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Kapitel 21: 

Kalter Wind blies durch das bunte Laub, dass in Mengen den Waldboden bedeckte und wirbelte es auf. Dunkle Wolken verdeckten die wenigen Sonnenstrahlen. Vereinzelt irrten kleine Tiere durch die goldenen Blätter.

Wachsam hielt Olaria nach Gefahr Ausschau während Cyrian und Lucian sich über die Stärken verschiedener Waffen stritten. Die junge Frau konnte nur genervt die Augen verdrehen und hoffen, dass diese Diskussion bald ein Ende finden würde. Seit geraumer Zeit lagen bei ihr die Nerven blank und der Stress der letzten Tage machte ihr nun nicht mehr nur körperlich sondern auch geistig Probleme. Sie war gereizter und unkonzentrierter als sie es für gewöhnlich wäre.

Dies war auch ihren Begleitern aufgefallen, weshalb sie versuchten so viel Abstand wie möglich von der jungen Räuberin zu halten. Aber auch Lucian begann der viele Stress bereits zu nerven und er fragte sich immer wieder, ob diese Reise nicht eine Fehlentscheidung gewesen war, denn so hatte er sich das Ganze definitiv nicht vorgestellt. Zudem gefiel ihm die Anwesendheit des blondhaarigen Mannes nicht. Ihm war bewusst, dass er nicht so voreilig urteilen sollte, doch kam ihm der Name unangenehm bekannt vor. Irgendwo und in irgendeinem Zusammenhang hatte er den Name bereits gehört nur wollte ihm nicht einfallen wo und wie.

Schweigend liefen die drei Reisenden weiter. Ihre Umgebung hatte sich gewandelt. Die Bäume waren kahler geworden und auch das Laub war beinahe vollkommen vom Boden verschwunden. Es schien als hätte der Wald eine Grenze, die die kleine Gruppe überschritten hatte. Die Luft brannte ihnen eisig auf der Haut und auch der Wind machte es für sie nicht angenehmer.

Die beiden Männer waren so abgelenkt von der Veränderung der Natur, dass sie die junge Räuberin beinahe übersehen hätten. Verwundert blickte Lucian die Brünette an. Diese stand jedoch vollkommen erstarrt auf ein und derselben Stelle. Ihre Muskeln waren angespannt und ihre Hand war zitternd zu dem Griff ihres Schwertes gewandert. Der Schock bildete sich in ihren Augen, die sie weit aufgerissen hatte.

Langsam löste sie sich aus ihrer Starre und schritt auf einen unscheinbaren, flachen Felsbrocken zu. Vorsichtig ging sie in die Knie und berührte mit ihrer Hand das graue Gestein. Verwirrt sahen die beiden Männer ihr zu, wie sie andächtig über die raue Oberfläche fuhr. An einer Stelle stoppten ihre Finger und sie hielt für einen Moment inne. Die junge Frau atmete einmal tief ein und aus, ehe sie mit ihren Finger Druck auf das Gestein verübte und einen unsichtbaren Schalter umlegte.

Noch bevor sich Cyrian zu diesem seltsamen Verhalten äußern konnte, begann der Stein leicht zu vibrieren und Staub bröckelte von ihm ab und fiel lautlos zu Boden. Cyanblaue Linien fraßen sich durch das graue Gestein und zeichneten mehrere Symbole auf. Bedächtig trat Olaria einige Schritte zurück.

"Was bedeutet das alles?" Lucians Stimme war nicht mehr als ein beeindruckter Hauch. Nie hatte er etwas so beeindruckendes und faszinierendes gesehen. Zugleich verunsicherte ihn die Situation jedoch, denn nie hatte er Olaria so verunsichert gesehen, nicht mal als sie seinem Vater Paroli geboten hatte. Ein deutliches Zeichen für ihn auf der Hut zu sein.

"Das mein lieber ,unbekannter Feind bedeutet mächtig Ärger!"

Erschrocken fuhr Lucian herum. Cyrian stand direkt neben ihm mit gezogenem Schwert und jederzeit kampfbereit. Doch zu seiner Überraschung rührte Olaria sich nicht. Nicht einmal umgedreht hatte sie sich. Ihm entging das kaum merkliche Zitter, das ihren ganzen Körper eingenommen zu schien hatte, nicht.

Eine Gruppe maskierter Männer stand vor ihnen. Der Mann, der sie angesprochen hatte, schien ihr Anführer zu sein, denn er stand vor all den anderen und hatte drohend das Schwert gehoben. Nur ihre Augen waren zu sehen.

"Na wen haben wir denn da?" Der höhnische Ton in seiner Stimme entging Olarias schwarzhaarigem Begleiter nicht. Mit bedächtigen Schritten ging der Unbekannte auf die junge Räuberin zu, die ihm jedoch immer noch den Rücken zu gedreht hatte. Lucian wollte sich ihm in den Weg stellen, doch hielt Cyrian ihn zurück. Warnend blickte er ihn an.

"Lass es! Das sind Räuber. Die töten dich schneller als du denkst.", raunter der Blondhaarige ihm zu. Und das verstand er. Olaria hatte nicht nur Angst, sondern auch Respekt. Diese Menschen waren ihr ebenbürtig und in der Überzahl, sie hätte keine Chance. Wenn er die Situation richtig gedeutet hatte, befanden sie sich ebenfalls in ihrem Gebiet. Ihre Karten standen mehr als schlecht.

"Dreh dich um!", forderte der Fremde harsch. Olaria widerstrebte der Gedanke seinen Befehlen Folge zu leisten, doch wusste sie auch, dass sie kapitulieren musste, wenn sie aus der Sache lebend heraus kommen wollte.

Widerwillig drehte sie sich um und blickte dem Fremden stur in die Augen. Von ihrer anfänglichen Angst war nichts mehr zu sehen, denn sie vor ihr stand jemand, der ihr gleich gesinnt war, jemand der die gleichen Bedürfnisse und Wünsche hatte, jemand der ebenfalls ein Räuber war.

"Ein Weib im Wald. Dass ich das noch einmal miterleben darf." Die fremden Räuber begannen höhnisch zu lachen.

"Treibs nicht zu weit.", knurrte Olaria entzürnt und funkelte ihren Gegner wütend an. Sie hatte Respekt vor diesen Männern, doch würde sie sich niemals beleidigen lassen, ohne dass ihr Gegenüber die Konsequenzen daraus kennen lernte.

"Ziemlich frech die Kleine.", stellte er nüchtern fest. Mürrisch beobachtete die Brünette, wie der Fremde sein Schwert hob und es ihr drohend an die Kehle hielt. "Du bist jetzt lieber still oder ich mach dich einen Kopf kürzer!", knurrte er warnend.

Ein wissendes Grinsen bildete sich auf Olarias Lippen, als sie die Stimme des älteren Mannes erkannte.

"Wir wissen beide, dass du dich das nicht trauen würdest, Darian.", schnaubte sie belustigt, sah ihm aber immer noch nicht ins Gesicht. Zu Amüsant war für sie die Situation die sich ihr bot. Ihr Gegenüber schien dies jedoch nicht allzu sehr zu belustigen, denn seine Augen strahlten nun mehr pure Kälte aus.

"Wer bist du und woher kennt du meinen Namen?! Seid ihr etwa ein paar dieser gottverdammten Höllenhunde des Königs?!" Er spuckte diese Wörter förmlich und Lucian musste sich ein empörtes Keuchen verdrücken, immerhin war es immer noch sein Vater über den die fremden Räuber so abfällig sprachen.

"Keine Sorge mein Lieber. Ich wäre die Letzte die sich diesem Teufel unterwerfen würde und das wüsstest du auch wenn du mich erkennen würdest. Aber verständlich, sind ja schließlich über fünfzehn Jahre vergangen. Wie geht es eigentlich Josefine? Ist sie immer noch dieser kleine Wirbelwind von früher?" Während sie gesprochen hatte, hatten sich die Augen des Räubers merklich geweitet und der Griff um sein Schwert sich ein wenig gelockert.

"Und bevor du jetzt fragst woher ich deine liebe Tochter kenne, sie war oder ist eine Freundin meiner Kindheit. Sagt dir der Name Corvin etwas? "

"Was hast du mit Corvin zu tun?!", zischte Darian wütend und seine Augen blitzten zornig.

"Corvin der kleine Rabe, hm?" Olaria genoss es ihren alten Bekannten zu provozieren, während er nicht wusste wie ihm geschah. Darian hatte ihren Vater immer geneckt, weil er einer der schwächsten Räuber gewesen war, die seine Familie aufgenommen hatte. Jedoch waren sie sehr gute Freunde gewesen, bis ihre Wege sich getrennt hatten. Olarias Vater wollte die Welt kennen lernen und hatte auf seiner Reise ins Unbekannte auch ihre Mutter kennen gelernt. So kam es dazu, dass er erst zurückgekehrt war, als seine Frau zwei Jungen zur Welt gebracht hatte. Nur leider war genau in der Zeit seiner Abwesenheit Olaria geboren worden, sodass sie vollkommen schutzlos im Wald genächtigt hatten, bis eine Truppe Fußsoldaten Elriks sie gefunden und gerettet hatte. Dort waren sie sicher gewesen. Als Corvin dies erfahren hatte war er sofort zum Schloss gereist. Wenige Jahre danach wurde die junge Familie auf Maros' Grund und Boden angegriffen und ihr Vater verstarb heldenhaft. Ihre Familie war danach einige Male bei Darian und so hatten Olaria und Josefine sich kennen gelernt.

"Mein lieber Vater war mit dir befreundet ,richtig?" Die junge Räuberin hatte sich die Kapuze ihres Mantels abgezogen und blickte ihm nun direkt ins Gesicht. Wenn es möglich war weiteten sich die Augen des Räubers noch mehr. Nur dieses Mal trat ein freudiger Ausdruck auf sein vernarbtes Gesicht.

"Sag bloß. Die liebe kleine Olaria ist erwachsen geworden.", rief er beinahe fröhlich aus und zog sie in eine kräftige Umarmung, die sie freudig lächelnd erwiderte. Verdattert starrten sie sowohl die Gruppe Räuber als auch Olarias Begleiter an. Niemand wusste so recht wie sie über diese merkwürdige Situation denken sollten oder wie sie handeln sollten.

Doch reichte eine Handbewegung Darians um die Waffen seines Gefolges sinken zu lassen. Auch ihre Kampfhaltung ließen sie fallen.

"Kommt ich bringe euch zum Lager." Und damit fiel auch der letzte misstrauische Funken aus den Augen der Räuber und eine friedliche Stimmung übermannte sie. 

Olaria- Legende der Räuber Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt