Kapitel 21:
Janiyana stützte Eriks Körper, als er zur Seite kippte und das Bewusstsein verlor. Sie strich ihm die durcheinander geratenen Haare aus der Stirn und zog mit dem Daumen andächtig über das verblasste Symbol an seiner Schläfe. Wenn Unsterbliche in Ohnmacht fielen war das kein gutes Zeichen. Verzweifelt streckte sie ihren Geist nach seinem aus und suchte nach Schäden in seinem Bewusstsein. Fand aber nichts weiter als ein schwarzes Meer, dass mit leuchtenden Sternen durchzogen war und einen silbernen Streifen auswies, der keinerlei Ähnlichkeit mit der Milchstraße in diesem Teil des Universums hatte. Was war das? Fasziniert versuchte sie in das Wasser einzudringen und zu erforschen was das in seinem Inneren war, doch eine Art automatische Abwehrreaktion schleuderte sie aus diesem Teil seines Kopfes und präsentierte ihr einen sanften, pulsierenden Geist der in sich selbst ruhte. Erik.
„Was hast du getan?", fragte Janiyana vollkommen aufgebracht an ihren Bruder gewandt und konnte sich gerade noch davon abhalten ihn erneut gegen die Wand zu schleudern, doch diese Kraft hatte sie nicht mehr. Ihre Fähigkeit war schon immer instabil gewesen, genauso wie die ihres kleinen Bruders. Nur Marius war alt genug um die seine zu kontrollieren. Valentin richtete sich wieder auf und ließ seine Schulter kreisen, die sie ihm verdreht hatte.
„Ihn schlafen gelegt, er wird wieder aufwachen, doch wir müssen reden." Janiyana schnaufte verächtlich und wollte gerade etwas erwidern doch Valentin lenkte sie ab.
„Du warst in einer Zeitschleife?"
„In einem Labyrinth, gefangen in einer Zeitverschiebung. Angekettet mit schwarzen Ketten." Valentin riss geschockt die Augen auf und blickte dann zu Marius.
„Sag, dass du das nicht getan hast Marius!" verlangte er von seinem Bruder. Valentin war nicht alt genug gewesen um zu sehen, wozu ihr Bruder alles in der Lage war, doch in den letzten Jahrhunderten schien er zumindest eine Vorstellung davon bekommen zu haben, sonst würde er ihn nicht auch sofort verdächtigen. Marius verschränkte die Arme vor der Brust. In seinen Gesichtszügen zeigte sich keine emotionale Regung, aber das war schon immer so gewesen, das hatte nichts zu sagen.
„Ich bin dafür nicht verantwortlich und bevor ihr weiter einfach mit Verdächtigungen um euch werft, Loki war es auch nicht. Wenn ihr euch erinnert, ist keiner von uns dazu in der Lage schwarze Ketten zu schmieden. Und selbst wenn: wie hätte einer von uns an das Material herankommen sollen? Es ist wie ich befürchtet habe: eine dritte Partei hat sich eingemischt." Schlussfolgerte Marius und deutete mit einer Kopfbewegung die Treppe herauf. Während Valentin der stummen Aufforderung folgte und die Treppe heraufging, biss Janiyana die Zähne zusammen und blieb einfach sitzen. Ihr Bruder betrachtete Erik als Bedrohung, das war deutlich geworden, sie würde ihn nicht einfach schutzlos hier liegen lassen.
„Ich werde deinem Barbaren schon nichts antun, keine Schwester. Wir müssen reden, dringend. Wir haben schon viel zu viel Zeit verloren." Dass er ihre Gedanken einfach las, machte die Situation nicht vertrauenerweckender.
„Scher' dich aus meinem Kopf!"
„Ich war nicht in deinem Kopf, dein Blick spricht Bände. Willst du nun reden oder nicht?"
Janiyana zögerte, ließ Erik dann doch auf den Boden gleiten und erhob sich in eine würdevolle Haltung vor ihren Brüdern. Sie ließen ihr den Vortritt, so wie sie es immer getan hatten. Sie sollte ihnen nicht den Rücken zudrehen, doch sie wollte auch keine Szene machen. Wenn Marius sie hätte töten wollen, wäre sie das bereits und er hätte nichts davon.
Als sie an der oberen Treppe angekommen war, sah Janiyana noch wie sich scheue Dienerschaft zu Erik gesellte, seinen massigen Körper wegtrugen und sie kurz den Drang unterdrücken musste ihm zu folgen. Ihr Bruder hatte gar nicht mal so unrecht: Erik war gefährlich, es gibt so viel Falsches, was er in ihr auslöste und die Liste mit den Merkwürdigkeiten, die dieser Mann an den Tag legte, wurde immer länger.
Wie konnte er Poul und Yassir besiegen? Wie so lange Marius standhalten? Was war das für ein Meer aus Sternen in seinem Kopf?
Der Salon war in einer kühlen Eleganz gehalten, in der die einzige Lichtquelle ein klobiger Ofen war, in dem ein Feuer prasselte. Janiyana war nicht überrascht. In Gegensatz zu Marius war sie immer mit der Mode gegangen, während es ihm wohl mittlerweile noch schwerer fiel mit der Zeit zu gehen.
„Sollten wir auf Loki warten?", fragte Valentin während er sich setzte, doch Marius schüttelte mit dem Kopf.
„Er ist momentan nicht dazu in der Lage."
„Wieso? Hast du ihn in ein Loch gesperrt und angekettet?" fragte Janiyana zynisch. Marius durchbohrte sie mit seinen goldenen Augen.
„Wie ich schon gesagt habe: Ich bin für dein Verschwinden nicht verantwortlich, das ist keiner von uns und was Loki angeht: Niliha ist wohl erwacht und sie leidet unter der Entfernung. Er spürt es und leidet mit ihr."
Gerade öffnete sie den Mund, um etwas zu erwidern, doch schloss ihn bevor sie etwas sagte was einfach nicht fair war. Loki vermisste seine Gefährtin, die er als Säugling gerade lange genug im Arm gehalten hatte um eine Verbindung zu ihr aufzubauen. Sie würden sich nie wieder begegnen und mit dem ständigen Drang leben müssen, sich nach etwas zu sehnen was sie nicht haben konnten. Deswegen war Janiyana davon überzeugt gewesen, ihr Bruder scherte sich nicht um das Ableben seiner damaligen Geliebten durch Linus. Sein Herz gehörte einem kleinen Mädchen, das sich nicht einmal auf dieser Welten-Ebene befand. Nun war sie erwachsen geworden und machte dasselbe durch wie Janiyana damals. Sie sehnte sich nach jemanden, der nicht gut für sie war.
Loki und ihre Brüder hatten Kronos verraten, indem sie ihr bei der Flucht vor der Personifizierung der Vernichtung geholfen hatten. Als Gefährtin eines Verräters konnte sie es nicht leicht haben. Es war ein Wunder, dass Kronos sie nicht auch vernichtet hatte, wie den Rest ihrer Heimatwelt. Niliha und Loki litten ihretwegen allein. Eine Schuld, die sie nie würde begleichen können. Eine tragische Liebe, eine verlorene Liebe.
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Verlorene Zeit - Dark Immortals Bd.1
VampiriVor Jahrhunderten wurde sie verraten, vor Jahrhunderten wurde sie eingesperrt. Er blieb ihr als einziger treu und hatte nie aufgehört, seiner grausamen und blutrünstigen Herrin mit Leib und Seele zu dienen. Denn trotz ihrer Taten besitzt Janiyana ei...