In der Nacht hatte ich Angst.
Am Abend hatte ich Angst.
Am Fluss. Um 9. Steg 4.Das ging mir durch meinen Kopf, den ganzen Abend lang, den ganzen Tag lang, immer, bis ich am Fluss war.
Aber zuvor musste ich mich wieder aus dem Haus schleichen. Zuvor musste ich feststellen, dass Molly nachts fester schlief als ich immer gedacht hatte. Molly ließ sich durch mich nicht beirren, wie ich über den Hof schlich und mein schwarzes Kleid sich der Dunkelheit anpasste. Ich hatte mir auch eine neue Maske gefertigt, aus schwarzem Stoff mit zwei Löchern drinnen. Ich hatte sie mir vorläufig um mein Handgelenk gebunden.
Am Kieselsteinweg, entlang der Hauswand, lief ich auf leisen Sohlen, denn meine Eltern schliefen in einem Zimmer, das zur anderen Seite hinaus lag. Mit den Fenstern zum Kieselsteinweg. Und ich hatte immer Herzklopfen, wenn ich mich aus dem Haus schlich und an ihren Fenstern vorbei musste.
Ich könnte jetzt erzählen, was ein Nervenkitzel es war, mich raus zu schleichen, doch es wurde für mich nach kurzer Zeit zur Gewohnheit. Ich wurde gekonnter darin.Und so konnte ich auch ziemlich schnell entkommen. Ziemlich schnell das Weite suchen und ohne irgendeine Bewaffnung meiner Aufgabe entgegen treten. Einer Aufgabe, die ich einerseits meiden, doch andrerseits sie auch tun wollte. Ich fühlte Spannung. Ich fühle mich einfach lebendig. Und diese Lebendigkeit, die durch meine Adern floss, brachte mich in die Gassen, die zum Fluss führten.
Ich huschte durch einzelne, die sich in andere Gassen verzweigten, und schaute geradewegs in die Dunkelheit, sah den Fluss schon am Ende des Weges fließen und leise rauschen, da griff eine Hand nach meinem Arm und zog mich in wiederum eine Gasse, die an meiner mündete. Eine Art Seitenstraße also, die nicht wirklich eine Seitenstraße war.
Ich quiekte, hätte geschrien, hätte sich nicht eine große Hand auf meinen Mund gelegt und mir meinen Ton abgeschnitten. Ich hätte bestimmt geschrien, alle Menschen im Umfeld geweckt und bestimmt auch meine Eltern erreicht, die nicht weit von dort wohnten.
"Bist du von allen guten Geistern verlassen worden?", zischte mir eine Stimme entgegen, die ich direkt Tj zuordnen konnte. Sie war unverkennbar. Ich wusste direkt, dass er mich anschaute, als wäre ich in Wirklichkeit von allen guten Geistern verlassen worden.
Man könnte sagen, dass ich nicht seine gute Hälfte war. Ich war selten seine gute Hälfte. Er selbst war hauptsächlich seine gute Hälfte. Ich war die schlechte Hälfte. Ich wurde zu der schlechten. Wir glichen uns auf eine komische Weise aus.
"Was ist los mit dir?!", giftete er mich trotzdem weiterhin an, ohne mir eine Chance zu geben, zu sprechen. Ohne mir eine Chance zu geben, mich zu äußern. Ich machte zwar Geräusche, quiekte, was auch immer, doch er ließ mich nicht reden. "Ich warne dich, ich sage dir, du sollst dich fernhalten, du sollst weglaufen, dich retten, du sollst von hier verschwinden und alles zurücklassen! Ich sage dir, dass Walter dein Untergang sein wird, dass er dich zerstört so wie er uns zerstört und du?! Du befolgst seine Anweisungen und kommst her?! Du willst das, was er will, echt mit mir durchziehen?! Bist du krank?"
Ich hielt seine Handgelenke umklammert, rüttelte an ihnen, damit er von mir ab ließ und seine Hand von meinem Mund, als auch die andere von der Wand neben meinem Kopf nahm. Doch er schaute mich unbeeindruckt an, bis er dann entschied meinem Wunsch zu folgen. Er nahm seine Hände weg, ich holte tief Luft und schubste ihn einige Meter nach hinten.
"Was fällt dir ein!", rief ich leise. Ich schubste ihn wieder, sodass sein Rücken gegen die gegenüber liegende Wand prallte. Erst dann bemerkte ich den Ausstoß eines Zischens vor Schmerzen, die er gehabt haben muss, als sein Rücken und Hinterkopf mit der Wand in Kontakt kam. Zudem hatte ich auch nicht bemerkt, dass er noch immer nicht richtig auftreten konnte.

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1896
FanfictionDas 19. Jahrhundert scheint in den Augen von Evangeline nicht wirklich besonders zu sein. Sie verbringt ihre Tage auf dem Markt mit ihren Eltern, findet ihr Leben langweilig und hat für die Jungs aus dem Dorf, die sie am Stand besuchen, nicht viel ü...