träumende Götter

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Kapitel 8

Erik stand unter der eiskalten Dusche und sah dem Wasser dabei zu, wie es an seinen immer noch zitternden Muskeln herablief. Die feinen blauen Linien, die Runen auf seiner Brust waren einst das Symbol seiner Stellung als Krieger gewesen. Er hatte immer geglaubt, die Vergangenheit hinter sich lassen zu müssen und der Gedanken sie wieder auf seine Haut zurückzuholen, machte ihn nicht gerade glücklich, doch selbst jetzt würde er nicht zögern es zu tun. Der Drang ihr zu gefallen, Janiyana für sich zu gewinnen, war ungebrochen und drohte ihn selbst zu zerfetzen.

Das Wasser half kaum dabei seine Erektion unter Kontrolle zu bringen, geschweige denn sie abklingen zu lassen. Allein ihre Nähe, der bloße Gedanke an sie, machte ihn hart. Erik wusste, dass das kein normales Verhalten war, es war zu instinktiv und hatte nichts mit Treue, Ergebenheit oder gar Liebe zu tun. Er liebte sie nicht, er war besessen von ihr, seit dem Moment, in dem sie seinem Onkel das Herz aus dem Körper gerissen und seine Männer abgeschlachtete hatte – wie die Monster, die sie an jenem Tag gewesen waren.

Nie hatte er sie dafür gehasst, wütend war er einzig und allein auf die Männer gewesen, die sie verraten hatten, die ihn davon abgehalten hatten, ihr näher zu kommen. Poul und Yassir hatten das Privileg besessen an ihrer Seite zu sein, waren ihre Berater, Vertraute und – wie er immer geglaubt hatte – Geliebte gewesen. Der große Poul mit seiner dunklen Haut und seinem muskelbepackten Körper. Ihr Kriegsherr, den Erik so abgrundtief gehasst hatte, dass er ihn einmal ohne Grund fast umgebracht hätte. Als hätte er geahnt, was nur wenige Jahrzehnte nach Eriks Verwandlung auch alle anderen ahnten: Erik würde ihm seine Stellung streitig machen, die als Kriegsherr und als Geliebter an Janiyanas Seite.

Yassir war mehr ein schöner Schmetterling, als ein rauer Krieger. Er hatte mädchenhaft anmutende Gesichtszüge und eine heitere, fröhliche Art besessen. Erik hatte nicht eine Sekunde daran geglaubt, dass seine Herrin mit ihm das Bett geteilt hatte. Er war wie ein kleiner Schoßhund für sie gewesen. Einfach ein schönes Spielzeug. Es war viel zu einfach gewesen, ihm den Kopf abzureißen. Schon als Janiyana ihn am Fuß in ihr Heim gezerrt hatte, hatte Erik gewusst, dass er Poul loswerden musste, um bei dieser Schönheit zu landen, es war wie ein Zwang gewesen. Er musste in ihrer Nähe sein.

Fast schon wünschte Erik sich, sie hätte ihn gefoltert, so wie sie esursprünglich vorgehabt hatte. Nichts konnte eine größere Qual sein als von ihr getrennt zu sein.

Getrennt. So lange.

Er berührte die Stelle über seinem Herzen und wusste nicht wie er das Gefühl einordnen sollte. Es war, als hätte er sie länger gesucht, als die paar Jahrhunderte, die sie verschwunden gewesen war. Als hätte er diese Leere schon immer gespürt. Ein Druck in seinem inneren, keine romantische Dunkelheit, sondern Kälte, die gegen seinen Körper drückte, als wolle sie bei dem Gedanken nicht nahe sein zu können, aus ihm herausplatzen. Vielleicht war das Wort „Instinkt" das Beste das es gab, auch wenn da ein ganzer Batzen Gier mitschwang. Das hektische Klopfen an seiner Tür war es, das ihn dazu bewegte, aus der Dusche zu steigen, dieses merkwürdige Gefühl in ihm beiseite zu schieben und sich ein Handtuch um die Hüften zu binden, bevor er die Tür öffnete.

Kelly war etwas größer als Janiyana, eine klassische Schönheit mit ebenmäßigen Gesichtszügen, die noch kindlichen Rundungen vorhanden, welche ihrem Anblick eine Unschuld verliehen, die ihn damals dazu verleitet hatten, sie zu verwandeln, als sie sterbend in seinen Armen lag. Eine junge Studentin, überfallen und geschändet, als sie alleine in der Gasse lag, in der er sie fand. Ihren letzten Atemzügen ganz nah. Sie hatte leben wollen, hatte kämpfen wollen und er hatte ihr die Möglichkeit dazu gegeben, Rache zu üben. Wie ein unkontrollierbares Kind hatte sie durch Wien getobt, ihre Peiniger zu ewigen Qualen verdammt und tatsächlich Frieden gefunden.

Auch er wünschte sich endlich Frieden finden zu können, doch sein Frieden war unerreichbar. Janiyana war unerreichbar.

„Was gibt es?"

„Sie... sie ist einfach umgefallen. Ich wollte ihr ihre Sachen bringen, da ist sie einfach umgefallen", flüsterte Kelly verängstigt und vollkommen verwirrt. Es waren genau diese Momente, die sie in seinen Augen immer ein Kind sein lassen würden. Eine Tochter die er nie haben würde.

Erik zögerte nur einen Moment, zog sich nicht einmal an, als er durch die Flure zurück lief in den Raum, in dem er Janiyana genährt und dann zurück gelassen hatte.

„Hab ich etwas falsch gemacht? Wird Jana sauer sein?", fragte Kelly hinter ihm, als Erik zu Janiyana lief und ihren scheinbar leblosen Körper aufhob. Doch er spürte ihre Anwesenheit und war sofort erleichtert, das sanfte Vibrieren ihres Geistes in seinem Kopf wahrzunehmen. Als er sich langsam zu Kelly umdrehte, schaffte er es dann endlich sich über die Wortwahl seiner Wunschtochter zu wundern.

„Sie erlaubt dir sie „Jana" zu nennen?", fragte er skeptisch. Kelly zuckte mit den Schultern.

„Sie ist eine Frau die mit der Zeit geht und hat schon dutzende Male ihren Namen geändert, warum sollte sie sich nicht etwas zeitgemäßer ansprechen lassen?" Da war definitiv etwas dran. Aber Erik gefiel der Name denn sie trug, seit er sie kannte, er klang erhaben und würdevoll. Er passte zu ihr und er würde sie bis in alle Ewigkeit so ansprechen.

„Was ist mit ihr?", fragte Kelly nun wesentlich besorgter. Erik hielt Janiyanas Körper dicht an seinen gedrückt und musste schnell feststellen, dass es ihm viel zu sehr gefiel, wie sie sich an seiner nackten Haut anfühlte. Er brachte sie in ihr Schlafzimmer und bettete sie auf das Bett, dass er gehofft hatte für andere Aktivitäten nutzen zu können. Wie bereits Flugzeug sah sie unglaublich friedlich aus wenn sie schlief – auch wenn es ihn immer noch erstaunte dass sie es tatsächlich tat. Es war ungewohnt eine schlafende Frau zu sehen, so zerbrechlich, so ungeschützt. Die wenigen Geliebten auf die er sich in den Jahrtausenden eingelassen hatte, waren allesamt Unsterbliche gewesen und hatten nie geschlafen. Und Sterbliche kamen für keinen seiner Art in Frage. Menschen waren zu zerbrechlich, sie würden den Sex mit einem von ihnen einfach nicht überleben.

„Sie schläft nur. Das ist schon im Flugzeug passiert", erklärte er nachdem er die Tür ihres Schlafzimmers hinter sich geschlossen hatte. Kelly gab nur ein erstauntes „oh" von sich, stellte aber ansonsten keine weiteren Fragen, zumindest so lange, bis sie gemeinsam wieder den Flur betraten.

„Ob sie auch träumt?", fragte Kelly. Erik sah sie an, strich ihr kurz über die Haare und machte sich auf den Weg in seine eigenen Räume ohne ihr zu antworten. Er konnte es ihr nicht sagen, doch eines stand fest: wenn sie es tat, beneidete er sie nicht darum. Eine Frau wie sie würde wohl nur Albträume haben und er würde sie nicht davor bewahren können, es immer und immer wieder zu erleben.


Verlorene Zeit - Dark Immortals Bd.1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt