Char der Pirat

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Nach dem Kampfunterricht war ich so durchgeschwitzt, dass ich beschloss Duschen zu gehen. Genervt dachte ich an Luke. Dieser blöde Mistkerl! Schnell schüttelte ich aber meine negativen Gedanken ab und konzentrierte mich auf meine Umgebung um mich abzulenken. Meine nackten Füße hinterließen leise Geräusche auf dem gefliesten Badezimmerboden des Mädchen Waschraums. Ich hatte noch mehr als eine Stunde Zeit bis es Abendessen gab, daher konnte ich mir Zeit lassen. Mit Bademantel und Kulturtasche bewaffnet suchte ich mir eine Duschkabine. Da kein anderer hier war hatte ich die freie Auswahl. Meine Sachen hängte ich an den freien Haken im inneren der Kabine und drehte den Hahn auf. Ich unterdrückte einen leisen Schrei, als eiskaltes Wasser auf meine Schulterblätter traf und ich fühlte mich wie bei einen von diesen „Ice Bucket Challenges" oder wie die Leute das nannten. Meine Haare sogen sich schnell voll mit Wasser und wurden schwer, als ich panisch versuchte an den Drehhähnen herumzudrehen um die richtige Temperatur einzustellen. Langsam wurde das Wasser angenehm warm und ich seufzte wohltuend auf. Mir tat noch alles vom Training vorhin weh und es war eine gute Idee gewesen anschließend zu duschen. Ich sah den Wassertropfen zu, wie sie an meiner Haut abprallten, an mir hinunterliefen, sich schließlich auf den Fliesen zwischen meinen Füßen sammelten und im Abguss verschwanden. Es erinnerte mich an die Zeit lange vor dem Unglück....

„Mama!" Ich tapste in die Küche und schaute nervös von einer Küchendiele zu andern. Mama kam hinter dem Tresen, mit ihrer orange farbenden Schürze, hervor. Es war eine furchtbar hässliche Schürze, sagte sie mir immer, aber ich sollte es Papa nicht sagen. Er hatte sie ihr einmal zum Hochzeitstag geschenkt, „Was ist denn Schatz?" Sie hatte einen Löffel in der Hand, von welchen sie gerade den Teig probierte. Der Geruch von Mamas Brownies stieg mir in die Nase und mein Magen zog sich freudig zusammen. Als Mama mich aber erblickte, weiteten sich ihre Augen vor Schreck und ich hatte plötzlich Angst, dass sie mich anschreien würde. Ich mochte es nicht wenn Mama böse auf mich ist. Lieber las ich mit ihr Gute Nacht Geschichten und backte Brownies. „Nina!" sagte sie mahnend und ich öffnete meine Augen, die ich aus Angst vor Ärger zusammengekniffen hatte. Streng sah sie mich an und ich dachte, dass ich heute wohl doch keine Brownies kriegen würde, als Mama plötzlich in schallendes Gelächter ausbrach. Sie kam zu mir, nahm mich auf ihren Arm und wischte mit ihrem Finger einen Kleks Farbe von meiner Wange. Mit demselben Finger stupste sie mir auf die Nase. Ich kicherte. Die Farbe kitzelte. „Na dann wollen wir dich mal sauber machen!"Mama lief mit mir in den Flur in Richtung der Treppe. Ich schlang meine Arme um sie, aber es störte sie nicht, dass ich sie schmutzig machte. „Ah Charlie! Hab ich es doch gewusst, dass du nicht weit entfernt bist", sagte sie tadelnd. Hundepfoten tapsten über die Dielen und Charlie bellte als Antwort. „So, dann muss ich euch wohl beide sauber ,machen wenn ihr schon dem Papa nicht beim Zaun streichen helft. Mama pfiff nach Charlie und er lief hinter uns die Treppe hinauf. Ich kuschelte mich an sie. Ihre Haare waren so weich und rochen nach Schokolade. Im Badezimmer angekommen ließ sie die Badewanne mit Wasser volllaufen und begann mich auszuziehen. Sie lächelte mich warm an und wuschelte mir durch die Haare. Ich mochte es wenn sie das mit meinen Haaren machte. Zunächst setzte sie mich neben Charlie in die Badewanne, der es sich schon bequem gemacht hatte. Er schaute mich mit großen braunen Welpenaugen an und stupste mit seiner nassen Schnauze gegen meine Nase. Ich begann laut zu lachen. Mama ließ uns noch etwas plantschen und mich mit Charlie im Schaum spielen ehe sie begann die Farbe mit einem Schwamm von uns zu waschen. Schnell war die Badewanne ganz blau als würden wir im Meer sein! Ich war ein Pirat auf hoher See und mein treuer Gefährte war „Arr, ich bin Char der Piraat!"Verstellte ich meine Stimme und Mama versprach Charlie eine Augenklappe zu kaufen. Unser Spiel wurde jedoch vom Feuermelder unterbrochen. Erschrocken sprang Mama auf und rannte runter in die Küche. An diesem Tag gab es zwar keine Brownies, aber ich schlief zufrieden mit einem Lächeln neben Charlie ein und träumte von unseren Seeabenteuern.....

Traurig aber auch mit einem Lächeln auf den Lippen kehrte ich langsam in die Realität zurück. Ich wusch meine Haare zu Ende und wickelte mich in den flauschiegen Bademantel mit dem Schullogo vorne drauf. Aus meinen Haaren wrang ich das überschüssige Wasser und kramte meine restlichen Sachen zusammen. Fröstelnd von der kalten Luft die mir entgegen schlug, trat ich aus der Kabine. Im Spiegel vor mir, erkannte ich dass meine Augen ganz rot waren. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich geweint hatte.

Seufzend durchstöberte ich meinen Kulturbeutel nach meinem Kamm, den ich letztendlich fand. Anouk meine ehemalige beste Freundin hatte ihn mir damals geschenkt. Es war ein ganz normaler, hellbrauner Holzkamm. So einen wie ihn ihre Mutter auch immer bei ihren Kunden benutzte, wenn sie ihnen die Haare schnitt. Sie arbeitete in einem kleinen Friseursalon und kam ursprünglich aus Frankreich. Ich bewunderte immer was sie aus Haaren zustande bringen konnte. Wie es Anouk wohl ging? Ich vermisste sie sehr. Genauso wie meine Eltern und Charlie. Auch er hatte es leider nicht aus dem Feuer geschafft damals. Ich hörte wie die Tür geöffnet wurde und zwei Mädchen ebenfalls mit schneeweißen Bademänteln traten in den Raum. Schnell machte ich mich daran meinen Kamm zurückzustecken.

„Hey du bist die die mit Fly zusammen ist oder?", fragte die kleine blondhaarige. Ich schätzte sie auf ungefähr vierzehn. Genervt rollte ich mit den Augen.

„Nein ich bin nicht mit ihm zusammen. Wir sind nur Freunde."

„Siehst du Leo", sie wandte sich zu ihrer Freundin „ Fly ist gar nicht mit ihr zusammen, also hast du freie Bahn." Das Mädchen errötete und trat verlegen von einem Bein aufs andere. Irritiert setzte ich meinen Weg in Richtung Ausgang fort und ging an den beiden vorbei.

Waren hier eigentlich alle anderen geistesgestört?

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