich dachte an nichts. Ich dachte an das große Nichts mit all seinen Facetten und Brüchen. Ich dachte an die Zukunft. Was wir hätten erreichen können und was wir noch erreichen könnten. Doch wir saßen in diesem bedeutungslosen Dorf fest, in dem nicht nur die meisten Häuser, sondern auch die meisten Herzen der Menschen aus Stein waren.
Steinau - das Dorf der Herzen aus Stein.

Genau daran dachte ich.
Daran, wie alles irgendwann in sich zusammenfallen und die Häuser zu Ruinen würden und wir dann wohl unter dem Schutt ersticken müssten.
Daran, dass dieser Moment, in dem ich mich befand, mit ihm neben mir, sich schon morgen wie eine Erinnerung anfühlen und in einem Monat verkommen sein würde.
Ich dachte daran, dass es doch nicht wahr sein konnte, dass eine gute Zukunft in diesem Teufelskreis so klein und beschränkt war, dass sie sich wie ein Funke eines Feuers anfühlte, der zum Schluss auf dem Boden erlischt.

1896Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt