Tränen zum Meer

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Endlich erreichte ich wieder die große saftige Wiese und beruhigte mich ein bisschen. Hier konnte ich wieder den salzigen Seewind einatmen und nicht die verbannte trockene Luft. Mein Blick huschte über die Wiese und mein Blick bleib an den Sanddünen hängen. „Was soll's" murmelte ichschniefend „Die werden mich eh nicht vermissen" Ich lief zu den Dünen und ließ mich hinter der Kuppel in den von langem Graß durchzogenem Sand fallen. Das Meer war rau und schaumige Wellen krachten unbarmherzig auf den weiten sandigen Strand. In den Wellen surften einige Jungs und ab und zu wurden sie von der schaumigen weißen Gischt verschluckt. Zum Glück waren sie viel zu beschäftigt, um mich zu bemerken.

Dieses Erlebnis verfolgte mich jeden verdammten Tag wie ein Albtraum. Wieder fing ich an zu weinen und diesmal leis ich meinem Tränen freien Lauf. Ich heulte mir den ganzen scheiß Tag von der Seele – die Sache mit Cara, diese Blöde Schule und meine Angst vor Feuer. Ich hatte Angst vor Feuer. JA verdammt, ich hatte Angst vor Feuer! Ich riss etwas von dem Gras aus und warf es in den Wind. Er trug es fort und ich folgte ihm mit meinen Augen, bis ich es nicht mehr sehen konnte. Ich schlang meine Arme um meine angewinkelten Beine und legte meinen Kopf auf die Knie.

Was für ein Scheiß Leben!

Auf einmal hörte ich Schritte hinter mir, die Düne hochkommen. Schnell wischte ich mir meine Tränen weg und drehte mich um. Cara kam über den Hügel und schaute mich entschuldigend an. Sie hielt meinen roten Ordner in den Händen und steckte ihn mir unschlüssig entgegen. „Hier, du hast deinen Ordner fallen lassen" Ich nahm ihn an mich und legte ihn zu meiner Tasche. „Darf ich mich setzen?" fragte sie vorsichtig. Grade war ich auf niemanden wütender als auf Cara, doch ich nickte und sie setzte sich dankbar neben mich in den Sand. Der Wind wehte mir ihren rauchigen Geruch ins Gesicht, doch es störte mich nicht. Zumindest jetzt in diesem Moment nicht. Schweigend saßen wir da und starrten zu zweit auf das bewegte Meer. Die Stille zwischen uns tat gut und meine Wut auf sie wurde wieder geringer. Ich genoss das Rauschen des Windes und des Meeres. Es hatte etwas Friedliches. Schon als kleines Kind war ich gerne am Meer gewesen. Wir hatten zusammen Lagerfeuer am Strand gemacht und mein Vater auf seiner Gitarre lustige Lieder gespielt. Es waren schöne Erinnerungen aus einer Glücklichen Zeit.

Nach unbestimmter Zeit unterbrach Cara die Stille und brachte mich in die Wirklichkeit zurück. Vorsichtig sagte sie:„Nina, ich habe mich echt scheiße verhalten.."

Ich nickte. „Stimmt." Wieder herrschte Schweigen zwischen uns und ich wartete ein bisschen, bis ich weitersprach „Was war denn los? Warum bist du nicht zurückgekommen?"

Cara atmete erleichtert aus und antwortete „Als du deine Hand ins Wasser gehalten hast, da hat sich die Oberfläche verändert. Das Wasser fing an zu Tanzen." Sie strich sich ihre Haare aus dem Gesicht. Der Wind wehte sie sofort wieder zurück.

Etwas verlegen erklärte sie: „Feuer und Wasser sind zwei Gegensätzliche Elemente. Genauso wie Erde und Luft. Die anderen Elemente, zum Beispiel Wasser und Luft harmonieren zusammen. Ich habe einfach riesige Angst vor dem Wasser. Echt bescheuert vom mir." Sie blickte beschämt zu Boden. Ich starrte auf das Meer

„Was genau ist passiert?" „Mit mir?" fragte sie irritiert. Ich schüttelte den Kopf „Nein mit dem Wasser?"

„Achso...Sorry. Die Oberfläche begann sich zu kräuseln und das Wasser tanzte um deine Hand herum, dann fing es an, an deinen Fingern hochzufließen" Ich betrachtete nachdenklich meine Hand „Das habe ich gar nicht bemerkt..." Abschätzend schaute ich meine Hand an. „Ob das nochmal funktioniert?"

Cara nickte. „Probieren wir es doch einfach aus."

Wir standen auf und stiegen die Düne runter. „Bist du noch sauer auf mich?" fragte Cara mich, während wir über den weiten Strand gingen. Es war Ebbe. Der kalte Sand war weich und wir hatten schon nach wenigen Metern die feinen Körner in unseren Schuhen.

„Ein bisschen. Du hättest mir sagen können, was los ist, statt mich anzulügen und wegzurennen" Cara nickte. „Du hast vollkommen Recht. Ich habe mich total idiotisch verhalten. Es tut mir so leid!" Wir erreichten das Wasser und ich zog meine Schuhe aus. „Schon gut. Vergessen wir das einfach...okay?" Cara nickte dankbar.

Ich krempelte mir meine Hosenbeine hoch und trat in das kühle Nass. Die ankommenden Wellen umspülten sanft meine Füße, es fühlte sich gut an. Ich ging einige Schritte weiter in das schaumige Wasser, bis es etwas klarer wurde. Cara war am Strand geblieben und wartete geduldig. Ich schluckte. Ob es wohl klappen würde? Ich hatte ein gutes, entspanntes Gefühl, es würde alles gut werden. Langsam bückte ich mich und ließ meine zitternde Hand vorsichtig in das spielende Wasser gleiten. Der Ozean schien sich für mich zu beruhigen und das Wasser um mich herum wurde ganz ruhig und klar. Ich konnte den Sand zu meinen Füßen sehen. Auch die Kälte des Wassers war weg, alles war gut und warm. Der große mächtige Ozean begrüßte mich sanft und freundlich. Er schien mir zu sagen, dass ich keine Angst zu haben bräuchte. Ein warmes Gefühl breitete sich in mir aus und ich hatte den Eindruck, eine Stimme fragte mich, ob das Element näher kommen dürfte. Ich nickte. Die Wolken über mir rissen auf und ließen ein bisschen Sonne durch, die das Wasser um mich herum zum Glitzern brachten. Es war ein magischer Moment. Ich schloss die Augen und spürte wie das Wasser meine Hand hochfloss. Ich öffnete meine Augen und mir stockte der Atem, als ich sah, dass das Wasser sich wie Wellen meinen Arm hochschob. Klar und glitzernd, so rein wie die Seele eines Neugeborenen. Es fühlte sich heilend an. Ich spürte die Kraft des Elements und eine tiefe Verbindung. Es war unbeschreiblich! Es floss bis zu meinem Ellbogen und ich hatte ein glückliches Kribbeln im Bauch. Ich wollte, dass es mich ganz bedeckte, ich eins wurde mit dem Element, dass ich zu Wasser wurde.

Ich hatte das Element verstanden und vertraute ihm.

Das Wasser hielt inne und glitt geräuschlos wieder runter. Es vereinte sich mit dem Meer und der Moment war vorbei. Der Ozean begann sich wieder zu bewegen und eine Welle traf mich. Schnell sprang ich auf, doch sie durchnässte meine komplette Hose. Das Meer war wieder in ganz normales Meer. Die Wolken zogen weiter und die Sonne verschwand wieder.

Sprachlos verließ ich wieder das Wasser und blickte zu Cara, die mich mit angehaltenem Atem anschaute. Ich lachte glücklich und sie erklärte fast mit Tränen in den Augen „Das war der Wahnsinn. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich glaube" folgerte sie „der Moment, in dem jemand sein Element entdeckt, ist einer der magischsten überhaupt" Ich nickte Stumm, noch immer völlig überrumpelt. Wasser, Wasser war mein Element!

Auf dem Weg zum Schloss hatte ich das Gefühl, dass mich alle neugierig anguckten. So als wüssten sie, dass ich mein Element entdeckt hatte. Vielleicht lag es aber auch an der Nassen Kleidung, dass ich Barfuß lief, an den rotgeweinten Augen, der zerzausten Haaren und der Fröhlichkeit, die von mir ausging. Cara hüpfte vergnügt neben mir her und wirkte genauso Happy wie ich.

Am Eingangstor kamen uns Tom und Noah entgegen. Die beiden hatten Neoprenanzüge an und trugen Surfbretter unter ihren Armen.

„Wie siehst du denn aus?" fragte Noah mit gespielter Skepsis. Wie immer lag ein Grinsen auf seinem Gesicht. Er war definitiv der Clown unter uns.

Cara antwortete mit ungebremster Begeisterung. „Nina hat ihr Element gefunden. Ist das nicht super?! Jetzt ist sie mit dir in einem Kurs Tom." T

om ließ sein Surfbrett fallen und nahm mich in seine starken Arme. „Super! Das ging aber sehr schnell, schon nach neun Tagen! Ich habe zwei Wochen gebraucht und Kelly sogar drei. Scheinst ein echtes Naturtalent zu sein. Herzlichen Glückwunsch."

„Danke" nuschelte ich in seinen Neoprenanzug. Er lachte und drückte mich wieder von sich weg. „Jetzt bist du eine von uns!"

„Naja, nur, dass sie das falsche Element beherrscht. Feuer oder Luft wäre ja noch gegangen, aber Wasser?" sagte Noah schelmisch und Cara erwiderte: „Auch noch Ansprüche! Tzz." Noah nickte „Jap, so sieht es aus. Aber natürlich mag ich dich trotzdem noch"

„Na dann bin ich ja beruhigt" sagte ich lachend. Die Jungs grinsten und Tom hob sein Brett wieder auf „So, dann wollen wir mal wieder los."

„Viel Spaß euch!", wünschte ich noch, dann gingen wir in die Halle.

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