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Kapitel 19:

Beruhigende Wärme schien durch ihren Körper zu fließen und ihn wieder zu beleben. Für einen kurzen Augenblick genoss sie das wohltuende Element, ehe sie ihre Augen auf schlug. Beinahe augenblicklich schoss ein unvergleichlicher Schmerz durch ihren Kopf, pulsierte in ihren Adern und lähmte ihre Muskeln. Schmerzerfüllt stöhnte Olaria auf. Ihr Blick suchte ihre Umgebung nach irgendwelchen Hinweisen auf ihren Aufenthaltsort ab, doch blieb sie erfolglos. Das Einzige das sie sah, waren unzählige Bäume um sie herum und Pflanzen, die sie einzukreisen schienen. Über ihr schien die helle Sonne vom Himmel herab und deutete darauf hin, dass die Mittagszeit bereits begonnen haben muss. Unter unheimlichen Schmerzen richtete sich die junge Räuberin auf, um sich wenig später bereits auf schwachen Beinen stehend wieder zu finden. Orientierungslos drehte sie sich einmal im Kreis. Olarias Augen fokussierten misstrauisch die kleine Feuerstelle in ihrer Nähe und die Ausrüstung die daneben lag. Auch die Decke, die sie bereits abgelegt hatte, ließ die Skepsis in ihr aufflammen. Die junge Frau kombinierte die Eindrücke und musste feststellen, dass sie wohl nicht die Einzige war, die hier gelegen oder genächtigt hatte. 

"Ihr seid wach!" Die überrascht und zugleich freudig klingende Stimme ließ die erschöpfte Räuberin herum fahren. Ein Mann, nicht viel älter als sie selbst, stand unmittelbar hinter ihr, in der Hand eine kleine Tonschale. Er hatte helles blondes Haar und auffällig leuchtend grüne Augen. Seine muskulöse Statur zeugte von einem konsequenten Training, das ihn in der wilden Natur wohl das Leben gerettet hatte.

Misstrauisch beobachtete Olaria jeden seiner Schritte und Bewegungen, als er bedächtig auf sie zu kam. Doch bevor er bei ihr ankam, stellte er die kleine Schale auf einen der mächtigen Baumstümpfe, die sich auf dieser Lichtung zu Genüge befanden. Als er jedoch weiter auf sie zu kam, wich sie einige Schritte zurück und blickte sich hektisch nach ihren Waffen um. Ihr war nicht entgangen, dass der Unbekannte ihr diese abgenommen hatte. Abwehrend hob der blondhaarige Mann die Hände.

"Keine Sorge. Hätte ich Euch schaden wollen, wäre dies längst geschehen.", versuchte er sie zu beruhigen. Und tatsächlich begann die junge Räuberin darüber nachzudenken und musste zähneknirschend feststellen, dass es einleuchtend war, was er von sich gab. Der Fremde gab stets darauf Acht keine zu hektischen Bewegungen zu machen, als er sich ihr langsam näherte und sich neben Olaria auf den Baumstamm setzte. Auffordernd blickte er sie an. Der junge Mann schien darauf zu warten, dass sie die Suppe anrührte, doch überwog ihre Skepsis ihr Hungergefühl und ließ sie reuelos verzichten.

Seufzend nahm der Fremde ihre Verweigerung hin und musterte die junge Frau, die tief in Gedanken versunken schien. Lückenhaft konnte sich die Räuberin an die Zeit vor ihrer Ohnmacht erinnern und musste mit Schrecken vorstellen, dass ihr Begleiter wohl oder übel verschwunden sein musste. Erschrocken riss sie die Augen auf und sprang panisch auf. Unruhig lief sie umher und hielt Ausschau nach ihren Waffen. Die Sorge, die sie tief in ihrem Herzen spürte, verwirrte sie. Nie zuvor hatte sie sich um jemanden anderen als ihre Familienmitglieder gesorgt. Sah sie Lucian etwas als ein neuer Teil der Familie? Oder als Freund? Oder doch als etwas ganz anderes? Diese Ungewissheit rief eine Wut in ihr hervor, die sich einzig und allein gegen Olaria selbst richtete. Sie verstand es einfach nicht, wie sie jemanden so schnell vertrauen konnte, wie sie so naiv sein konnte.

"Wo sind meine Waffen?!", fuhr sie den überforderten Mann ungehalten an. Ihre Nerven lagen blank und das alles nur wegen eines Menschen, der diese Aufwendigkeit eigentlich gar nicht verdient hatte, zumindest redete sich die junge Frau dies ein. Das sie sich selbst anlog war ihr schmerzlichst bewusst, jedoch war sie zu stolz und stur um sich vom Gegenteil überzeugen zu lassen.

Schweigend stand der Fremde auf und ging langsam auf eine unscheinbare Holztruhe zu, nur um diese Sekunden später zu öffnen. Ungeduldig hatte Olaria die Arme verschränkt und beobachtete argwöhnisch wie der Blondhaarige einige Waffen aus der Truhe nahm. Unweigerlich konnte die Räuberin sie als die ihren identifizieren. Die gesäuberten Klingen reflektierten das helle Sonnenlicht und blitzten förmlich.

"Ihr habt sie gereinigt?", fragte sie verwundert und zog verwirrt ihre Stirn kraus.

"Natürlich! Der Blutgeruch hätte nur wilde Tiere angelockt und mir noch mehr Schwierigkeiten bereitet, als Ihr es getan habt." Seine Antwort war für die Brünette nachvollziehbar. Somit blieb ihr nichts anderes übrig, als ihm zu glauben.

Kurz bevor Olaria ihre Dolche und ihr geliebtes Schwert jedoch in die Hände bekam, nahm der Fremde sie an sich. Aufgebracht starrte sie dem jungen Mann in die funkelnden grünen Augen. "Vorerst muss ich wissen, was ihr damit vorhabt zu tun. Schließlich bin ich derjenige der indirekt für Eure Taten schuldig wäre. Außerdem erlaube ich es mir die Antwort von euch zu verlangen im Gegenzug zu euren Waffen." Erst hatte Olaria es für einen dummen Scherz gehalten, denn sie hatte den Schalk klar und deutlich in seinen erkennen können, jedoch sah sie auch den Hinterhalt tief hinter dem Schalk in seinen Augen aufblitzen.

Mürrisch seufzte die junge Räuberin einmal, ehe sie ihm so verschlossen wie möglich antwortete: "Hört zu, ich werde jetzt meinen Gefährten suchen und ihr werdet mich weder aufhalten noch begleiten! Verstanden?!" Ihre Laune war deutlich gesunken. Ihr bekam es gar nicht, dass er so neugierig war.

"Nun gut. Dann werde ich Euch aber begleiten!"

Sie wollte ihm gerade eine bissige Antwort geben, als der Fremde sie bereits erneut unterbrach. "Und es ist mir ziemlich egal, ob Euch das gefällt oder nicht! Ich haben Euch vor dem sicheren Tod bewahrt und Eure Wunden gepflegt, ich denke ich habe das Recht eine Gegenleistung von Euch erwarten zu dürfen, oder seht ihr das anders?" Seine Worte klangen beinahe spöttisch und abwertend während er zufrieden feststellte, wie die Frau ihm gegenüber mit den Zähnen knirschte aber nur wenig später den Kopf schüttelte.

"Gut." Zufrieden überreichte er ihr die glänzenden Klingen und folgte anschließend der bebenden Räuberin in den Wald hinein,auf der Suche nach einer ihm unbekannten Person. 

Olaria- Legende der Räuber Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt