Vergangene Vertraute

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Kapitel 6

Sie musste zu Kräften kommen und das würde mit diesen Blutkonserven nicht gerade schnell passieren. Janiyana wusste, wessen Blut sie trinken musste, um wieder optimal denken und handeln zu können, aber alleine bei der Vorstellung ihre Lippen auf Eriks Halsschlagader zu legen und von ihm zu trinken, wurde ihr ganzer Körper unruhig. Sie spürte wie Hitzewellen durch ihren Körper schwemmten und sich an Orten sammelten, die davon absolut unberührt bleiben sollte. Sexuelle Erregung zu verspüren schien für normale Sterbliche und auch Unsterbliche legitim zu sein, aber nicht für sie. Sie war keine Sterbliche, war nie eine gewesen und hatte nie das Bedürfnis gehabt, sich auf diese Weise mit einem Mann zu vereinigen.

Bis auf ein einziges mal, was so viele Erdenjahre her war, dass sie sich kaum noch daran erinnern konnte. Es war ein erniedrigender Augenblick gewesen und das Wesen, welches das in ihr ausgelöst hatte, war zu dem Albtraum geworden, der sie bis heute heimsuchte. Und wenn sie eines nicht wollte, dann war es, eine solche Erfahrung noch einmal zu machen. Deswegen waren diese Gefühle in Bezug auf Erik mehr als inakzeptabel. Warum also hatte sie ihn nicht zurechtgewiesen, als er sie auf diese forsche, intime Weise berührt hatte? Sie wusste es selbst nicht und fragte sich, ob ihr Geist die Gefangenschaft tatsächlich so unbeschadet überstanden hatte, wie sie es sich seit Stunden weiß machen wollte.

Die Sonne ging auf und während Janiyana dabei zusah, wie das dunkle blau sich in Violett- und Rottöne verwandelte, wurde ihr wirklich bewusst, dass sie wieder frei war.

Naja, zumindest so frei wie man eben sein konnte, wenn man von sexuellen Begierden heimgesucht wurde.

„Wie empfindlich reagierst du auf die Sonne?"

Die Unsterblichen verbrannten zwar nicht in der Sonne, wurden jedoch stark geschwächt. Aber wie bereits erwähnt, war sie keine einfache Unsterbliche. Nicht so wie er.

„Gar nicht, doch mir gefällt die Nacht besser. Und ich schätze das grelle Licht nicht." Mit diesen Worten ließ sie die dicken und Lichtundurchlässigen Vorhänge wieder zusammenfallen und ergab sich dem sanften Schein des Kaminfeuers in ihren Schlafgemächern. Sie würde mehr als üblich schlafen müssen, um ihren Verstand zu regenerieren und vor allem musste sie dafür etwas zu sich nehmen, was etwas gehaltvoller als das Blut Sterblicher war. Noch so etwas was sie von anderen Unsterblichen unterschied, für die das Blut ihrer Artgenossen außerhalb des Verwandlungsprozesses unverträglich war. Deswegen erst hatten sie und ihre Brüder die Unsterblichen erschaffen. Sie hatten einfach Hunger.

„Brauchst du noch etwas, bevor du dich ausruhst?", fragte er und weil sie unfähig war ihn dabei anzusehen und wegzuschicken, während ihr Hunger bereits wieder das Monster in ihr weckte, schüttelte sie nur den Kopf. Nicht von Erik, niemals von Erik – es würde zu viel in ihr verändern.

Aber sie konnte auch nicht riskieren wieder durchzudrehen.

„Moment", hielt sie ihn auf, als er den Raum verlassen wollte.

„Ich brauche Blut." Er sprach seine Verwunderung nicht offen aus. Er selbst brauchte mit dem Alter immer weniger Blut und selbst kurz nach seiner Verwandlung hatte er nicht so viel getrunken, wie sie jetzt.

„Das ernährt dich nicht." Wohl wahr.

„Was soll ich machen? Wenn ich es richtig verstanden habe mit deiner Aussage über Rache, hast du die Einzigen von denen ich getrunken habe getötet." Was sie ihm zwar glaubte, sich aber nicht wirklich erklären konnte. Erik war zu jung und zu schwach gewesen, um ihnen auch nur gefährlich werden zu können. Wie hatte er Unsterbliche umbringen können, die hunderte von Jahren älter gewesen waren als er?

„Trauerst du um sie?" Die Verachtung in Eriks Stimme, unterlegt von der tiefen Eifersucht, war unüberhörbar. Einen solchen Ton sollte sie nicht dulden, doch aus unerfindlichen Gründen gefiel es ihr, dass er nicht bereit war sie zu teilen. Auf seine Frage jedoch wusste sie keine Antwort.

„Ich bin mir nicht sicher. Ich kann sie nicht hassen, auch wenn ich sie wahrscheinlich grausam getötet hätte, wenn ich ihnen hätte habhaft werden können. Ich hätte gerne verstanden, warum sie es getan haben." Erik schnaufte abfällig.

„Yasir hat es wegen den Reichtümern getan, die du ihm verwehrt hast. Er war so unglaublich arrogant zu glauben, dass ihm mehr zugestanden hätte, als der Luxus den du ihm gegeben hast. Poul war einfach nur eifersüchtig." Während seiner Erklärung drehte sie sich zu ihm um, sah ihn die schonungslose Wahrheit präsentieren. „Er sagte vor seinem Tod, dass er dich lieben würde, dass er es nicht ertrage dich teilen zu müssen – und er war deine Keuschheit leid. Der Gedanke, dass er wahrscheinlich früher oder später ersetzt werden würde, hat ihm dann den Rest gegeben. Er starb noch am selben Tag."

Es tat weh. Es tat unglaublich weh zu hören, was sie längst gewusst hatte und sie war nicht dazu in der Lage den Schmerz zu verbergen, den es ihr zufügte. Sie atmete viel zu schnell und die Tränen die in ihren Augen brannten, waren schwer zurück zu halten. Erik kam mit langen Schritten auf sie zu und tat etwas, was noch nie jemand bei ihr getan hatte. Er schlang seine kräftigen Arme um sie, schloss sie in seine Wärme ein und drückte sie tröstend an sich. Sie hatte sich nie nach einer Umarmung gesehnt, doch in diesen Augenblick wollte sie für immer hier blieben. Umhüllt von seiner Kraft, seinem Geruch und ihr wurde klar, dass sie es für immer würde behalten können, wenn sie es nur wollte. Doch diesmal würde sie nicht den Fehler machen, den sie mit Poul gemacht hatte.

„Ich wusste es", flüsterte sie an seine Brust, ihr gefielen die harten Muskeln unter ihrer Wange.

„Er sagte, dass er so nicht weiter machen könne, also sagte ich ihm, er müsse gehen. Das hat ihn furchtbar wütend gemacht. Ich wusste, dass er es nicht auf sich beruhen lassen konnte, doch hätte nie geglaubt, dass er mit das antun könne, er hat ständig gesagt, dass er mich liebt."

Sie spürte wie Erik den Kopf schüttelte.

„Er liebte dich nicht, wenn man jemanden liebt, tut man ihm das nicht an. Er war ein arroganter Mistkerl, der einfach etwas wollte, dass er nicht haben konnte." Sie lächelte an seinem Hemd, drückte ihre Hand gegen seine Bauchmuskeln und stieß sich leicht von ihm ab. Er ließ es zu.

„Was ist mit dir? Was wirst du tun, wenn du etwas willst, was du nicht haben kannst?" Erik grinste wie ein Mann der wusste, dass er gewinnen würde. Und dann war da wieder dieser Glanz in seinen Augen, jetzt länger als vorhin. Ein sanfter silberner Glanz der da nicht hingehörte.

„Dasselbe, was ich seit über zweitausend Jahre mache: Ich mache mich unersetzbar und töten jeden und alles was meine Stellung bedroht." Das war schockierend ehrlich und so sehr Janiyana es auch eigentlich nicht wollte. Seine Worte gefielen ihr. Sie lächelte zumindest so lange, bis er ihren Arm berührte, seine Finger über ihre Haut gleiten ließ, bis er an ihrem Schlüsselbein ankam und dann weiter sprach.

„Deswegen wirst du dich auch mit meinem Blut zufrieden geben müssen." Das war nichts, was er ihr wirklich vorschreiben konnte, das wussten sie beide. Doch darum ging es nicht, er durfte keine falschen Vorstellungen bekommen.

„Das geht nicht."

„Wieso?", fragte er ohne seine Berührung zu unterbrechen, was ihr eine Gänsehaut bescherte und ihr kurz den Atem stocken ließ.

„Das ist für euch eine sehr erotische Erfahrung." Er lächelte, trat wieder näher. Seine Hand glitt hinab, streifte wie zufällig eine ihrer harten Brustspitze. Für die nicht er verantwortlich war – ihr war einfach nur kalt.

„Und?" Seine Stimme war leise geworden, der tiefe Bass war die reinste Versuchung, niemand konnte ihr vorwerfen, dass sie darauf reagierte.

„Für mich nicht, Erik. Ich habe solche Bedürfnisse nicht, die hatte ich nie."

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Verlorene Zeit - Dark Immortals Bd.1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt