getrennte Wege

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Kapitel 45
Erik sah, wie Kelly an ihren Haaren herumzog und über ihre leuchtende Haut rieb, als hätte sie dort einen unerwünschten Fleck. Als sie endlich damit aufgehört hatte und zu akzeptieren schien, wie sie jetzt aussah, drehte sie sich direkt zu ihm.
Ihre Augen waren faszinierend. Schön, merkwürdig und allwissend. Das war gruselig. Sie wirkte alt, zu alt für eine Vampirin die erst wenige Jahrzehnte auf der Welt war und dann verging ihm das Lächeln. Er hatte sie doch verloren.
„Du wirst gehen, hab ich recht?", fragte Erik ohne eine Emotion in seiner dunklen Stimme. Kelly öffnete die Lippen, um etwas zu sagen, entschloss sich aber anders und schloss ihn dann einfach wieder.
Das war Antwort genug. Natürlich konnte sie nicht bei ihm bleiben. Sie war nicht länger sein Schützling, nicht wenn sie so mächtig war, wie es schien.
„Du musst auf dich aufpassen, ja?", meinte Kelly dann wieder trocken und sah ihn fast flehentlich an. Instinktiv streckte Erik seine mentalen Fühler nach ihr aus. Das schwarze Etwas kroch durch das Band bis zu ihr und wollte sich beschützerisch um die goldene Kuppel in ihrem Geist legen. Doch dann zog es sich unverrichteter Dinge zurück.
Sie musste gehen. Diese Macht hatte eine Aufgabe auf diesen Planeten und auch wenn Erik nicht wusste woher, wusste er doch, dass es wichtig war sie gehen zu lassen.
„Wenn du jemals meine Hilfe brauchst, werde ich da sein." Kelly weinte wieder, eine weitere Träne huschte über ihre Wange und im Bruchteil einer Sekunde war sie bei ihm, hatte ihre dünnen Arme um seinen mächtigen Brustkorb gelegt und drückte sich an ihn. Ein Kind, das ihren Vater festhielt.
„Ich liebe dich", meinte sie. Erik drückte ihr einen Kuss auf dieses einmalige schöne Haar.
„Ich liebe dich auch", wisperte er ihr zu und nahm dann ihr Gesicht in beide Hände.
„Nimm Memphis mit, er wird dich beschützen." Kelly sah ihn verwirrt an, ohne ihn tatsächlich loslassen zu wollen.
„Ich verstehe nicht genau, was diese Macht von mir will, aber ich spüre, dass es wichtig ist. Für uns alle." Ja. Das wusste Erik. Als seine Energie sich diesem Gold genähert hatte, hatte er dasselbe gespürt, deswegen hatte er es gewusst und auch sein schwarzes Etwas sagte ihm deutlich, dass er sie gehen lassen musste. Denn sie war wichtig. Das Schicksal hatte ihr eine Aufgabe übertragen.
„Wenn der Kongress dir Probleme macht, kommst du zu mir." Das war keine Bitte, sondern ein Befehl ihres Erschaffers. Janiyanas Verschwinden, hatte die Geschwister dazu gebracht sich zurückzuziehen und der Welt sich selbst zu überlassen. Hochkulturen waren in Folge dessen untergegangen und das Misstrauen der Ersten hatte dazu geführt, dass hunderte von Vampire einfach sich selbst überlassen worden waren.
Loki, Marius und Valentin hatten nur die bei sich in der Nähe gehalten, denen sie wirklich vertrauten und das waren nicht viele. Es hatte Kämpfe zwischen älteren Vampiren gegeben. Kämpfe um Land, Macht und um andere Vampire. Jahrhundertelang hatte es quasi keine Vampir-Gesellschaft gegeben, keine wirkliche zweite Welt. Die Vampire hatten sich an den Rändern der menschlichen Geschichte bewegt, wie Parasiten.
Mitte des sechzehnten Jahrhunderts hatte sich das geändert. Die Kämpfe wurden beigelegt, Gesetze erlassen und ein Kongress gegründet, der sich aufspielte die Herrschaft aller Vampire zu übernehmen. Erik hatte ihre Autorität nie anerkannt, genauso wie einige andere der uralten Vampire wie Memphis oder Linus.
Man hatte sie in Ruhe gelassen, mit der arroganten Begründung, wenn man zum Hof eines der Ersten angehörte unterstehe man nur ihnen. Sie hatten Erik, trotz Janiyanas Verschwinden einfach ihrem Hof zugeschrieben und hatten sich so selbst begründet, warum sie niemand akzeptierte. Alles andere wäre Rebellion gewesen und das hätte der Kongress nicht hinnehmen können, um sich nicht selbst als unglaubwürdig hinzustellen. Auch das war Erik egal gewesen.
Nur ein einziges Mal hatte der Kongress es sich gewagt, sich ihm gegenüber aufzuspielen: Als er Kelly erschaffen hatte. Den die Erschaffung musste irgendwie genehmigt werden und Erik hatte niemanden um Erlaubnis gebeten. Die Leute, die der Kongress schickte um Eriks Frischling dem zweiten, wahren Tod zuzuführen, hatte er die Schädel eingeschlagen. Und danach einem der Kongressmitgliedern selbst, der irgendwie der Meinung gewesen war, die Unabhängigkeit von Erik würde nicht gelten, da Janiyanas Hof ja nicht existierte. Erik hatte ihn vom Gegenteil überzeugt, mit seinem Hammer in dessen Gesicht.
Er war gut darin andere zu überzeugen.
Doch wenn Kelly alleine unterwegs war, könnte das zum Problem werden. Der Kongress ist mächtig geworden und Kelly hätte laut ihren Gesetzen eigentlich noch bei ihm bleiben müssen. Dieses Gesetz waren nicht dumm, neigten junge Vampire doch dazu, sich zu überfressen und einem Blutrausch zu verfallen. Aber Kelly hatte eine unglaubliche Selbstbeherrschung, was den Kongress dennoch dazu bringen könnte sie angreifen zu wollen. Ein Grund mehr warum sich die Geschwister hätten zusammenreißen sollen, um die Macht wieder an sich zu reißen. Doch nun waren sie ja ein weiteres Mal einfach abgehauen. Hatten die Welt sich selbst überlassen und sich in ein noch kleines Loch zurückgezogen. Diese Feiglinge.
„Memphis kann auf mich aufpassen und du bist schließlich immer irgendwie bei mir", lächelte sie ihn an und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
„Sei nur einmal in deinem Leben geduldig, Erik. Sie wird zu dir kommen und dann wirst du Janiyana zurückbekommen. Ich weiß es" sagte sie, klopfte ihm noch einmal auf die Schulter und machte sich dann auf. Es dauerte eine Weile bis sie ihre Sachen gepackt und einige Eckdaten geklärt hatte, doch als es endlich soweit war zögerte Kelly dennoch einen Moment.
„Ich bin nicht gut im Warten", gestand Erik ihr kurz vor ihrem Abschied. Kelly lächelte und schulterte ihre Tasche.
„Ich weiß. Aber ich kann nicht bleiben, um dir beizustehen. Tut mir leid." Memphis klopfte und trat ohne eine Erlaubnis abzuwarten in das Hotel Zimmer. Kelly hatte ihm nur wenige Worte mit diesen bescheuerten Smartphone zugesendet, eine Technik, gegen die sich Erik sträubte, aber Memphis hatte keine großen Überredungskünste benötigt.
Er verbeugte sich tief vor Erik.
„Ich schwöre Kelly zu beschützen, in deinen und Janiyana Namen und wünsche dir viel Glück bei deiner eigenen Suche." Der sonst so fröhlich dreinblickende Vampir wirkte tatsächlich einmal ernst. So ernst wie an den Tag, als er Erik die Treue schwor.
„Passt auf euch auf", war alles was Erik darauf erwiderte und dann gingen sie. In ihr eigenes Leben, in ihre eigene Geschichte* und Erik blieb alleine zurück.
Und wartete.
Und wartete.  

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Verlorene Zeit - Dark Immortals Bd.1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt