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Kapitel 12: 

Mit festen Schritten ging sie in ihre eigene Höhle. Ein trauriger Ausdruck huschte für den Bruchteil einer Sekunde über ihre eiskalte Miene. Von der trauernden Frau war nichts mehr zu sehen. Nur ihre blutunterlaufenen Augen wiesen auf ihren Schwächeanfall hin. Ihr Herz war von Hass eingenommen und sie strahlte eine eisige Kälte aus, wie sie sie nur in den Augen des Prinzen sah. Unzählige Arten Maros zu töten schossen ihr durch den Kopf. Eine grausamer als sie Andere. Und umso qualvoller, schlimmer sie wurden umso mehr gefiel ihr der Gedanke. Ein boshaftes Grinsen hatte sich auf ihre Lippen geschlichen.

Ohne sich lange in ihrem eigentlichen zu Hause umzusehen, schritt sie zielstrebig auf eine dunkle Truhe zu. Ein hässliches Quietschen durchschnitt die Luft, als sie den Deckel anhob. Mit einer Hand hielt sie den Deckel in der Luft, während sie mit der Anderen nach dem trockenen Gras griff. Ihr Kopf war leer, befreit von allen Gedanken. Ihre Seele war taub, betäubt von dem schmerzenden Gefühl in ihrer Brust. Auch den Prinzen hatte sie verdrängt, genau wie die Tatsache, dass ihre Familie nun fort war. Alles in ihr war so leer und ausgeschöpft. Es kam ihr so vor, als wären alle Gefühle, die sie in ihrem ganzen Leben jemals gefühlt hatte, verschwunden. Mit einem Mal waren sie alle fort und doch war Olaria bewusst, dass der Moment, in dem sie die Erkenntnis über den grausamen Tod traf, sie so weit zurück schleudern würde, dass sie nicht mehr aufstehen und weiter kämpfen konnte und solange würde sie ihre Rache schmieden und Alles was sich in ihrem Besitz befand, dafür einsetzen.

Ihre Hand ließ den alten Deckel los und Staub wirbelte ihr entgegen, drang in ihre Atemwege und kitzelte unangenehm in ihrer Nase. Schnell griff sie nach zwei Feuersteinen, die direkt neben ihrem Bett lagen und flüchtete hinaus in die frische Luft, weg von dem veralteten Staub. Es wunderte sie, dass niemand die Höhlen durchsucht zu haben schien. Was hätte man sonst davon gehabt, sie töten zu wollen?

Sowohl das trockene, gelbe Gras als auch die festen Feuersteine legte sie neben die ehemalige Feuerstelle um kurz darauf mit einer Fackel, die neben einer der toten Wachen gelegen hatte, zurückzukehren. Ihre Miene verriet nicht, wie ihr Innerstes aussah nur die wilde Entschlossenheit war unverkennbar. Ihre dumpfen Schritten waren kaum zu hören und auch kein einziges Tier war zu hören. Es schien, als hätte der Wald alle Geräusche verschluckt, als befinde sich der Wald in stiller Trauer und wollte der jungen Frau Beileid spenden. Auch der junge Prinz stand still an der selben Stelle wie zuvor. Er hatte Respekt vor seiner Begleiterin. Ihr Mut aber vor Allem ihre starke Fassung beeindruckten ihn ungemein. Er selbst wusste nicht, ob er in einer derartigen Situation so gefasst und kalt hätte reagieren können. Mit wachsamen Blick verfolgte er jede ihrer Bewegungen, als würde sie plötzlich herumspringen und ihm die Kehle aufschlitzen. Viele verzweifelte Menschen taten in solchen Momenten seltsame Dinge oder begannen ihre Entscheidungen immer und immer wieder zu ändern.

Vorsichtig legte Olaria das Gras auf die schwarze Kohle. Ihre Hände zitterten kaum merklich und einige Tränen sammelten sich, trotz ihrer inneren Leere, in ihren Augen. Eisiger Wind umstreifte ihre Arme, zerrte sanft an ihren Haaren, als würde er sie zum Weiterziehen überreden wollen. Doch so gerne sie nun gehen würde, sie musste diese Aktion zu Ende bringen und ihrer Familie die letzte Ehre erweisen. Zumindest soviel war sie ihnen schuldig, wenn sie sie schon nicht hatte schützen konnte.

Ein kleiner Funke sprang auf das Gras über, als sie die beiden Steine energisch aufeinander prallen ließ. Ein Funke der sowohl die Hoffnung, als auch das Feuer der Zerstörung entfachen konnte. Hastig begann sie ihre Atemluft in das trockene Grad zu pusten, um das Feuer ihrer Hoffnung zu entfachen. Warme Luft schlug ihr entgegen, ehe sie hektisch den Kopf zurück zog. Nur wenige Augenblicke später stach eine helle Stichflamme aus dem kleinen Berg an trockenem Gras empor. Schnell griff sie nach der gut erhaltenen Fackel und hielt sie direkt in die heiße Flamme und wartete darauf, dass sie Feuer fing. Und tatsächlich begann das zu Beginn kleine Feuer auf die mit Stoff umwickelte Fackel überzugehen und lichterloh zu brennen. Eine Gänsehaut zierte Olarias vernarbte Arme, während die Wärme ihre Haut erreichte. Für einen Moment starrte sie reglos auf die helle Flamme, bevor sie das Feuer zu ihren Füßen austrat.

Schnellen Schrittes lief sie hinüber zu ihrer toten Familie. Für wenige Sekunden musste sie die Augen schließen um die Trauer, Verzweiflung und Panik zurückzudrängen, die sich in ihre Sinne schlich und diese einzunehmen schien. Ihre Atmung verschnellerte sich jedoch trotz allen Bemühungen, ruhig zu bleiben. Doch war die Wut und Rachgierde größer und siegte schließlich. Ein letzter Blick auf die Leichen vor ihr reichte bereits aus, damit sich ihr Griff um die Fackel verstärkte und ihre Knöchel weiß unter der Haut hindurch schienen.

"Es tut mir so unendlich Leid. Ich habe euch geliebt bis zur letzten Sekunde und wünschte für euch da gewesen zu sein, doch wisst ihr eines?", den bitteren Geschmack, der sich auf ihrer Zunge breit gemacht hatte, schluckte sie schwer hinunter, genauso wie die salzigen Tränen, die ihr aus dem Auge geflohen war. Olaria wusste, dass sie kein Mensch von großen Worten war und auch ihre Familie hatte dies gewusst und respektiert. Dennoch lag in ihren wenigen Worten mehr Erlichkeit, als in den langen Reden, die oftmals in Salahirs Zentrum gehalten wurden.

"Ich werde euch rächen und wenn es das Letzte sein wird was ich tun werde! Ich schwöre euch meine Rache, Rache an diesem gottverdammten König! Ich, Olaria, Tochter der Rania und stolze Angehörige der Räuber, werde mich auf Fleisch und Blut dazu verpflichten ihn, König Maros, eigenhändig zu töten! Koste es was es wolle!", ihre Stimme war immer lauter geworden und ein bedrohlicher Unterton schwang in ihr mit. Ihre Augen funkelten vor wilder Gierde nach dem Tod.

Ihre Hand lockerte den Griff um die Fackel ein wenig und zum Ende ihrer Worte, strich sie fast schon auf eine groteske Art mit der brennenden Fackel über die toten Körper, bis diese lichterloh zu brennen begannen und sie die Fackel achtlos in ihre Mitte warf. Entweder sie ginge von selbst aus, oder sie würde den Schlachtplatz vernichten. Das Feuer knisterte in ihren Ohren und der furchtbare Geruch von verbrannten Fleisch stieg in ihre Nase. Doch blieb sie einfach auf der Stelle stehen und warf einen letzten Blick auf ihre tapfere Mutter, ehe sich das Feuer davor schob. Ihren Kopf legte sie in den Nacken und atmete beinahe genüsslich den ekelerregenden Geruch ein.

Ein unheimliches beinahe bestialisches Lachen stieg in ihrer Kehle empor und erfüllte den Wald auf eine seltsame Art und Weise. Währenddessen drehte sie sich wild im Kreis und hatte die Arme zu beiden Seiten von sich gestreckt.

"Hast du gehört Maros? Ich werde kommen um dich zu vernichten! Ich werde dein Todesengel sein!", ihre lauten Rufe warf sie in die Welt hinaus und ließ sie alle hören. Sie sollten hören, dass sie kommen würde um sie alle niederzureißen. Und trotz dieser obszönen Situation verging ihr das Lachen nicht, auch wenn es weder ein glückliches Lachen noch ein bitteres Lachen war. Es war das Lachen das tief aus ihr heraus sprach, ihre Gefühle offenbarte und dem Tod persönlich gehören würde. Ein Lachen, das für Alle den Untergang bedeuten würde. Doch bemerkte sie bei all der Wut, Trauer, Wut und Rachlust gar nicht, dass der Dritte im Bunde noch fehlte, dass er nicht Tod war und auf sie warten würde, bis sie kam um ihn zu holen und Olaria, er und der junge Prinz das vereinte Trio des Todes sein würden.

Und dabei würde die Geschichte erst jetzt beginnen. Nun begann die Legende einer zerbrochenen und wütenden Seele. Jetzt begann die Legende von Olaria, die Legende der Räuber. Eine groteske Legende, die so niemals wieder vorzufinden sein würde, eine Legende wie sie nur so existiert. 

Olaria- Legende der Räuber Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt