Gottkönig

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Kapitel 12:

Als Janiyana erneut den Jet betrat, der sie erst vor zwei Tagen hier her in die neue Welt gebracht hatte, war sie zu ihrer Überraschung nicht die erste, die sich einen der butterweichen Ledersessel fallen ließ. Direkt ihr gegenüber saß ein Mann mit einem vergnügten, jungenhaften Grinsen auf den Lippen, mediterraner, karamellfarbener Haut und langen pechschwarzen Haare, die er zu einem festen Zopf trug, der ihm über die muskulösen Schultern fiel. Er war bei weitem nicht so groß wie Erik, nicht halb so wuchtig, aber immer noch ein stattlicher Mann, der wohl nicht lange suchen musste, um ein weibliches Wesen in sein Bett zu kommen. Doch das eindringlichste an ihm waren seine dunklen Augen, in denen angenehmer Humor so nahe an der Oberfläche lag, dass sie diesen schwarzen Ozeanen einen teuflischen Glanz verliehen.

„Ich dachte, Ihr würdet halb wahnsinnig aus diesem Loch kommen und es würde Jahre oder Jahrzehnte dauern, bis ihr diese Reise antretet. Ihr könnt Euch vorstellen, wie erstaunt ich war, als Erik mir mitteilte, dass ich mich ganz beruhigt in Eure Nähe wagen darf, Mylady." Der Singsang seiner Stimme, die Art wie er sprach und dieses ständige Lächeln erinnerten Janiyana an etwas, was sie aber nicht ganz fassen konnte. So wie sie nur wenige Dinge aus ihrer Vergangenheit als Erinnerung behielt.

Sie sah ihn lange an, runzelte die Stirn und sah sich kurz nach Erik um, um ihn zu fragen, wer zum Teufel dieser Kerl hier war.

Doch sie entdeckte nur Kelly, die im anderen Ende des Jets neben einem Mann in weiter Robe saß. Er war ohne Frage ebenfalls ein Unsterblicher, der allerdings in einem untypisch fortgeschrittenen Alter verwandelt worden war. Sein bereits graumeliertes Haar und die tiefen Furchen in seinem Gesicht ließen ihn wie fünfzig wirken. Doch dieser Mann kam ihr nicht bekannt vor. Ganz anders als der Mann direkt vor ihr.

„Wir sind uns schon einmal begegnet", stellte Janiyana fest, worauf er leicht den Kopf neigte, als würde er eine Verbeugung andeuten. „Memphis Ra-ne, Mylady. Zu euren Diensten."

Als sie den altägyptischen Namen hörte, schaffte es ihr Verstand tatsächlich eine Erinnerung abzurufen. Sie sah sich selbst in einem Tempel aus gelbem Sandstein, aufwändigen Malereien und Statuen aus Gold. Sie sah einen jungen Mann, der von seinem Thron auf sich herabblickte, ohne zu wissen wen oder was er vor sich hatte. Seine Eroberungszüge hatten ihn in Janiyanas damaliges Zuhause geführt. Er hatte sie mit Begehren betrachtet, so wie jeder Mann sie mit Begehren betrachtet hatte, der glaubte einen Anspruch auf sie zu haben oder sie sich zu Willen machen zu können.

„Ich habe dich getötet", erinnerte Janiyana sich ganz sachlich. Sein Grinsen wurde noch breiter.

„Ja. Ein sauberer Schnitt durch meine Kehle. Vergebt mir mein Benehmen, ich war jung und dumm."

Und arrogant. So arrogant wie nur ein Mann sein konnte, der sein Leben lang immer nur zu hören bekommen hat, die Welt gehöre ihm. Und Janiyana war neugierig auf den Pharao gewesen, der sich selbst als Gott bezeichnete. Ein Titel der eindeutig eher ihr zugestanden hätte als ihm. Er war sofort von ihr bezaubert gewesen und hatte sie zu einer Vermählung zwingen wollen.

„Dein Bruder, Marius, fand es allerdings so unterhaltsam, dass er mich verwandelt hat. Ich war als Geschenk für dich gedacht. Als du verschwunden bist, ließ er mich gehen, aber ich war neugierig darauf, was mich in deiner Gefangenschaft erwarten würde."

„Folter und Leid", entgegnete Janiyana scharf. Sie mochte diesen Kerl immer noch nicht, denn er hatte offensichtlich nichts an seiner Großspurigkeit verloren. Er verneigte sich erneut.

„Zu euren Diensten, Mylady. Es wäre mir ein Vergnügen", grinste er breit und seine Augen glitzerten wieder. Er glaubte immer noch, die Welt gehöre ihm. Irgendwie. Erik kam auf sie zu und setzte sich ohne Fragen direkt neben Janiyana.

„Ich sehe du hast ihn noch nicht zerfleischt."

„Zu schnell. Zu uneffektiv und zu langweilig. Ich überlege mir noch was ich mit ihm mache", erwiderte sie mit voller Ernsthaftigkeit, die Memphis nicht eine Sekunde lang verunsicherte. Es war ernsthafte Vorfreude, was sie da in seinen Augen sah und Janiyana wusste sofort, dass der geistige Verfall trotz der wenigen Jahrzehnte, die er lediglich älter sein konnte als Erik, schon sehr weit vorgeschritten war. Das was ihn bis jetzt vor der Hinrichtung bewahrt hatte, musste der fehlende Drang zur Grausamkeit sein. Als Unsterblicher wurden Charakterzüge lediglich intensiver, aber ein von Grund auf guter Mann würde niemals grausam werden. In Memphis' Fall hatten die Jahrtausende etwas anderes verstärkt. Er war ein Masochist. Wahrscheinlich würde er tatsächlich sehr vergnügt dabei sein, wenn sie ihn folterte.

„Momentan brauchen wir ihn aber noch, er ist einer ältesten Unsterblichen überhaupt und ich vertraue ihm. Dasselbe gilt für Linus Babilus, auch wenn er definitiv kein so angenehmer Zeitgenosse ist wie Memphis." Memphis lehnte sich vor und betrachtete Janiyana eingehend.

„Ich würde euch gerne demonstrieren wie angenehm ich sein kann. Ich verspreche euch, nicht zu schreien wenn ihr dieses Mal ein Messer zieht."

Janiyana wollte gerade etwas erwidern, doch ein tiefes animalisches Knurren brachte den ehemaligen Pharao bereits dazu, sich zumindest körperlich zurückzuziehen, auch wenn das Grinsen auf seinen Lippen blieb. Eriks Besitzanspruch war trotz ihres Schlages definitiv nicht abgeklungen. Sie sollte ihm dafür weitere Knochen brechen, doch als sein Knurren wieder abklang und seine Finger sich um ihre Hand legten, spürte sie bereits, wie auch ihre eigene Wut abklang, die sich wegen Memphis in ihr aufgetürmt hatte.

Also legte sie den Kopf zurück, ließ es zu, dass seine rauen Finger ihre Handfläche erforschten und beachtete Memphis forschenden Blick nicht weiter. Eriks Reaktion schien den Ägypter sehr zu faszinieren – genauso wie Kelly und Linus die sie beide lange anstarrten, bevor sie sich wieder ihrem Gespräch hingaben. Sie spürte die Missbilligung, die wie ein emotionaler Lärmpegel bis zu ihrem Verstand durchdrang und öffnete leicht die Augen, um den alten Unsterblichen zu betrachten, der mehr als nur verärgert schien, welche Freiheiten sich Erik herausnahm. Zwar versuchte er so zu tun, als würde er Kelly interessiert zuhören und lächelte die hübsche Blondine auch direkt an, doch in dem Moment, in dem Eriks Finger sich mit Janiyanas verschränkten, zogen sich seine Augenbraunen zusammen. Linus war definitiv kein guter Freund von Erik, auch wenn seine bloße Anwesenheit dafür sprach, dass er zumindest ein Verbündeter sein musste. Sie würde ihn im Auge behalten, denn jeder, der Erik missbilligte, missbilligte gleichzeitig auch ihre eigene Entscheidungen.


Verlorene Zeit - Dark Immortals Bd.1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt