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Kapitel 14: 

Dunkle Wolken verdeckten die wärmende Mittagssonne und ließen die Welt trüb und trostlos wirken. Farben sahen weniger intensiv aus und auch die Laune der Menschen war gesunken. Die Meisten zogen sich in ihre Häuser zurück oder eilten durch die Gassen und Straßen um so schnell wie möglich an ihr Ziel zu kommen.

Nur Olaria und ihr Begleiter schienen die Einzigen zu sein, die sich noch im Freien befanden. Sie hatten sich so gut verdeckt wie es ihnen nur möglich war, denn zu ihrem Glück waren noch keine Zettel aufgehangen worden und somit kannte auch kaum jemand ihr Gesicht. Zumindest Olaria war dadurch geschützt, der Prinz jedoch hatte große Mühe nicht von den wenigen Menschen erkannt zu werden. Die beiden Reisenden hatten sich spontan dazu entschieden, den Markt von Salahir aufzusuchen um Vorräte und Mäntel zu kaufen, denn unter keinen Umständen würden sich in Helia bleiben und damit ins offene Messer laufen. Maros' Königreich war zu gefährlich. Bewohner, Wachen und Kopfgeldjäger würden nach ihnen suchen und keine Ruhe geben, ehe sie gefunden würden.

Vor einem kleinen Stand am Rande des Marktes machte die junge Räuberin halt und blickte auf die vielen Mäntel, die sich ihr anzubieten schienen. Den Prinzen hatte sie hinter einer Hauswand versteckt, damit man ihn nicht erkennen würde. Es war schon genug Risiko für sie alleine, auf dem Markt, im Zentrum Salahirs, aufzutauchen. Die Kapuze eines alten und abgenutzten Mantels hatte sie sich tief ins Gesicht gezogen und ihr Schwert lag wohl behütet unter dem alten Tierleder versteckt. Es verlieh ihr eine gewisse Sicherheit das uralte Familienerbstück bei sich zu tragen, denn das schmierige Grinsen des alten Mannes, der hinter dem kleinen Holztisch auf einer Anhöhe stand, gefiel ihr überhaupt nicht. Sie wollte so schnell wie möglich von hier fort. Es war keine Seltenheit, dass sie von vielen Herren, ob jung oder alt, lüstern betrachtet wurde oder von ihnen angemacht wurde. Viele der Frauen waren arme Witwen und verdienten ihren Unterhalt deshalb meist mit der Prostitution, etwas, das Olaria sich niemals im Traum vorstellen konnte, eher floh sie in den Wald und würde versuchen zu Überleben, statt sich zu verkaufen.

"Was wünschen Sie junges Fräulein?", sein Blick glitt an der jungen Frau vor ihm hinunter und wieder hinauf. Die brünette Räuberin hatte Mühe nicht das Gesicht angeekelt zu verziehen und ihm eine bissige Antwort zu geben. Eine derartige Reaktion würde nur auf Misstrauen stoßen, denn die Frauen Helias unterlagen den Befehlen ihrer Männer.

"Geben Sie mir zwei ihrer besten Mäntel.", gab sie trocken zurück und wagte es nicht den Blick zu heben, aus Angst erkannt zu werden. Ihre Hand wanderte zu einem kleinen Lederbeutel in einer versteckten Innentasche ihres Mantels und nahm einige Münzen heraus, auf dessen Vorderseite ein Portrait von Helias König abgebildet war.

Skeptisch warf der ältere, ahnungslose Mann einige Blicke auf die junge Frau, deren Körper beinahe vollkommen von dem alten Leder umhüllt wurde und deren Gesicht er nicht erkennen konnte. Nie zuvor hatte er sie gesehen und ihre mysteriöse Ausstrahlung weckte sein Misstrauen.

Zögernd schob er zwei schwarze und dicke Mäntel über den Tresen zu ihr hinüber. Olaria musste sich ein spöttisches Schmunzeln verkneifen, als sie seine Skepsis bemerkte. Doch würde sie ihm das Misstrauen nicht nehmen können. Sie war eine Räuberin, es war normal, dass das Volk ihnen nicht über den Weg traute. Räuber ,wie sie es war, schienen von Natur aus eine geheimnisvolle Ausstrahlung zu besitzen, die die Meisten abschreckte und viele von ihnen vor dem Tod beschützte.

Schweigend ließ sie einige silberne Münzen auf den Tresen fallen und klemmte sich die Mäntel unter den Arm. Olarias Vorhaben, unauffällig zu verschwinden, wurde ihr abrupt zerstört, als der Verkäufer sie blitzschnell am Arm packte und sie über den kleinen Holztisch hinweg eisern fest hielt. Ihr Kopf fuhr herum, wobei ihr die Kapuze ein Stück verrutschte und einige rotbraunen Haarsträhnen fielen ihr ins Gesicht. Es würde ein Einfaches sein, sich ihm zu entreißen, jedoch würde sie dann die Aufmerksamkeit der wenigen weiteren Personen auf sich ziehen und sie war nicht darauf aus, für einen Massenmord aus, bei dem viele unschuldige Leben ausgelöscht werden würden.

"Lassen Sie mich auf der Stelle los!", knurrte sie ihn bedrohlich an. Ihre Augen funkelten gefährlich unter der Kapuze hervor, doch hatte der Mann nicht vor sie gehen zu lassen. Stattdessen verstärkte sich sein Griff. Olaria ekelte sich, als sich die schwitzigen Hände noch stärker um ihren Arm schlossen.

"Die Ware ist nicht für so wenig Geld zu haben Fräulein!" Seine Worte waren ihr egal und der Preis erst recht. Ihr war bewusst wie teuer die beiden Mäntel sein würden, doch hätte sie sie auch stehlen können. So war ihr die Idee des niedrigeren Preises doch angenehmer vorgekommen.

"Ich werde Ihnen nicht mehr zahlen!"

"Doch das werden Sie, sonst behalte ich die Mäntel!"

"Seien Sie froh, dass ich überhaupt bezahlt habe, es gäbe durchaus mehrere Möglichkeiten auch ohne Kosten an diese Stücke zu kommen, glauben Sie mir."

Noch ehe der Verkäufer ein weiteres Wort von sich geben konnte, war der Prinz plötzlich hinter ihr aufgetaucht und knallte eine goldene Münze auf das Holz. Ungläubig wanderte der Blick des Mannes zwischen den beiden Personen vor ihm hin und her. Erkenntnis blitzte in seinen Augen auf und Olaria wusste, sie musste schnell handeln, sonst würde man sie verraten. Hastig entwand sie sich dem Griff des Alten, schnappte sie sich die beiden Mäntel und klemmte sie sich unter den Arm, bevor sie begann zu rennen. Auch ohne nach hinten zu rufen, war ihr bewusst, dass der Prinz ihr folgte, denn seine Schritte konnte sie deutlich hinter sich hören. Mit keuchendem Atem bahnte sie sich einen Weg durch die neugierigen Menschen und hielt verbissen Kurs auf das prächtige Tor am Ende der Gasse, an dem sich mehrere Menschen und Kutschen versammelt hatten.

"Haltet sie! Haltet die Unwürdige und den Prinzen!", brüllte der ältere Mann den umstehenden Menschen zu, die zuerst verwirrt umher sahen, ehe einige von ihnen sich tatsächlich in den Weg der Flüchtenden stellten.

Eilig sprang sie über einige hölzerne Kisten, die unnütz auf dem Boden lagen. Ohne Rücksicht auf die Menschen zu nehmen, hechtete sie weiter und kämpfte sich ihren Weg gewalttätig durch die Masse, die sie immer weiter einengte. Ihre Faust traf viele der tapferen Männer so fest, dass diese geschockt zurückwichen oder zu Boden stürzten. Ihr Atem ging stockend und die vielen Bürger kosteten zusätzlich Kraft, die sie für eine Flucht vor den Wachen, die jeden Moment eintreffen sollten, brauchen würde.

Ihre Schritte verschnellerten sich und ihre Bicken huschten unruhig über den Marktplatz. Die Stille die ihn vorher noch umgeben hatte, war lauten Schreien und Rufen gewichen. Einige Mütter schoben ihre Kinder schützend hinter sich.  In der Nähe des Tors konnte Olaria einige Pferde erkennen, dessen Besitzer daneben standen und von dem ganzen Trubel nur wenig mitzubekommen schienen.

Olaria- Legende der Räuber Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt