Kapitel 16:Fasziniert wandert der Blick des jungen Prinzen ziellos über die vielen Farben und Eindrücke um ihn herum. Noch nie in seinem Leben hat er ein so schönes Farbenspiel wie dieses gesehen. All die Jahre hatte er hinter den Mauern seines Schlosses gesessen und die Wälder hinter seinem Fenster nur erahnen können. Die wunderschönen, warmen Töne um ihn herum beeindruckten ihn und er verstand nicht, wie er es sein ganzes Leben in einem Schloss hatte aushalten können. Tieren begegneten sie nur selten, doch schien die Ruhe keinen der beiden Reisenden zu stören. Sie genossen die Ruhe, die sie in den letzten Tagen nicht hatten genießen können. Auch Olaria ließ ihre Gedanken schweifen und entspannte sich, denn in diesen Wäldern würden sie für eine Weile sicher sein. Zumindest solange bis König Maros seine Soldaten auch dort hin entsenden würde. Schweigend liefen die beiden Gefährten nebeneinander her, während die junge Räuberin das gestohlene Pferd neben sich herführte.
"Darf ich Euch eine Frage stellen?", die raue Stimme des Prinzen durchbrach die Stille und riss Olaria aus ihren Gedanken.
"Natürlich.",antwortete sie knapp. Sie ahnte bereits wie seine Frage lauten würde. Es war schließlich nur eine Frage der Zeit.
"Wie nennt man Euch?", der Prinz warf der jungen Frau neben ihm einen neugierigen Blick zu, den diese jedoch nicht bemerkte. Zu konzentriert musterte sie ihre Umgebung, als würde sie die Antwort dieser Frage in der Natur finden wollen. Sie überlegte sich genau wie sie antworten würde, ohne zu viel von sich zu offenbaren.
"Ich habe viele Namen. Es kommt ganz darauf an, wer sich in meinem Umfeld befindet. Also welchen wollt Ihr hören?", stellte sie ihm höhnisch eine Gegenfrage. Es war nichts Ungewöhnliches für sie, dass man ihren wahren Namen nicht wusste. Sie fragte sich manchmal sogar, ob sie den überhaupt noch kannte, denn die Bürger, Fürsten und Könige nannten sie alle bei einem anderen Namen. In ihren Augen waren die Räuber eine Schande, ein hässlicher Abschaum. Menschen, die verwildert waren, die keinen Anstand hatten, wurden sie genannt. Doch war den Meisten nicht bewusst, dass die Räuber mehr Würde und Ehre hatten, als die meisten Menschen in den Dörfern. Olaria war sich dessen sicher. Sie wusste, dass die Menschen, die in Helia und Illiora lebten, zu eigen waren um einzusehen, dass sie diejenigen waren, die unter den Räubern standen. Die Bürger standen den Räubern in Vielem nach. Ihre Kampfkunst, ihr Zusammenhalt und ihr Ehrgefühl würde niemals mit dem der Aufständigen vergleichbar sein.
"Euren Wahren. Ich möchte euren wahren Namen wissen! Den Namen, den eure Mutter Euch gab. Den Namen auf den Ihr stolz seid!", antwortete der junge Mann ihr mit fester Stimme und Olaria konnte die Ehrlichkeit in seinen Augen sehen, die sie nun auffordernd anblitzten.
"Meine Mutter gab mir den Namen Olaria. Sie sagte, ich solle ihn mit Stolz und Würde tragen." Am Ende des Satzes waren ihre Worte nicht mehr als ein Flüstern und ihr sehnsuchtsvoller Blick glitt hinauf in den wolkenlosen Himmel. Sie trauerte um ihre Familie und würde sie niemals vergessen. Doch der Schwur den sie abgelegt hatte, erhielt sie am Leben. Stellte ein Ziel für sie da. Und Olaria war fest entschlossen dieses zu erfüllen. Vorher würde sie nicht aufgeben, sie würde kämpfen bis zum Tod.
"Olaria also.", die Stimme des Prinzen war so leise, dass die junge Räuberin es nicht hörte. Er ließ sich ihren Namen auf der Zunge zergehen. Der junge Mann konnte nicht leugnen, dass der Name wie für sie geschaffen war. Auch wenn er keine bestimmte Bedeutung aufwies, so drückte er doch das Kriegerische und Mutige aus, zwei Eigenschaften, die Olaria besaß.
"Doch wie lautet Euer Name?", verwundert schaute der schwarzhaarige Mann Olaria an. Er hätte niemals gedacht, dass sie ihn nach seinem Namen fragen würde. Vielleicht hatte er erwartet, dass sie ihn nach seinen Hintergründen und Beweggründen fragen würde, doch war er nicht auf eine solche Frage vorbereitet. Denn sie zeigte ihm offensichtlich, wie wenig die junge Frau ihr Umfeld doch zu interessieren schien.
Auf seine überraschten Blicke reagierte sie nur mit einem einfachen, stumpfen Schulterzucken. "Nun sagt schon. Schließlich wisst Ihr nun auch wie Ihr mich zu nennen habt.", sagte Olaria fordernd, nachdem der Prinz ihr immer noch nicht geantwortet hatte.
"Ach ja? Wie soll ich Euch denn nennen? Gibt es denn eine Beschreibung für Euer Temperament und Euren durchmischten Charakter, Hexe?" Schalk blitzte in seinen Augen auf und ein belustigtes Grinsen umspielte seine Lippen. Für einen Moment wurde er unsicher, denn er befürchtete einen Wutausbruch auf Seiten seiner Begleitung, jedoch rückten seine Sorgen in den Hintergrund, als Olaria leicht schmunzeln musste. Es war das erste Mal, dass er sie belustigt sah. Und sie schien ihm die indirekte Beleidigung nicht übel zu nehmen, weshalb er erleichtert ausatmete.
"Olaria würde reichen, Euer Hochwohlgeboren.", gab sie scherzend zurück. "Doch wie soll ich Euch verehrter Prinz nennen?" Schalkhaft deutete Olaria eine Verbeugung an und blickte ihm in die Augen. Ihre Augen funkelten amüsiert und steckten ihn an.
"Lucian. Euch sei es gestattet mich bei meinem Namen zu nennen."
Noch bevor die junge Frau etwas erwidern konnte, begann es in einem Gebüsch in ihrer Nähe zu rascheln und ein kleiner Vogel schoss daraus hervor. Plötzlich, ohne dass die beiden Reisenden reagieren konnten, machte das gestohlene Pferd einen panischen Satz zur Seite und rammte dabei Lucian mit seiner Flanke. Überrascht versuchte der junge Mann halt zu finden und stolperte durch den Schwung einige Schritte zurück, sodass er die kleine Gewächsreihe hinter ihm nicht sehen konnte und viel rücklings darüber auf den von Blättern bedeckten Waldboden.
Olaria hatte die ganze Szene beobachten können ohne mit einbezogen zu werden und versuchte sich ein Lachen zu verkneifen. Die Situation hatte so abstrus ausgesehen, dass die unnahbar erscheinende Räuberin seit langer Zeit noch einmal das Bedürfnis verspürte, zu Lachen. Als der junge Prinz sich jedoch hinter den Büschen aufrichtete und seine Gefährtin ihn somit sehen konnte, war es um sie geschehen, denn die Blätter in seinem dunklen Haaren gaben ihr den Rest. Ein glockenhelles und wunderschönes Lachen hallte durch den Wald. Für einen Moment hielt der Prinz inne, ehe ihn ihr Lachen ansteckte.
Und seit langer Zeit war sie für einen Moment sorgenlos. Sie konnte unbeschwert lachen, doch entging ihr das angenehme Kribbeln in ihrem Bauch nicht, dass sie aber in diesem Augenblick jedoch ignorierte.
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Olaria- Legende der Räuber
Historical FictionViele Geschichten kursieren um die Legenden einer Heldin. Eine Heldin, so tapfer, mutig und ungebändigt frei wie die Winde, die gnadenlos über die Länder fegen, dass sie die Eine war, die einen Krieg, scheußlicher als alles was die Einwohner dieser...