Kapitel 15:
Die dicken Mäntel unter ihrem Arm behinderten sie bei ihrer Flucht und sie verfluchte sich dafür, nicht ordentlich darauf geachtet zu haben, wie viel Aufmerksamkeit ihr zu Teil wurde. Ihre Schritten wurden langsamer und auch ihr Atem drang nur noch schwer in ihre brennenden Lungen. Ihre Augen blieben an einem Mann hängen, der in der Nähe des Tors stand und ein rabenschwarzes Pferd an der Hand hielt. Ihre einzige Möglichkeit Salahir zu verlassen und den Wachen zu entkommen.
Plötzlich ertönten laute Hörner und die Menschen schreckten erschrocken auseinander und gaben den Blick auf eine Truppe Soldaten frei, die mit gezückten Schwertern genau auf die beiden Reisenden zu hielten. Einige riskierten es sogar mit Pfeil und Bogen auf sie zu zielen. Noch war genug Abstand zwischen ihnen, sodass die Pfeile sie nicht erreichen konnten, doch die Reiter holten schnell auf und das aufdringliche Klappern der Pferdehufe war deutlich auf dem dreckigen Pflaster zu hören und einige der Reiter forderten sie dazu auf, stehen zu bleiben. Doch sowohl Olaria als auch ihr Begleiter wussten, dass man dennoch auf sie schießen würde und es bestand noch eine Möglichkeit zu entkommen. Das Einzige was sie davon trennte, war die Distanz zwischen ihnen und den Pferdehändlern, die auch auf sie aufmerksam geworden waren.
Die Blick der Menschen waren verängstigt und zu gleich auf eine seltsame Art und Weise fasziniert, was die junge Räuberin sich nicht erklären konnte, denn für Gewöhnlich betrachtete man die Räuber mit stets höhnischen und abschätzigen Blicken, doch viele von ihnen schienen doch tatsächlich von ihrer Flucht und ihrem Mut fasziniert zu sein.
Der Prinz rannte bereits keuchend neben ihr und sah sich verzweifelt um, denn er wusste nicht, wie er agieren sollte. Noch nie war er geflüchtet, warum hätte er auch. Sein Blick huschte zu seiner linken Seite, an der seine Begleiterin lief, deren braune Haarpracht ihr wild hinterher wehte. Ihre langen und schnellen Schritte und auch das entschlossene Funkeln in ihren Augen spornte ihn weiter an. Mit einem schnellen Blick gab sie ihm zu verstehen worauf sie hinaus wollte. Auch er nahm jetzt die angebundenen Pferd wahr, die nur noch wenige Meter vor ihnen standen und ihnen eine Fluchtmöglichkeit bieten würden.
Doch die Soldaten kamen immer näher an sie heran und Pfeile zischten durch die Luft, nah an ihnen vorbei. Der Atem der Pferde war bereits zu hören und die beiden Flüchtigen versuchten ihre Schritte sogar noch zu verschnellern, ihr Leben hing davon ab. Die Welt um sie herum schien den Atem an zu halten und die heruntergekommenen Häuser nahmen sie nur noch verschwommen war, während der Wind ihnen wild ins Gesicht blies und kein Erbarmen zu zeigen schien. Tränen bildeten sich bereits in ihren Augenwinkeln und Olaria hatte das Gefühl noch nie so schnell gerannt zu sein. Ihr war bewusst, dass sie definitiv außer Übung war, doch wann hätte sie damit rechnen sollen, dass ihre Familie getötet werden würde und sie plötzlich verfolgt wurde?
Ein kurzer Blick über ihre Schulter genügte ihr um zu sehen, wie nah die Soldaten bereits waren. Sie würden die Beiden erreichen noch bevor sie die Pferde erreichen würden. Fieberhaft überlegte Olaria, bis sie zu dem Entschluss kam, dass sie keine Chance hatten, wenn sie noch länger laufen würden, denn ihre Kräfte waren ausgeschöpft und der wenige Schlaf machte ihnen deutlich zu schaffen.
Ohne lange zu überlegen, legte die junge Frau noch einmal an Tempo zu und zwang ihre müden und schmerzenden Beine zu beschleunigen. Ihr Blick fiel auf einige Kisten, die notbedürftig an einer Hauswand gestapelt waren. Den verwirrten Blick des Prinzen ignorierend hielt sie auf den Stapel am Rande der Straße zu, ehe sie ihre Kraft für einen Moment sammelte, ihre Schritte verkürzte und sich mit aller Kraft vom Boden abstieß. Sicher landete sie mit beiden Füßen auf den instabilen Kisten. Ein beunruhigendes Knacken ertönte unter ihren Füßen, bevor sie erneut absprang, sich elegant, als hätte sie nie etwas anderes getan, in der Luft drehte und wenige Augenblicke, in denen alle Geräusche um sie herum verstummt waren, auf dem hellen Rücken eines der Pferde landete. Mit dem Überraschungsmoment auf ihrer Seite, schlug die dem wehrlosen Soldaten mit der Faust in den Magen und nutzte den Augenblick, in dem er sich schmerzhaft zu krümmen begann, um ihn mit einem gezielten Fausthieb in sein Gesicht von dem Pferd stieß.
Ein Schrei entkam seiner Kehle, ehe er auf dem Boden aufschlug und viele der Soldaten überrascht auswichen und somit zurück fielen. Nur noch wenige ihrer Verfolger verfolgten sie noch. Olaria warf keinen Blick mehr auf den ,wahrscheinlich toten, blonden Mann zurück, denn würde sie dies tun, wäre sie für diese Zeit abgelenkt und ungeschützt.
Ihre Beine drückte sie fest an den bebenden Pferdeleib und trieb es noch weiter an. Den Prinzen hatte sie für einen Augenblick aus den Augen verloren und blickte sich vorsichtig suchend um, dabei blieb sie aber immer aufmerksam und ihre Sinne hatten sich auf die reitenden Soldaten gerichtet um ihren Angriffen ausweichen zu können. Die Pfeile die auf sie gerichtet waren ,flogen in einem kontrollierten Schuss immer wieder an ihr vorbei und sie hatte größte Mühe ihnen auszuweichen, denn ihr Pferd war keinesfalls so wendig wie sie es zu Fuß gewesen wäre. Verständlich.
Tief über den Rücken des Tieres gebeugt lenkte sie das weiße Tier geschickt in eine der vielen Nebenstraßen und ließ es raffiniert um die Kurven schlittern. Sie verwirrte die Wachen immer mehr in dem sie immer wieder abbog. Nur noch drei Pferde samt ihrer Reiter folgten ihr und schienen an ihr zu hängen.
Helle Funken sprühten, als sie scharf nach rechts, zurück auf die Hauptstraße abbog. Ihr Blick fiel auf den rennenden Prinzen nur wenig vor ihr und ohne lange zu Zögern trieb sie ihr Pferd noch weiter an und kam ihm immer näher. Ihre Kraft begann sie immer mehr zu verlassen, jedoch trieb die Hoffnung auf eine Flucht sie immer weiter an. Als sie schließlich neben ihm ritt, streckte sie eine Hand nach ihm aus und lehnte sich leicht zu ihm herunter, um ihn herauf ziehen zu können.
Zuerst dachte der junge Prinz einer der Soldaten würde neben ihm reiten, doch reichte ein Blick zur Seite um ihn beruhigt aufatmen zu lassen. Olarias Blick huschte immer wieder zwischen dem jungen Mann und dem Tor am Ende der Straße hin und her.
"Nun mach schon! Wir haben nicht ewig Zeit!", forderte sie ihn unruhig auf und zügelte das weiße Tier, damit er mit ihr mithalten konnte. Den verwirrte Blick, den der Prinz ihr schwenkte, quittierte die junge Frau nur mit einem gestressten Schnauben. "Na los! Spring endlich auf das verdammte Pferd!", erläuterte sie ihm ihren Gedankengang ungeduldig. Lange wartete der Prinz nicht, ergriff die ihm angebotene, schmale Hand und schwang sich mit ihrer Hilfe, hinter die junge Frau aufs Pferd. Und es schien als würde das Schicksal es gut mit den beiden jungen Menschen meinen, denn kaum saß der Prinz sicher auf dem Pferderücken, preschten sie durch das offene Tor hinaus in die Freiheit, hinauf auf eine große Ebene und wurden für die Soldaten Helias zu einem unerreichbaren Ziel, sodass diese schwer atmend am Tor ihre Pferde zum Stehen brachten und dem ungleichen Paar unglaubwürdig und respektvoll hinterher blickte, bis sie am Horizont mit dem dunklen Wald zu verschmelzen schienen. Die Soldaten wussten, dass ihr König die Beiden solange jagen würde, bis das Blut floss oder sowohl die Räuberin als auch der Prinz in seinem Kerker saßen und elendig an den Foltern sterben würden. Doch war ihnen auch bewusst, dass die beiden jungen Menschen keinesfalls leicht zu kriegen wären und schwere Zeiten für sie und die Soldaten anbrechen würden, die viele Leben und Opfer aber auch Mut und Willensstärke erfordern würden.
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Olaria- Legende der Räuber
Historical FictionViele Geschichten kursieren um die Legenden einer Heldin. Eine Heldin, so tapfer, mutig und ungebändigt frei wie die Winde, die gnadenlos über die Länder fegen, dass sie die Eine war, die einen Krieg, scheußlicher als alles was die Einwohner dieser...