Kapitel 31:
„Sag mir, Loki, wie hättest du deinen Zahnstocher gerne? In deinem Hals oder in deinem Arsch?", fragte Erik wenig beeindruckt von der feinen Klinge, die sich gebieterisch gegen einen seiner Halsmuskeln drückte.
Loki, Janiyanas Bruder und gerüchteweise sogar ihr Zwilling, war ungefähr einen Kopf kleiner als er, was allerdings nicht verwunderlich war, da die meisten Männer kleiner als er waren. Was Loki definitiv nicht zu einem kleinen Mann machte. Ansonsten sah er Janiyana von allen Brüdern am ähnlichsten. Er hatte die selbe bleiche Haut, die dunklen Haare und diese überirdisch grün schimmernden Augen. Alles Eigenschaften die Marius und Valentin nicht aufwiesen. Was er aber nicht besaß, war die Anmut die seine Geschwister verkörperten, ganz im Gegenteil. Obwohl Marius fraglos gut aussah, wirkte er zerlumpt. Die Jeans die er trug war dreckig, das T-Shirt hatte nichts erhabenes an sich und seine kurzen, zotteligen Haare hatten seit Tagen keinen Kamm gesehen, dazu kamen die blau unterlaufenden Augenringe und die absolut abscheulich aussehende Narbe die sich einmal quer über sein Gesicht zog.
Erik erinnerte sich an seine unzähligen Narben, die er sich als Mensch zugezogen hatte und mit seiner Unsterblichkeit auch nicht verschwunden waren und fragte sich, wo ein geborener Unsterblicher sich eine solche Verletzung zuziehen konnte. Sie musste ernst gewesen sein, denn die Narbe war nicht gut verheilt, sie sah aus wie eine Furche die sich durch seinen Kopf gezogen hatte wie eine Naturgewalt.
„Wo ist meine Schwester, Wikinger? Für jede Sekunde die du brauchst, um mir zu antworten, schneide ich dir mit meinem Zahnstocher ein Körperteil ab."
Erik grinste breit und er spürte wie sich das schwarze Meer in seinem Inneren belustigt gab und grinste Loki selbstbewusst an. Er war nicht schwach, er hatte eine Chance gegen diesen Ersten. Das wusste Erik und das würde er auch nie wieder vergessen, dafür würde das Sternenmeer in ihm sorgen.
„Lustig. Ich wollte gerade zu deinem Bruder, ihm ein weiteres Mal den Arsch versohlen und es aus ihm heraus kitzeln. Willst du mitmachen?" Natürlich wusste er, dass er angab, aber hey... Er hatte die anscheinend mächtigsten Kreatur auf diesem Planeten einmal quer durch eine Wand geschoben und er hätte ihn töten können. Er hatte keine Ahnung wieso, doch diese Kraft war da und langsam wusste er auch, wie er sie gezielt einsetzen konnte. Er bekam Kontrolle über das Meer.
Dafür, dass Loki, einst als Gott des Schabernacks in seinem Volk bekannt war, bewies er erstaunlich wenig Humor. Wahrscheinlich machte es diesem Bastard Spaß, wenn andere unter seinen Schmerzen litten, obwohl sich Erik nicht daran erinnern konnte, diesen Kerl jemals belustigt gesehen zu haben. Woher kam also diese Legende?
„Ich denke gerade darüber nach, welches Körperteil ich dir zuerst abschneide. Wenn ich mich entschieden habe, komme ich auf dein Angebot zurück."
Erik entspannte sich dennoch ein wenig, denn das war tatsächlich witzig, insbesondere weil Loki daraufhin die Klinge sinken ließ und den Säbel zurück in eine Halterung an seinem Gürtel steckte. Und das war der Moment in dem Kelly aus der Tür gestürmt kam und gegen Eriks breiten Rücken rannte.
„Wer ist da drau... Aua. Das ist ja, als würde man gegen einen Berg rennen, dass du auch immer im Weg stehen musst!" Sie rieb sich ihre zierliche, kleine Nase, die sie sich angestoßen hatte und sah sich dann mit vorgeschobener Unterlippe zu den Neuankömmling um.
Und Erik verlor fast seine Beherrschung.
Kelly war süß und hübsch und mochte wie eine Frau aussehen, der Sex und Verführung im Blut lag, dennoch hatte Erik ihr gegenüber einen ausgeprägten Beschützerinstinkt, gerade gegenüber solchen Männern wie Loki.
Der Erste runzelte kurz die Stirn, verlor dann jede Wut aus den Augen und starrte Kelly mit offenen Mund an. Ganz so, als hätte er einen Geist gesehen. Auch Kelly erstarrte in ihren Klagelauten und begegnete seinem Blick mehr verwirrt über Lokis Reaktion, als über die heftige Reaktion, die sie selbst gegenüber diesem Ersten empfand.
Erik spürte den Ruck, durch das Band, das Erschaffer und Erschaffener miteinander verband und hatte kaum Zeit, sich über dessen Existenz zu wundern. Dieses Band hatten eigentlich nur die Ersten zu ihren direkten Nachkommen, niemals Vampire untereinander, die nicht „direkt von der Quelle" erschaffen worden waren. Doch während sich das Band zu Janiyana von einem dünnen Faden in ein armdickes Stahlseil verwandelt hatte, war auch dieses Band anscheinend so weit verstärkt worden, dass er nun seine Existenz wahrnahm.
Vielleicht gab es diese Verbindung auch bei der zweiten Generation, nur eben so schwach, dass es niemand je bemerkt hatte. Nun, da sich alle seine Bänder gestärkt hatten, augenscheinlich auch das zu seinem Kind. Und was er dadurch spürte, gefiel ihm überhaupt nicht.
Loki, der immer noch aussah, als hätte er tatsächlich seinen Säbel im Hintern, machte einen kleinen Schritt auf Kelly zu, die darauf hin heftig errötete und sich wieder hinter Eriks breiten Schultern versteckte. Diese Reaktion schien dann auch Loki aus der Trance zu wecken und er wich wieder zurück, um Erik zu betrachten.
Dem Ersten war ein Licht aufgegangen, das sah Erik ihm an. Er verstand etwas, bemerkte etwas, doch egal was es war. Er behielt es für sich.
„Was ist passiert und was haben meine Brüder damit zu tun?"
Erik wollte den Mann packen und seine Erkenntnis aus ihm herausschütteln, doch er riss sich zusammen, obwohl er spürte, dass dieses Wissen wichtig war. Und hatte er sich verguckt oder schien Loki gerade eine Ehrfurcht hinter seinem Verhalten zu verbergen, die er seit seiner Erkenntnis instinktiv empfand?
„Janiyana ist entführt worden, schon wieder und ich habe es satt von allen nur Halbwahrheiten zu hören. Ich will wissen, was zum Teufel hier los ist, Janiyana finden und mich dann mit ihr verkriechen, bis ich diesen Kronos erwischt habe, der sie mir so offensichtlich streitig macht!"
Loki sah ihn kurz verblüfft an, dann verwirrt, dann wieder verblüfft. Als hätte sich ein weiteres Puzzleteil in sein Wissen eingefügt, als wäre es niemals weg gewesen. „Du weißt von Kronos?", fragte er seltsam lauernd und irgendwie abwartend. Erik knurrte nur zustimmend und stürmte an Loki vorbei, um sich auf den Weg zu machen, ohne darauf zu achten, dass er damit Loki wieder den Blick auf Kelly gewährte. Die ihrem Erschaffer aber schnell nacheilte, Eriks Arm ergriff und sich wie ein Klammeräffchen an ihn presste. Ganz so, wie es ein Kind tun würde, dessen Welt sich gerade fundamental verändert hatte. Doch darum würde er sich später kümmern müssen.
DU LIEST GERADE
Verlorene Zeit - Dark Immortals Bd.1
VampirVor Jahrhunderten wurde sie verraten, vor Jahrhunderten wurde sie eingesperrt. Er blieb ihr als einziger treu und hatte nie aufgehört, seiner grausamen und blutrünstigen Herrin mit Leib und Seele zu dienen. Denn trotz ihrer Taten besitzt Janiyana ei...