Kapitel 1:
„Olaria? Wo steckst du nun schon wieder?" Müde hob die junge Frau ihren Kopf, mal wieder weckte ihr ältester Bruder sie mit seinen wahrscheinlich erneut unnötigen Problemen. Dabei wollte sie lediglich den Schlaf, der ihr die letzten Tage gefehlt hatte, nachholen. Denn ununterbrochener Schwertkampf war anstrengender als so mancher dachte. Außerdem hatte sie erst gestern unzählige Waffen, darunter Schwerter, Dolche,Messer , Pfeile und Armbrüste, gereinigt und geschärft. Sie alle waren von dem vielen Jagen abgestumpft und verdreckt.
„Ich bin hier!", rief sie ihm seufzend entgegen. Gähnte einmal und streckte ihre steifen Glieder,ehe sie die Beine aus dem selbst gezimmerten Bett schwang und sich ihren Mantel schnappte.Das Sonnenlicht blendete sie für eine Sekunde, als sie aus der bewohnbaren Höhle trat und beinahe mit ihrem Bruder zusammenstieß. Seine dunklen Haare standen ihm wirr vom Kopf ab und seine beinahe bernsteinfarbenen Augen schauten sie vorwurfsvoll an. Er trug ein beinahe schwarzes Lederoberteil und eine ebenso dunkle Hose. An seiner Hüfte war ein Gürtel befestigt, an dem unzählige Waffen befestigt waren. Sogar sein bestes Schwert hing in der Schwertscheide.
„Du weißt doch, dass du nicht so lange schlafen sollst! Aber darüber können wir uns auch noch später unterhalten. Mutter möchte uns allesamt sehen." Neugierig und sogleich misstrauisch folgte sie ihrem Bruder. Die rotbraunen, brustlangen Haare hatte sie zu einem Zopf hochgesteckt und ihr schwarz- brauner Mantel bedeckte beinahe ihren ganzen Körper und verbarg Leinas Schwert, dass sie als einzige Waffe tragen durfte. Laut ihrer Mutter könnten ihre Brüder sie ihn Notlagen gut genug schützen.Außerdem sei sie eine Frau, die eigentlich gar nicht kämpfen sollte, doch sie kam wohl nicht darum herum, wenn sie in der freien Natur als Räuber überleben wollte.
Nach kurzer Zeit vernahm sie bereits die aufgeregten Stimmen, die unverwechselbar ihrem zweiten Bruder und ihrer Mutter zuzuschreiben waren. Als sie die kleine Kuhle erreichten, hielt ihre Mutter inne und wartete bis ihr jüngstes Kind auch bei ihr stand um ihr ihr Gehör zu schenken. „Da ja nun endlich alle da sind, möchte ich euch auf Folgendes hinweisen." Olarias Mutter war eine stattliche Frau mittleren Alters mit schwarzen Haaren und braunen Augen, wie ihre beiden Brüder sie auch hatten. Trotz ihres Alters war sie unwahrscheinlich fit und eine nicht zu unterschätzende Gegnerin im Kampf. Auch Olarias zweiter Bruder hatte schwarze Haare und braune Augen und sah seiner Mutter unglaublich ähnlich. Wie es nicht anders zu erwarten wäre, war auch er ein unheimlich begabter Kämpfer,sowohl mit Schwert als auch mit all den unzähligen anderen Waffen.
„Ich verlange von euch, dass ab sofort jeder von euch mindestens eine Waffe mit sich führt und immer einer bei Olaria bleibt. Tut mir leid Liebes aber ich kann nicht verantworten, dass dir etwas geschieht.Außerdem sollt ihr wachsamer sein als je zuvor. Denn eine nicht zu unterschätzende Gefahr nähert sich. König Maros ist auf der Suche nach uns. Scheint als wolle er nun endgültig den Krieg für sich entscheiden. Und egal was auch geschieht, bitte kämpft für einander.Und traut da draußen Keinem den ihr nicht kennt. Die Welt hat sich verändert. Die Menschen sind eigensinniger denn je und wenn Maros erst uns überwältigt hat, steht ihm nichts mehr im Weg um in die Burg von Illiora einzudringen und König Elrik zu besiegen! Aber genug davon. Na los nun geht schon aber passt bloß auf, haben wir uns verstanden?!" Die Mutter der Drei blickte sie streng an, bis sie nickten und ein liebevolles und nachsichtiges Lächeln auf ihr Gesicht trat.
Am nächsten Morgen streiften Olaria und ihr ältester Bruder Dallan durch die ihnen mehr als bekannten Wälder Salahirs, auf der Suche nach Früchten und Wild. Definitiv war dies nicht ihre Lieblingsbeschäftigung, doch ihre Mutter hatte sie ohne große Umschweife und ohne eine Chance für Einwände in den Wald geschickt. Olaria war erschöpft von dem stundenlangen Laufen und hatte keine Lust mehr noch länger aussichtslos nach Essen zu suchen. Sie würden ja ohnehin nichts finden. Die Geschwister hatten sich die Kapuzen bis tief ins Gesicht gezogen. So waren sie nur schwer in dem dichten Gewächs zu erkennen. Lediglich eine weitere Sicherheitsmaßnahme.Vor ihnen erstreckten sich weite,beinahe endlos erscheinende Felder,an deren Horizont sie die Mauern und das mächtige Tor von Salahir erahnen konnten. Noch nie hatte einer von ihnen gerne einen Fuß in die Stadt gesetzt. Warum sollten sie auch. Sie würden ohnehin direkt von den Wachen überwältigt, gefangen genommen und nachher ermordet werden. Außerdem hatten sie hier alles was sie brauchten. Zumindest solange bis der Winter einsetzten würde.
„Komm Olaria. Wir sollten nicht lange so nahe an der Stadt bleiben. Wir sind sowieso viel zu nahe und zu weit vom Lager entfernt.", drängte Dallan sie und schaute sich immer wieder unruhig um. Seine Augen fanden jedoch zum Glück keine Bedrohung, was ihn erleichtert aufatmen ließ. Auf eine Begegnung mit einer der Truppen von Maros oder gar seinem Sohn konnte er getrost verzichten. Doch seine Hoffnungen wurden jäh zerstört, als sich Olarias Augen weiteten und sich auf einen Punkt hinter ihm fixierten. Noch bevor sie etwas sagen konnte, hatte Dallan einen Blick hinter sich geworfen und sie eilig am Handgelenk gepackt um sie so schnell wie möglich in den Wald zurück zu ziehen. Eine Truppe von sechs oder sieben Wachen des Schlosses war am Rande eines der Felder aufgetaucht, angeführt von Maros' Sohn, dessen Blick sie ebenfalls erfasst hatte.
Auch Olaria begriff langsam den Ernst der Lage und sprintete hinter ihrem Bruder so schnell wie möglich zurück in das schützende Dickicht des Waldes, der sie beinahe zu verschlucken schien und die Wachen sie für wenige Momente aus den Augen verloren. Doch selbst dieser Moment der Unachtsamkeit würde den beiden Räubern nichts nützen, denn der Prinz war gut ausgebildet. Seinem Auge entgingen die Bewegungen in dem Dickicht nicht, so konnte er seine Truppe problemlos hinter den Räubern her führen.
DU LIEST GERADE
Olaria- Legende der Räuber
Historical FictionViele Geschichten kursieren um die Legenden einer Heldin. Eine Heldin, so tapfer, mutig und ungebändigt frei wie die Winde, die gnadenlos über die Länder fegen, dass sie die Eine war, die einen Krieg, scheußlicher als alles was die Einwohner dieser...